Henryk M. Broder / 24.03.2021 / 11:00 / Foto: Acgut.com / 84 / Seite ausdrucken

Noch mehr Transparenz wagen!

Wenn inzwischen sogar der stets um Maß und Mitte bemühte Theo Koll in einem Kommentar zum letzten Treffen des Corona-Kabinetts sagt, er komme sich vor wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, dann muss etwas schiefgelaufen sein, gründlich schiefgelaufen, ohne jeden Anflug von deutscher Flexibilität.

Mich haben die Berichte über das letzte Marathon-Treffen im Kanzleramt an einen anderen Film erinnert, den „Untergang“ von Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel. Er spielt in den letzten Tagen des Krieges im Berliner Führerbunker und zeigt die NS-Größen am Rande eines kollektiven Nervenzusammenbruchs, aber immer noch fest überzeugt vom bevorstehenden Endsieg. Mir ist klar, dass ich mich mit diesem Vergleich auf dünnes Eis begebe. Und ich bitte im Voraus um Verzeihung, sollte sich jemand verletzt fühlen. Aber ich kann nichts dafür, ich habe meine Assoziationen derzeit ebenso wenig unter Kontrolle wie die Kanzlerin das Corona-Virus.

Es geht nicht mehr um die richtige „Strategie“, um „Perspektiven“, „Erleichterungen“, „Inzidenzen“, „AHA-Regeln“, „Ausnahmen“, „Paradigmenwechsel“, „Notbremsen“, das „Licht am Ende des Tunnels“ und zuletzt ein „kontaktarmes Verreisen“. Es geht um das, was eine Demokratie ausmacht: Vertrauen und Transparenz.

Das Volk reibt sich die Augen

Die Regierung spielt mit dem Volk „Versuch und Irrtum“, während das Volk, dem schon Tucholsky bescheinigte, dass es „das meiste falsch (versteht), aber das meiste richtig (fühlt)“, sich verwundert die Augen reibt. Die wievielte Ministerpräsidenten-Konferenz mit der Kanzlerin war das eigentlich? Und warum wollen die sich in 14 Tagen wiedertreffen? Um die Beschlüsse zu erneuern, die sie schon vor 14 Tagen festgeschrieben haben?

Will man das Vertrauen der Menschen draußen im Land in die Politik wiederherstellen, hilft nur eines: Radikale Transparenz. Die Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten müssen live übertragen werden, auf 3sat oder Phoenix, ungeschnitten und in Echtzeit. Ich möchte sehen, wie die Kanzlerin die Sitzungen moderiert, wie Bodo Ramelow auf seinem Smartphone „Candy Crush“ spielt und wie Reiner Haseloff Nonsens twittert; wie Michael Müller mit seiner Krawatte die Brille putzt, Markus Söder seine Notizen ordnet, Jens Spahn in einen Duplo-Riegel beißt und Peter Altmaier Suppe löffelt.

Das Kanzleramt entsprechend zu verkabeln, dürfte kein Problem sein. Bei RTL weiß man, wie so etwas geht. Am Ende einer jeden Sitzung sollte es keine Pressekonferenz geben, sondern ein Call-In, an dem jeder und jede teilnehmen kann. 

Das wäre gelebte Demokratie. Bürgernah, kontaktarm und preiswert.

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Walter Ebert / 24.03.2021

So charmant ich den Vorschlag der transparenten Konferenz des Kurfürstenkollegiums auch finde - ich befürchte da bei Beteiligung einer Behörde, die schon Probleme hat, eine Telefonschalte zu organisieren, gewisse technische Schwierigkeiten. Aber man könnte ja die Russen fragen, die ja, wie allgemein bekannt, alles mithören (näheres weiß der Spiegel), ob die einen Mitschnitt herausgeben. Die NSA kann man ja leider nicht fragen, ob die ihren Mitschnitt zur Verfügung stellen, da man sich unter guten Freunden ja nicht abhört. Weiß man ja!

Jürgen Keil / 24.03.2021

Ich brauche keine transparente Kanzlerin. Ich kann sie so schon nicht mehr ansehen und vor allem anhören, ohne das mein Blutdruck steigt. Soll ich nun auch noch alle ihre Innereien, ihre Leber,  ihren Darm und ihr kaltes Herz sehen? Bitte weckt mich auf, ich halte diesen Traum nicht mehr aus!

Martin Müller / 24.03.2021

Das Politikbüro wusste schon, warum es geheim tagt…. Offenheit gibt es nur in einer funktionierenden Demokratie. In Diktaturen ist sie ebenso ungeliebt, wie in der Halbdemokratie…

Martin Müller / 24.03.2021

Dann würden wir ja das ganze Geschwafeln live mitbekommen….

j. heini / 24.03.2021

Für den Bürger bleiben nur die Theateraufführungen im Bundes- oder Landtag. Im übrigen ist es dann so, dass die eigentliche Aussprache wieder anderswo stattfindet. Insofern ist der Vorschlag in meinen Augen witzlos.

Oliver Berger / 24.03.2021

Soweit mir bekannt und heute auch wieder in den Nachrichten vermeldet findet sich das “Corona Kabinet” jeweils nur per “Schalte” zusammen.  Also Telco, in diesem Fall wohl mit Bilduebertragung.  Offensichtlich haelt man es fuer zu aufwaendig oder misst dem Vorgang keine ausreichende Relevanz bei um sich im Abstand von ja nur ich glaube etwa 4 bis 6 Wochen in person zu versammeln um dann fuer das Land schicksalgebende Entscheidungen zu treffen. Als jemand der seit vielen Jahren telcos taeglich nutzt und oft auch, zum Beispiel mit mit unseren diversen Dienstleistern, leitet, was ab einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern eine nicht ganz anspruchlsose Aufgabe ist wenn Wert darauf gelegt wird dass die Meinungen und Sachargumente aller Teilnehmer bei der Entscheidungsfindung ausreichend Beruecksichtigung finden sollen halte ich dieses Vorgehen des Coronakabinets fuer einen bisher nicht beachteten Skandal. Ab etwa 5 -6 Teilnehmern wird es anspruchsvoll alle Faeden zusamenzuhalten, bei 10 oder mehr Teilnehmern gelingt dies seltenst vollstaendig. Es sei denn einige oder die meisten Teilnehmer sollen halt nur anwesend sein und mehr oder weniger nur zuhoeren…  However, offensichtlich sind jedenfalls die fuehrenden Politcoronisten des Regimes fuer Entscheidungen zu diesem Thema regelmaessig nicht bereit sich die Unbequemlichkeiten einer zweifellos unter luxurioesen Umstaenden (Heli, Flugzeug..) stattfindenden Dienstreise zuzumuten. Aber vielleicht hoeren ja fast alle eigentlich nur zu…

Wilfried Cremer / 24.03.2021

Lieber Herr Broder, als Hintergrundmusik empfehle ich das Stück Bolero von Ravel. Und im Anschluss eine Saalschlacht mit den Instrumenten.

Dr.med. Wilhelm Dierkopf / 24.03.2021

Ja, wenn die Diskussion im Parlament nicht mehr stattfindet (stattfinden darf?) , sollte doch die Diskussion der MPK mit der Bundeskanzlerin live übertragen werden. Sonst hören wir wieder nach einer intransparenten Corona-Debatte die drei gefährlichsten Worte der Deutschen Sprache :” Wir schaffen das !”

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