Joachim Nikolaus Steinhöfel / 19.08.2016 / 18:42 / 6 / Seite ausdrucken

Nivea statt Meinungsfreiheit: Werbeindustrie droht Facebook mit Budgetkürzungen

Wenn die deutsche Industrie wirbt, erwartet sie von den Medien die Bereitstellung eines geeigneten Umfelds. Freie Meinungsäußerung kann da mitunter nur störend wirken. Man wolle „natürlich vermeiden, mit unserer Werbung in einem Umfeld zu erscheinen, das keine Brand Safety gewährleistet und zu Shitstorms führen kann“, wie das für Unilever tätige OWM-Vorstandsmitglied Arne Kirchem in einem „horizont“-Interview sprachlich geschliffen zu Protokoll gab. Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) ist ein deutscher Verein der Werbungtreibenden mit Sitz in Berlin. Zweck des Branchenverbandes ist die Vertretung der Interessen der Werbung treibenden Unternehmen, den Einsatz für weitgehende Derregulierung von Werbevorschriften. Auch wendet der Verband sich gegen jede Art von Werbeverboten für legale Produkte, zum Beispiel für Zigaretten. Vorstandsvorsitzende des Lobbyverbandes ist Tina Beuchler, „Digital Director“ der Nestlé Deutschland AG. Mitglieder sind u.a. Allianz, Beiersdorf, Deutsche Bank, Nestlé, Opel und Volkswagen.

Wer bisher dachte, die größten Gefahren für die in der Verfassung verbriefte Meinungsfreiheit wären Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig, der muss nun umdenken. Maas verbittet sich zwar schon einmal Kritik an der Politik der Bundesregierung und diffamiert diese als Beitrag zur geistigen Brandstiftung. Wenn er sich nicht gerade im steten Kampf gegen „Hass und Hetze“ und den Anforderungen eines Amtes, dem er nicht gewachsen ist, aufreibt. Und das Ministerium von Schwesig fördert mit mittlerweile Millionen an Steuergeldern die von der Ex-Stasi Anetta Kahane befehligte Amadeu-Antonio-Stiftung ebenfalls beim Kampf gegen „Hass und Hetze“.

Aber jetzt schlagen sich die Lakaien der deutschen Spitzenindustrie auf die Seite der Gesinnungspolizei. OWM-Vorstand Kirchem über Facebook: „Die haben schon verstanden, dass wir ein sehr ernstes Problem damit haben, wenn ihre Plattform durch Hasstiraden und Hetze diskreditiert wird.“ Es ist schon schlimm genug, dass man sich, befördert durch den Niedergang der Printmedien, mittlerweile auch dort, wo man es nicht für möglich halten würde, redaktionell wohlwollende Einlassungen bestellen kann, wenn diese Bitte von etwas Werbevolumen begleitet wird. Dies dringt allerdings aus dem wohlverstandenem Interesse beider Seiten nur sehr selten nach außen.

Daher ist es überraschend, wie dummdreist, impertient und demokratiefeindlich sich OWM-Vorstand Tina Beuchler jetzt in dem erwähnten Interview öffentlich äußerte. Auf die auf dem linken und muslimischen Auge blinde „horizont“-Frage: „Ihre Forderungen beziehen sich aber vor allem auf das direkte Umfeld, in dem Ihre Werbung erscheint – solange hier keine Nazi-Inhalte auftauchen, ist Ihnen der Rest egal?“ erwiderte diese: „Nein, überhaupt nicht. Es geht um die Inhalte auf Facebook insgesamt.“

Die Forderung, strafbare Inhalte (Beleidigung, üble Nachrede, Volksverhetzung) zu entfernen, stellt die Lobbyistin nicht. Beuchler will ein verlogenes, weichgespültes Medium, von dem aus dem sedierten Bürger von Nivea bis zu den Wertpapierfonds der Deutschen Bank problemlos alles untergejubelt werden kann. „Das Businessmodell von Facebook basiert darauf, ein attraktives Werbeumfeld für Unternehmen zu sein. Schon deshalb müssen die Verantwortlichen ein vitales Interesse daran haben, nicht massiv ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik zu geraten. Die Gefahr, dass Werbungtreibende andernfalls Budgets abziehen, ist durchaus real.“

So klingen moderne und Ekel verursachende Erpressungsversuche. Entweder Facebook greift in die Meinungsfreiheit ein und bringt insbesondere kritische Stimmen zum Schweigen. Oder die Werbe-Milliarden werden abgezogen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Steinhöfel hier

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Leserpost

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Karla Kuhn / 21.08.2016

Bin ich froh, dass ich mich schon vor langer Zeit von Nivea verabschiedet habe. Viel bessere Produkte bekomme ich unter einem andren Namen bei einer sehr bekannten Drogeriekette mit einem Kürzel, dazu noch viel preiswerter und oft auch nachhaltig. Ebenso bietet diese Kette Produkte auf natürlicher Basis an. Die sind für mich bestens verträglich, weil natürliche Rohstoffe ohne Erdöl und Silikone verwendet wurden und sie sind trotzdem bezahlbar. Abgesehen davon bin ich nicht bei Facebook, Twitter oder einem anderen “weichgespülten Medium”  die mir irgendeinen Mist unterjubeln könnten. Noch haben wir es in der Hand, mit wem wir uns abgeben wollen, mal sehn wie lange noch. Vielleicht sollten wir uns alle Brieftauben halten, die sind noch nicht infiziert.

P. Müller / 21.08.2016

Nivea oder Meinungsfreiheit: Da ist mir die Meinungsfreiheit aber wichtiger als ein sog. “Markenprodukt”. Ich halte es für brandgefährlich, die Notwendigekeit zu erzeugen, dem Verbraucher diese Frage zu stellen…...

Detlef Dechant / 21.08.2016

Wer ist denn der bessere Kunde? Der linke Sozialarbeiter oder der wertkonservative AfD-Professor?  Die Wirtschaft will verkaufen, muss verkaufen und sie wird dort werben, wo sie ihre lukrativsten Kunden erreicht. Werbung wird zielgerichtet gemacht. Da muss sich Facebook nicht fürchten, wenn eine Frau Beuchler sich so äußert.

Hans-Peter Hammer / 20.08.2016

Was Frau Beuchler (und die hinter Ihr stehenden Firmen) wohl nicht begreifen: Wird Facebook zu dem Medium das Sie sich wünschen, wandern Millionen User ab und die Werbung erreicht einen - wahrscheinlich recht großen - Teil der anvisierten Kunden nicht mehr. Sie würden sich die genutzte Plattform selbst kaputt machen! (Es gibt andere Anbieter, z.B. “VR”, und bei “der Jugend” ist Facebook eh nicht mehr Top 1, wie ich aus der Jahrgangsstufe meiner Tochter vernehme! ) Es würde Facebook und den Werbenden eine Wiederholung des bei den Printmedien Erlebten bescheren. “Gleichschaltung” und die Auflage (hier die Userzahlen) gehen in den Keller und damit die Reichweite der Werbung! Ende Geländer! Manchmal fragt man sich wirklich ob die Ganzgroßen (Firmen, bzw. deren Führungen) noch marktwirtschaftlich - sprich kundenbezogen -  denken (können), oder ob die sich aufgrund ihrer Größe für unverletztlich, “unkaputtbar” halten, schon als Teil des staatlichen Systems wahrnehmen, welches heute ja auch pervertiert ist und sich nicht mehr als die Beauftragten des Volkes (der Kunden) sieht, sondern als deren Erzieher?  Sind sie schon VEBs, oder VE-Kombinate? Haben die tatsächlich die Probleme die z.B. Mercedes (aufgrund eines “Wir sind die Besten! Uns kann keener!”-Dünkels) einst hatte, schon vergessen? Oder wie die einst als “Reiskocher” bezeichneten japanischen Autos, bzw. deren Hersteller, den deutschen Automarkt durcheinander wirbelten und VW, Opel, BMW, am Ende sogar Mercedes, aus ihrem Dornröschenschlaf weckten, weil die Japaner günstiger waren, mit Ideen und Vollausstattung glänzten und DIE KUNDEN das für besser hielten!? Oder, als wohl extremes Beispiel, den Fall von Yahoo? Einst DIE Suchmaschine! Und dann kam Google! Was wurde aus Grundig? Telefunken? Man möchte Ihnen zurufen: Haltet Euch aus der Politik raus! Das können schon Politiker nicht, wieso dann ihr? Kümmert euch um euer Geschäft, das was euch groß gemacht hat! Produziert Waren und Dienstleistungen für eure Kunden, denn die sind es die euch die Existenzberechtigung geben, auf denen beruht eure Existenz und die der Arbeitsplätze bei euch! Vergeßt das nie! Alle Werbung - die eh (wie selbst Werbefachleute hinter vorgehaltener Hand zugeben) nur geringe Wirkung hat - kann die Erfüllung von Kundenwünschen durch ordentliche Qualität und ein vernünftiges Preis-/Leistungsverhältnis nicht ersetzen! Euer bester Werber ist der zufriedene Kunde!

Ralf Pöhling / 19.08.2016

Ein Privatunternehmen, dass einen so gigantischen Kundenstamm aufgebaut hat, dass es nun quasi das Monopol im Bereich weltweiter digitaler Kommunikation stellt, muss sich irgendwie damit arrangieren, dass seine Funktion über das banale Erwirtschaften von Erträgen und das Vertreten von Interessen der Werbekunden hinausgewachsen ist. Es geht hier keineswegs mehr nur darum, eine banale Werbeplattform zur Verfügung zu stellen. Es geht nun ebenso darum, die gesetzlich garantierten Rechte der Nutzer zu wahren. Sollte Facebook aufgrund finanzieller Interessen den Nutzern diese Rechte nicht zugestehen wollen und sich der Rechtsweg aufgrund internationaler Verflechtungen als schwierig darstellen, bleibt immer noch der alte amerikanische Grundsatz: “Vote with your dollar!” Mit dem Euro kann man das ganz genauso.

Peter Schaefer / 19.08.2016

Lieber Herr Steinhöfel, das klingt vielleicht erst mal gefährlich, ist es aber nicht. Wo sollten sie denn auch mit den ganzen Werbemilliarden hin? Wenn sie die Scheine nur noch im eigengestalteten Keller stapeln, kommen sie auch nicht weiter, also werden sie weiterhin dahingehen, wo die Kunden sind und die sind aktuell nun mal in großen Teilen bei Facebook. Gruß aus der Werbeabteilung

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