Naturliebhaber, die eine Faszination für die Berge haben, treten aus vielfältigen Gründen in den Deutschen Alpenverein ein, um ihrem Hobby zu frönen. Der nervt seine Mitglieder aber mit dem "Kampf gegen rechts", was oft nicht so gut ankommt.
Das Datum des 27. November 1924 markiert eine unrühmliche Zäsur in der Geschichte des Deutschen Alpenvereins (DAV), heute mit gut 1,5 Millionen Mitgliedern die größte nationale Bergsteigerorganisation der Welt. Damals wurde mit überwältigender Mehrheit die österreichische Sektion „Donauland“ aus dem Verband ausgeschlossen. Der Sektion gehörten überwiegend jüdische Alpinisten an. Sie hatten unter dem Druck zunehmender antisemitischer Anfeindungen innerhalb des Alpenvereins schon lange vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten die Sektion gewissermaßen als Refugium aus der Taufe gehoben, um weiterhin innerhalb des Alpenvereins ihrer sportlichen Passion nachgehen zu können.
Doch damit war 1924 Schluss. Antisemitismus war nun offizielle „Vereinsräson“, bis der Deutsche Alpenverein und nach dem „Anschluss“ Österreichs im Jahre 1938 auch der Österreichische Alpenverein unter dem Dach des Reichsbundes für Leibesübungen gleichgeschaltet wurden. Nach dem Krieg wurde die Tatsache, dass in zahlreichen Sektionen der Alpenvereine schon früh und freiwillig sogenannte „Arierparagraphen“ erlassen und jüdische Mitglieder diskriminiert wurden, Jahrzehnte lang verdrängte man das braune Kapitel, bis Anfang der 2000er Jahre damit begonnen wurde, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen.
Als gemeinnütziger Breitensportverein, Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und anerkannte Naturschutzorganisation rühmt sich der DAV nun alpinistischer Ideale wie Toleranz, Fairness und Vielfalt und bekennt sich gleichzeitig zu parteipolitischer Neutralität. Gleichzeitig jedoch schaltet sich der Verein immer vernehmbarer in die aktuelle Politik ein, diesmal auf Seiten grüner und linker Kräfte, die im Zuge des Kulturkampfes „gegen rechts“ in den Gremien der 355 rechtlich selbständigen Sektionen und des in München ansässigen Hauptverbandes offenbar zunehmend an Einfluss gewonnen haben.
„Es stellt sich die Frage, ob der DAV noch auf dem Weg der Neutralität ist oder mittlerweile massiven Einfluss auf die Politik ausübt“, schreibt ein DAV-Funktionär aus der Sektion einer deutschen Großstadt, der namentlich ungenannt bleiben möchte. „Weiterhin muss hinterfragt werden, inwieweit die Mitglieder in diesen politischen Prozess eingebunden wurden oder ob links orientierte Vorstände ihre Position nutzen, um ihre privaten Meinungen zu verbreiten. Setzen diese Vorstände bewusst die Gemeinnützigkeit des Vereins aufs Spiel?“
Überprüfung der „gemeinnützigkeitsrechtlichen Anerkennung“
Mittlerweile befassen sich die Finanzbehörden in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit Anträgen auf Überprüfung der „gemeinnützigkeitsrechtlichen Anerkennung“ unter anderem der „Jugend des Deutschen Alpenvereins“ (JDAV). Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit hätte harsche finanzielle Konsequenzen zur Folge. Möglicherweise drohten sogar strafrechtliche Sanktionen wegen „zweckwidriger Mittelverwendung“ gemäß der Abgabenordnung (AO). 2022 erhielt allein der DAV-Hauptverband rund zwei Millionen Euro öffentliche Zuwendungen, vor allem für Investitionen in Hütten und Wege sowie die Sanierung des Alpinen Museums in München.
Belege für eine mögliche Verletzung des Neutralitätsgebotes sind zahlreich: Die JDAV der Sektion Frankfurt am Main hatte im April 2024 zur Teilnahme an einer „Demo gegen Rechts“ auf dem Frankfurter Opernplatz aufgerufen und sich dabei explizit auf die AfD bezogen. Begründung: Spätestens „seit den Enthüllungen von Correctiv ist klar, dass es sich bei der AfD um eine antidemokratische und rassistische Partei“ handele. „Bei solchen Entwicklungen können auch wir als JDAV nicht mehr tatenlos zusehen und müssen Haltung zeigen“.
Dass sich diese „Enthüllungen“, gerichtlicherseits bestätigt, weitgehend in Nichts auflösten, hielt die DAV-Jugend nicht davon ab, im Dezember 2024 erneut „Haltung“ zu zeigen und ein radikales Positionspapier zu verabschieden, in dem die AfD abermals als Gefahr für die demokratische Gesellschaft gebrandmarkt wurde. Doch es geht darin nicht nur darum, vor den angeblich verfassungsfeindlichen Umtrieben der einzigen deutschen Oppositionspartei zu warnen, diesmal wird explizit ein Verbotsverfahren gegen die AfD gefordert. Mehr politische Einmischung geht nicht.
In einem etwa zeitgleich veröffentlichten Papier mit der Überschrift „Positionierung und Handlungsempfehlung“ des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen des Deutschen Alpenvereins und der NRW-Alpenvereinsjugend zum „Umgang mit antidemokratische, populistischen Parteien, Gruppierungen und Akteur*innen“ wird ausschließlich auf solche des „rechten“ Spektrums verwiesen, namentlich neben der AfD die Partei „Die Heimat“, der 3. Weg, „Die Rechte“ , Reichsbürger, „Völkische Siedler“ und Identitäre.
Wie wäre es mit Gründung eines alpinen Geheimdienstes?
Dabei werden zahlreiche Unvereinbarkeitskriterien formuliert. Personen, die als politische Mandatsträger, Funktionsträger und „aktive Mitglieder“ der genannten Organisationen „erkennbar“ seien oder sich „öffentlich klar gegen die Werte des Alpenvereins stellen“ sollen nicht mehr in Gremien des Vereins berufen, für Preisverleihungen vorgeschlagen oder zu Veranstaltungen eingeladen werden, „bei denen der DAV das Hausrecht ausübt“. Außerdem sollen „Informationen zu möglichen Unterwanderungsstrategien in unseren Verein durch rechtsextreme und antidemokratische Partien und Gruppierungen“ gesammelt und transparent gemacht werden. Vielleicht steht ja die Gründung eines alpinen Geheimdienstes in Aussicht.
Schon zu einem früheren Zeitpunkt hatte der Chef der DAV-Sektion Köln, Kalle Kubatschka, in einem offiziellen Newsletter vor dem „Protestwählen“ und einem gefährlichen „Rechtsruck in Europa und der ganzen Welt“ gewarnt. Der Newsletter wurde dem Netzmagazin Reitschuster.de von einem Leser zugespielt mit der Bemerkung: „Wenn man bedenkt, dass der Alpenverein schon in den 1920er Jahren angefangen hat, Juden auszuschließen und jetzt erneut versucht (…) Andersdenkende als Protestwähler zu diffamieren und als Feinde der Demokratie in die rechte Ecke zu schieben, ist das für mich sehr problematisch".
Linksextreme Gruppierungen bleiben in all diesen dramatisch formulierten Papieren völlig außen vor. Dabei zeigen interne Chatdokumente ein erstaunliches Maß an Naivität gegenüber dem Gewaltpotential linksextremer Parteien und Gruppierungen von Lenin über Stalin, Mao, Pol Pot und Honecker bis zu den Ausschreitungen der sogenannten Antifa in jüngster Zeit. In den Äußerungen von DAV-Funktionären einer westdeutschen Sektion wird zwar beteuert, man halte von Linksextremismus genauso wenig wie vom Rechtsextremismus. Nur gehe es in dieser Diskussion um „menschenverachtende Ansichten“. Und „das sind Linksextreme nicht“.
Kurz vor der vorgezogenen Neuwahl zum Deutschen Bundestag zog im Januar 2025 dann noch der DAV-Bundesverband mit einer „Position des DAV gegen Rechtsextremismus“ nach: „In aller Deutlichkeit tritt der Deutsche Alpenverein (DAV) menschenverachtenden, rechtspopulistischen und rechtsextremen Haltungen und Handlungen entgegen und bietet ihnen keine Bühne.“ Der Verein verstehe sich zwar als parteipolitisch neutral, vertrete aber die Grundsätze religiöser, weltanschaulicher und ethnischer Toleranz, er stehe für Diskriminierungsfreiheit, Vielfalt und Chancengleichheit aller“.
Die Brandmauer teilt auch die freie Welt der Berge
Chancengleichheit, Toleranz Vielfalt? Gilt wohl auch im DAV nur dann, wenn es nicht um Meinungen aus einem, wie auch immer definierten, „rechten“ Spektrum geht, sollte man erklärend hinzufügen. Mit seiner Positionierung reihte sich der DAV willig in die große Volksfront „Zusammen Für Demokratie“ ein, von der Amadeu Antonio-Stiftung bis zur Deutschen Bischofskonferenz. Die Brandmauer teilt auch die freie Welt der Berge in Gute und Böse, Rechtgläubige und Ketzer, Fortschrittliche und Ewiggestrige.
Nun bleibt abzuwarten, wie ernsthaft sich die Finanzbehörden der Frage annehmen, ob der DAV bzw. manche der Sektionen sich zu weit aus dem Fenster gelehnt haben könnten. DAV-Justiziar Georg Schmidt jedenfalls sieht in den genannten Positionspapieren und Aufrufen einer Achgut vorliegenden Stellungnahme zufolge weder eine Verletzung der DAV-Satzung mit ihrer Festschreibung parteipolitischer Neutralität noch eine mögliche Gefährdung der Gemeinnützigkeit. Er verweist dabei auf ein Rechtsgutachten des Leipziger Staatsrechtlers Prof. Hubertus Gersdorf, erstellt im Auftrag des „Deutschen Olympischen Sportbundes“ .
Hierin wird am Beispiel des DOSB zwar erkannt, dass die Organisation sich auch kritisch zu bestimmten Parteien äußern dürfe. Die Verpflichtung zur Neutralität im politischen Wettstreit politischer Parteien binde ausschließlich den Staat. In Bezug auf gesellschaftliche Organisationen, die sich auch aus öffentlichen Mitteln finanzieren, sei das Neutralitätsgebot nur eine „Obliegenheit“, also ein Verhaltenssatz, „der zwar kein (einklagbares Recht) begründet, dessen Verletzung aber die öffentliche Förderung in Frage stellt, also rechtsverkürzend wirkt“.
Gersdorf empfiehlt in seinem Gutachten gewissermaßen ersatzweise eine Orientierung an den Leitprinzipien „guter Staatsführung. Der gute Staat, der nicht einer Partei, sondern allen zu dienen habe, „darf zwar Stellung nehmen und für seinen Standpunkt werben“, so Gersdorf. „Er nennt hierbei aber keine Parteien, selbst wenn für jedermann ersichtlich ist, welche Parteien gemeint ist.“ Beredtes Schweigen (in Bezug auf Parteien) sei die „Kunst guter Staatsführung“. Doch wenn schon der heutige Staat diese Kunst nicht beherrscht, was soll man da von seinen Untertanen erwarten?
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre lang arbeitete er für die Presseagentur dpa, textet seit 2000 aber lieber „frei“ über dies und jenes, darunter Feinschmeckerei, Oper, klassische Musik und den Irrsinn dieser Welt. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.