Nach langer Zeit keinen Durchflussbegrenzer in der Dusche zu benutzen, ist wahre Freiheit, oder nicht!?
Es war sicher nur ein sehr kleiner Schritt für das deutsche Volk, aber ein sehr großer für mich selbst, als ich vor ein paar Tagen – das Bundesverfassungsgericht hatte gerade die Eilanträge gegen die Merzverschuldung abgeschmettert – eine Zange aus dem Werkzeugkasten kramte, entschlossen ins Bad schritt, den Duschkopf vom Schlauch schraubte und das kleine grüne Ding herauszog, das mir seit Jahren den Morgen vergällt. Ein Glücksgefühl durchströmte mich. So fühlt es sich an, wenn man nach langer, selbst auferlegter Knechtschaft ein Stück Freiheit wiedererlang hat.
Das kleine grüne Ding nennt sich harmlos-bürokratisch Durchflussbegrenzer. Es ist aus Plastik, rund, hat einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter und besitzt elf kleine, eingestanzte Löcher. Ein Pfennigartikel, erhältlich in jedem Baumarkt oder Haushaltswarengeschäft. Er passt perfekt zwischen das Schlauchende meiner Dusche und der Handbrause der Marke Antea vom renommierten Armaturenhersteller Schütte, ein Designklassiker und, was ich besonders schätze, leicht zu reinigen und deshalb fast unkaputtbar im Vergleich zu anderen, ultramodernen Duschköpfen, die allerlei tolle Gimmicks aufweisen (einschließlich Licht und digitaler Vernetzung), aber schnell verkalken, kaum sauber zu kriegen sind, und rasch im Müll landen.
Als ich noch selbst ein Jünger der Klimasekte war, keiner von den ganz radikalen, aber immerhin, besorgte ich mir solch einen Durchflussbegrenzer, um beim Duschen warmes Wasser zu sparen und meinen CO2-Fußabdruck zu senken. Fortan tröpfelte die Dusche mehr als sie strahlte. Zum Glück habe ich keine langen Haare, denn mit „Dröpje voor Dröpje“ hätte ich wohl zehn Minuten gebraucht, um das Shampoo herauszuwaschen. Das hätte den erhofften Spar- bzw. Klimaeffekt wahrscheinlich zunichte gemacht oder sogar überkompensiert.
„Waschlappen-Debatte“
Fortan stand ich trotz Vorhandenseins von warmem Wasser in ausreichender Menge leicht bibbernd unter der Dusche, weil die dünnen Strahlen immer nur einen Teil des Körpers benetzten. Um das Duschgel herunter zu bekommen, musste ich versuchen, das wenige Nass mit den Händen gleichmäßig über dem Körper zu verteilen und mitsamt der Seife abzustreifen. Alles, nur keine böse Regenwalddusche wie im Wellnesshotel, schwor ich mir. Wer grün sein will, muss leiden.
Und das war noch vor der vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann angestoßenen „Waschlappen-Debatte“. Der Obergrüne hatte 2022 erklärt, er benutze, um Energie zu sparen, schon mal einen Waschlappen, anstatt „dauernd zu duschen“. Das nütze, so der studierte Biologe, auch dem „Mikrobiom“ der Haut, einer Schutzschicht, die man nicht ständig durch Waschen unter Stress setzen dürfe.
Ein leichter Geruch nach altem Schweiß kann demnach als Ausweis korrekter Ökogesinnung gedeutet werden. Daran dachte ich, als ich im Zuge der Recherchen zu diesem Artikel auf einen Beitrag des SWR stieß, in dem ein Reporter mit wallendem, schwarzen Haar – Typ Frauenschwarm – diverse Sparduschen unter die Lupe nahm. Er interviewte auch „Jörg“, einen Mitarbeiter des Umweltbundesamtes, der bekannte, nur zweimal in der Woche zu duschen, zuzüglich zweier Duschgänge nach nicht näher definierter sportlicher Betätigung außer Haus. Irgendwie war ich froh, dem Mann nicht in Riechweite gegenüber zu stehen.
Ich hatte Jahre lang die Bestmarke deutlich unterboten
Den Recherchen des smarten Reporters zufolge verbrauchen „normale“ Duschköpfe zwölf bis 15 Liter pro Minute. Sogenannte Sparduschen kommen auf bis zu neun Liter – die Testbeste exakt auf 5,5 Liter. 40 Prozent des Wasserverbrauchs eines Privathaushaltes entfielen auf die tägliche Körperpflege, sagte Jörg. Da sei der mögliche Einspareffekt schon erheblich. Wer drei Minuten pro Tag dusche, so der smarte Reporter, bringe es pro Jahr auf 150 Kilogramm CO2, was einem Flug von Berlin nach Stuttgart entspreche.
Jetzt war ich gespannt, wie viel ich ohne Durchflussbegrenzer auf die CO2-Waage bringe. Eine händische Messung mittels geeichtem Putzeimer kam auf 6,5 Liter pro Minute, also wenig mehr als die beste Spardusche. Mit dem kleinen, grünen Ding waren es 4,5 Liter. Ich hatte also Jahre lang die Bestmarke deutlich unterboten. Deshalb fühlte ich mich nun berechtigt, nicht nur dem Durchflussbegrenzer in den Müll zu werfen, sondern mir auch einen neuen, größeren Kühlschrank mit Tiefkühleinheit zu kaufen und meine persönliche Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Autobahn von 110 auf 130 Stundenkilometer herauf zu setzen.
Eine kleine Verschnaufpause auf dem beschwerlichen Weg ins Klimaparadies darf schon mal sein. Jetzt, wo Fritze Merz den „großen Sprung nach vorn“ beim Klimaschutz verkündet hat. Vielleicht werden wir ja schon in ein paar Jahren alle bei maximal 18 Grad Raumtemperatur in klimafreundlichen Kommunalkas die Freuden intensiver sozialer Kontrolle auskosten können. Für jede Minute warm duschen gibts Abzüge auf dem CO2-Konto. Und dem, der kräftig spart, winkt alle fünf Jahre eine Fernreise in den Harz. Als nächste Anschaffung plane ich eine Regenwalddusche.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.