Georg Etscheit / 17.03.2025 / 16:00 / Foto: Rudolf Wildermann / 16 / Seite ausdrucken

Nieder mit dem Durchflussbegrenzer!

Nach langer Zeit keinen Durchflussbegrenzer in der Dusche zu benutzen, ist wahre Freiheit, oder nicht!?

Es war sicher nur ein sehr kleiner Schritt für das deutsche Volk, aber ein sehr großer für mich selbst, als ich vor ein paar Tagen – das Bundesverfassungsgericht hatte gerade die Eilanträge gegen die Merzverschuldung abgeschmettert – eine Zange aus dem Werkzeugkasten kramte, entschlossen ins Bad schritt, den Duschkopf vom Schlauch schraubte und das kleine grüne Ding herauszog, das mir seit Jahren den Morgen vergällt. Ein Glücksgefühl durchströmte mich. So fühlt es sich an, wenn man nach langer, selbst auferlegter Knechtschaft ein Stück Freiheit wiedererlang hat.

Das kleine grüne Ding nennt sich harmlos-bürokratisch Durchflussbegrenzer. Es ist aus Plastik, rund, hat einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter und besitzt elf kleine, eingestanzte Löcher. Ein Pfennigartikel, erhältlich in jedem Baumarkt oder Haushaltswarengeschäft. Er passt perfekt zwischen das Schlauchende meiner Dusche und der Handbrause der Marke Antea vom renommierten Armaturenhersteller Schütte, ein Designklassiker und, was ich besonders schätze, leicht zu reinigen und deshalb fast unkaputtbar im Vergleich zu anderen, ultramodernen Duschköpfen, die allerlei tolle Gimmicks aufweisen (einschließlich Licht und digitaler Vernetzung), aber schnell verkalken, kaum sauber zu kriegen sind, und rasch im Müll landen.

Als ich noch selbst ein Jünger der Klimasekte war, keiner von den ganz radikalen, aber immerhin, besorgte ich mir solch einen Durchflussbegrenzer, um beim Duschen warmes Wasser zu sparen und meinen CO2-Fußabdruck zu senken. Fortan tröpfelte die Dusche mehr als sie strahlte. Zum Glück habe ich keine langen Haare, denn mit „Dröpje voor Dröpje“ hätte ich wohl zehn Minuten gebraucht, um das Shampoo herauszuwaschen. Das hätte den erhofften Spar- bzw. Klimaeffekt wahrscheinlich zunichte gemacht oder sogar überkompensiert.

„Waschlappen-Debatte“

Fortan stand ich trotz Vorhandenseins von warmem Wasser in ausreichender Menge leicht bibbernd unter der Dusche, weil die dünnen Strahlen immer nur einen Teil des Körpers benetzten. Um das Duschgel herunter zu bekommen, musste ich versuchen, das wenige Nass mit den Händen gleichmäßig über dem Körper zu verteilen und mitsamt der Seife abzustreifen. Alles, nur keine böse Regenwalddusche wie im Wellnesshotel, schwor ich mir. Wer grün sein will, muss leiden.

Und das war noch vor der vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann angestoßenen „Waschlappen-Debatte“. Der Obergrüne hatte 2022 erklärt, er benutze, um Energie zu sparen, schon mal einen Waschlappen, anstatt „dauernd zu duschen“. Das nütze, so der studierte Biologe, auch dem „Mikrobiom“ der Haut, einer Schutzschicht, die man nicht ständig durch Waschen unter Stress setzen dürfe.

Ein leichter Geruch nach altem Schweiß kann demnach als Ausweis korrekter Ökogesinnung gedeutet werden. Daran dachte ich, als ich im Zuge der Recherchen zu diesem Artikel auf einen Beitrag des SWR stieß, in dem ein Reporter mit wallendem, schwarzen Haar – Typ Frauenschwarm – diverse Sparduschen unter die Lupe nahm. Er interviewte auch „Jörg“, einen Mitarbeiter des Umweltbundesamtes, der bekannte, nur zweimal in der Woche zu duschen, zuzüglich zweier Duschgänge nach nicht näher definierter sportlicher Betätigung außer Haus. Irgendwie war ich froh, dem Mann nicht in Riechweite gegenüber zu stehen.

Ich hatte Jahre lang die Bestmarke deutlich unterboten

Den Recherchen des smarten Reporters zufolge verbrauchen „normale“ Duschköpfe zwölf bis 15 Liter pro Minute. Sogenannte Sparduschen kommen auf bis zu neun Liter – die Testbeste exakt auf 5,5 Liter. 40 Prozent des Wasserverbrauchs eines Privathaushaltes entfielen auf die tägliche Körperpflege, sagte Jörg. Da sei der mögliche Einspareffekt schon erheblich. Wer drei Minuten pro Tag dusche, so der smarte Reporter, bringe es pro Jahr auf 150 Kilogramm CO2, was einem Flug von Berlin nach Stuttgart entspreche.

Jetzt war ich gespannt, wie viel ich ohne Durchflussbegrenzer auf die CO2-Waage bringe. Eine händische Messung mittels geeichtem Putzeimer kam auf 6,5 Liter pro Minute, also wenig mehr als die beste Spardusche. Mit dem kleinen, grünen Ding waren es 4,5 Liter. Ich hatte also Jahre lang die Bestmarke deutlich unterboten. Deshalb fühlte ich mich nun berechtigt, nicht nur dem Durchflussbegrenzer in den Müll zu werfen, sondern mir auch einen neuen, größeren Kühlschrank mit Tiefkühleinheit zu kaufen und meine persönliche Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Autobahn von 110 auf 130 Stundenkilometer herauf zu setzen.

Eine kleine Verschnaufpause auf dem beschwerlichen Weg ins Klimaparadies darf schon mal sein. Jetzt, wo Fritze Merz den „großen Sprung nach vorn“ beim Klimaschutz verkündet hat. Vielleicht werden wir ja schon in ein paar Jahren alle bei maximal 18 Grad Raumtemperatur in klimafreundlichen Kommunalkas die Freuden intensiver sozialer Kontrolle auskosten können. Für jede Minute warm duschen gibts Abzüge auf dem CO2-Konto. Und dem, der kräftig spart, winkt alle fünf Jahre eine Fernreise in den Harz. Als nächste Anschaffung plane ich eine Regenwalddusche.

Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.

Foto: Illustration Rudolf Wildermann

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Leserpost

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Sabine Heinrich / 17.03.2025

Lieber Herr Wildermann - Sie nun wieder! Allerherzlichsten Dank für diese nächtliche Aufheiterung! Sie sind - bei allem Respekt - ein Schatz! Seien Sie froh, dass Sie sich nicht in meiner Nähe befinden - ich würde Sie glatt knuddeln - natürlich nur mit Ihrer Erlaubnis! Bleiben Sie uns bitte noch sehr lange erhalten! SH aus S-H.

Jens Hofmann / 17.03.2025

Ich bin da schon weiter und schmeiße wieder alles in die Restmülltonne. Sonst schaffe ich die im voraus bezahlten Anzahl von Leerungen nicht. Macht mir gar nichts aus.

Wolfgang Richter / 17.03.2025

@ W. Renner - “Der Mann vom Umweltbundesamt fliegt vermutlich regelmässig von Stuttgart nach Berlin” - Das mag ja ggf. noch seiner Funktion angemessen sein, aber war rechtfertigt die von Merz als Fraktionsvorsitzenden “mitgenommenen” Flüge in Jets (Eurofighter ?) der Bundesluftwaffe? Und sicher hat er als Ausgleich von Kosten und C02-Fußabdruck entsprechend “gelöhnt”.

Michael Elicker / 17.03.2025

Willkommen auf der linken Spur, Herr Etscheit. Wenn Sie hier bei uns mithalten wollen, müssen Sie aber noch etwas mehr auf die Tube drücken.

Mats Skinner / 17.03.2025

Analog zum Durchlaufminderer ist der oftmals unsichtbare Denkverminderer, der durch ideologische Vorgaben schon mal im Gehirn, oder was dafür gehalten wird, zur Anwendung kommt, wenn, wie der ARD/Tagesschau-Journalist, der Interna auspackt ganz zutreffend feststellt, die Mitarbeiter benötigen keine Anweisung von oben oder von der Seite, sie schreiben so wie sie ideologisch denkvermindert werden und würden ihre Unfreiheit nicht mal wahrnehmen, wenn man sie mit der Nase drauf stößt. Sie wurden rechtzeitig „eingenordet“, wissen also was Gut und was Böse ist, so wie man es Kindern beibringt. Da braucht es keine Selbstreflexion und schon gar keine systematische, investigative Recherche mehr. All das stört ja nur beim Abschreiben oder Erfinden. Und Preise hängt man sich gegenseitig um, das spart eine aufwändige Auslese und Differenzierung und das Ego jubelt. Und da auch Denkverminderer Kalk ansetzen und den Durchfluß noch mehr hemmen, tröpfelt eben die Berichterstattung nur noch so vor sich hin und man träumt vom Pulitzer- oder viel passabler, vom Preis der Bundespressekonferenz. Man unterliegt dem selben Irrtum, wie bei der Stasi-Aufarbeitung nach der Wende: Die fragwürdigen Politiker und Anwälte waren natürlich nicht IMs der Stasi – sie waren quasi die Stasi. Genauso hätte man Mielke als IM verdächtigen können, er hätte jeden Prozess gewonnen und eine Gegendarstellung erreicht. Mitläufertum und Opportunismus sind in Deutschland anerkannte, ehrenamtliche Tätigkeiten. Wendehälse waren nicht nur nach der Wende `89 attraktive wundersame Politvögel, auch heute landen sie immer wieder zwischen den kühnen Wahlversprechen und Höhenflügen, auf dem Boden der Realität und praktizieren ihre hervorragende und namensgebende Eigenschaft. Zitat Wikipedia: “Die Nahrung wird fast ausschließlich am Boden mit Hilfe der langen, klebrigen Zunge aufgelesen.“ Da haben ja politische Wendehälse nichts zu befürchten, statt der Zunge ist eher das darüber liegende Sinnesorgan überlang.

Isabella Martini / 17.03.2025

Wir duschen nicht nur täglich mit einem ganz normalen Duschkopf, sondern ich wasche weiße Unterwäsche, weiße T-Shirts und weiße Bettbezüge aus purer Baumwolle munter bei 95 Grad. Asche auf unser böses Haupt.

Wilfried Cremer / 17.03.2025

Hallo Herr Etscheit, hängen Sie das Bild in Ihrem Esszimmer auf, wenn Sie eine Fastenkur machen?

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