Kristina Klug (Gastautor) / 05.02.2007 / 09:45 / 0 / Seite ausdrucken

Nie wieder Nachtbus!

Dumme Menschen finden sich ueberall auf der Welt, China macht da keine
Ausnahme. Im Gegenteil, manchmal habe ich das Gefuehl, dass sich hier
besonders viele Exemplare finden lassen.
Einige davon treffe ich im Bus auf der Fahrt von Ueruemqi nach Yining
(Ghulja). Guelmira und ich unterhalten uns, auf Deutsch, ueber die
wundervollen verschneiten Berge, dass wir beide mal wieder zu viel gegessen
haben, die 3000 Jahre alten Mumien, die wir im dann doch geoeffneten
Museum anschauen konnten und einen Filmdreh ueber selbige Mumien - die
waren die eindeutig besten Schauspieler vor Ort. Unser Gespraech wird mit
anghoert von drei jungen Chinesen, die hinter uns sitzen. Ich kann mit
einem Ohr so in etwa folgendes Gespraech hoeren:
- Was fuer eine Sprache ist denn das?
- Keine Ahnung, aber kein Englisch.
- Nee, das ist Russisch.
- Echt?
- Ja, klar.
An dieser Stelle hakt Guelmira ein:
- Nein, wir reden Deutsch.
- Wirklich? Das klingt doch wie Russisch!
- Nein, sie ist Deutsche und ich lerne Deutsch.
- Ach so? Nicht schlecht. Und es ist wirklich kein Russisch?
- Nein, wirklich nicht. Sie kommt aus Deutschland und ist meine
Lehrerin.
Damit ist fuer uns die Angelegenheit beendet, aber die drei sprechen
noch weiter:
- Das ist aber bestimmt kein Deutsch.
- Ich find auch, dass klingt wie Russisch.
- Habt ihr denn schon mal Russisch gehoert?
- Nee, aber sie sehen doch aus wie Russen. Sind bestimmt welche. Das
ist garantiert Russisch.
Eine aeltere in Pelz und Kopftuch eingewickelte Uigurin ist auf uns
aufmerksam geworden und erkennt Guelmira, der sie daraufhin ihr Leid mit
einem der Enkelsoehne klagt. Besitzt dieser doch die Frechheit, neben
langen Fingernaegeln und Haaren auch noch eine chinesische Freundin zu
haben, keine Muslima, man denke nur! Woraufhin ich dem Typ nur
gratulieren kann, lange Fingernaegel sind nun meiner Meinung nach nicht besonders
attraktiv, langes Haar bei Maennern dagegen durchaus, und welcher
Nationalitaet oder Religion der Partner angehoert, ist doch Nebensache und
bestimmt nicht Angelegenheit der Grosseltern oder Eltern. Was die Oma
offenbar ganz anders sieht, jetzt schwebt die Verdammnis nicht mehr ueber
ihrem Enkel, sondern ueber mir. Aber ich kann damit leben.
In Yining selbst und auch in Xinyuan (Kuenes) werde ich wieder ganz
lieb von allerlei Verwandten in ihren pingfang, den ebenerdigen Haeusern,
aufgenommen, herumgefuehrt und verpflegt, Guelmiras Vater “adoptiert”
mich auch gleich noch und verschneite Berge im Sonnen- oder Monschein -
das Leben ist einfach schoen!
Aber wegen allerlei Verzoegerungen in Form von “nur noch ein Tee bei
der Tante” oder “noch fuenf Minuten beim aelteren Bruder” wird die Zeit
fuer die Rueckfahrt nach Ueruemqi recht knapp und dann naht die
Verdammnis doch noch. In Form des Sleeperbus.
Um noch eine Verabredung einhalten zu koennen, muessen wir den Nachtbus
nehmen, kaufen Platzkarten und quetschen uns in den Bus. Der Gang ist
arg schmal und ich habe Schwierigkeiten, mein Bett zu finden. Es ist
naemlich schon besetzt, und zwar von einer jungen Chinesin. Und diese
Person laesst sich nun mal gar nicht davon ueberzeugen, dass sie sich im
falschen Bett befindet. Ich halte ihr meine Karte unter die geruempfte
Nase, das interessiert sie gar nicht. Die Leute in den Betten nebenan
bestaetigen, dass ich durchaus im Recht bin, so beschliesse ich, erstmal
auf Guelmira zu warten, damit sie alles nochmal erklaeren kann. Tut sie
auch, nur diese Person ignoriert uns voellig. Gut, soll der Busfahrer
kommen. Er gibt mir ebenfalls Recht, nur die Person bleibt liegen. Man
koennte ja jetzt sagen, halb so wild, geh ich halt in ein anderes Bett.
Aber ein Ticket unten in der Mitte ist nunmal teuer als eines oben
hinten im Bus, und so bestehe ich auf meinem Platz. Es beginnt auf
Chinesisch ein grosses Gezeter, ich bruelle und fauche ein bisschen auf
Deutsch, da herrscht erstmal kurz andaechtige Stille im Bus. Nicht sehr lange,
aber schliesslich kriege ich mein Bett. Diese Frau zetert von hinten
immer noch weiter und jammert herum, warum eine Auslaenderin denn
ueberhaupt mit dem Bus faehrt - die haetten doch alle ach so viel Geld. Ich
ueberleg mir kurz, ob ich sie mal ueber den Verdienst einer Freien
Lektorin mit chinesischem Gehalt aufklaeren soll, aber das ist mir die Muehe
dann doch nicht wert. Versuche dagegen, mich in dem zu kurzen und zu
schmalen Bett einzurichten, Augen zu und - Taschenlampe im Gesicht.
Passport, please! Wenigestens diesmal ohne Maschinengewehr.

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