Rapperin Nicki Minaj besitzt genug von dem, was man in Amerika gern als „Fuck off Money“ bezeichnet. Also eine derart solide ökonomische und Fan-Basis, dass sie sich eine eigene Meinung leisten kann.
Zugegeben, ein Fan bin ich nicht gerade. Denn was die Musik der Rapperin Nicki Minaj angeht, bin ich in völliger Unkenntnis. Im Gegensatz zu Nena, von deren Oeuvre mir zumindest einige Tonfolgen im Gedächtnis haften, fällt mir zu Nicki Minaj nicht eine Note ein. „Not my cup of tea“, wie der Engländer sagen würde – auf den Premierminister der Insel kommen wir noch zurück.
Die „Queen of Rap“ (Wikipedia) ist mir bisher eher als eine Art Karikatur ihrer selbst mit großem Ego denn als erfolgreiche Musikerin vage in Erinnerung. Was sie mit Nena trotz Genre- und Generationsunterschieden verbindet, ist, was man in Amerika gern als „Fuck off Money“ bezeichnet. Also eine derart solide ökonomische und Fan-Basis, dass sich beide Künstlerinnen etwas leisten, was sich heute in der Öffentlichkeit als rarer Luxusartikel erweist: eine eigene Meinung, die von der anzustrebenden, genehmigten Mehrheitsmeinung abweicht. Politiker leisten sich sowas manchmal nach ihrer Karriere, Professoren nach ihrer Emeritierung, deutsche „Kulturschaffende“ meist erst nach Verlust ihres Sendeplatzes, auch wenn hinter vorgehaltener Hand und ganz privatim alle vor Mut zum Widerstand geradezu bersten.
Nena hat eine eigene Meinung und ein nicht verhandelbares Prinzip. Gerade sagte sie ihre Tournee 2022 ab, weil sie keine „G“-Unterschiede zwischen ihren Fans zulassen will. Nicki Minaj hat offenbar auch ihre eigene Meinung und im Fall dieser Rapperin ist es noch dazu die Unverblümtheit ihrer Sprache, die ihren entsetzten Kritikern gerade selbige verschlägt.
Für die Medien Zeit, Minaj unter den Bus zu schubsen
Das was wir gern „Establishment“ nennen, weidet sich für gewöhnlich nur zu gern an denen, die vermeintlich aus der Gosse kommen und es zu ihnen „hinauf“ geschafft haben. Doch im Gegensatz zu politischen „My-Fair-Lady-Projekten“ wie AOC (Alexandria Ocasio-Cortez) bewahrte sich Minaj ihr Vokabular und den „Ihr-könnt-mich-mal-Appeal“, mit dem sie groß geworden ist. Und während die erstere der medial leuchtende Mittelpunkt einer geradezu obszönen Met-Gala ist, sitzt die andere trotz Einladung zu Hause und twittert zu ihrer Öffentlichkeitsabstinenz (Faksimiles siehe hier)
Wir lernen, Minaj hat ein Baby, offenbar wegen Covid keine Nanny und gewichtet ihre und die Gesundheit ihres Kindes höher, als sich mal wieder vor Kameras sehen zu lassen und für den guten Zweck Champagner zu schlürfen. Und sie legt noch eins drauf, was sie Risikoabschätzung angeht.
Wenn sie sich impfen ließe, dann sicher nicht wegen der Met-Gala. Sie recherchiere noch, was gut für sie sei und gehe bis dahin lieber auf „Nummer Sicher“. Außerdem habe sie sich vor einiger Zeit schon bei einem Videodreh angesteckt und durfte dann für über eine Woche nicht in die Nähe ihres Kindes kommen und Drake (ein anderer Rapper) sei sogar erkrankt, obwohl er geimpft sei und überhaupt müsse doch jeder selbst entscheiden, was er mit seinem Körper mache. Als sie dann auch noch von ihrem Vetter auf Trinidad erzählte, dessen Freund durch die Impfung impotent geworden sei, war es für die Medien endgültig an der Zeit, Minaj unter den Bus zu schubsen, denn „zur Vernunft“ ließ sie sich einfach nicht bringen.
Vergessen wir mal für einen Moment den Freund ihres Cousins und seine „swollen testicles“ – was würde man lieber tun, als dieses Bild aus dem Kopf zu bekommen – und folgen dem Aufschrei der Medien. Nicki Minaj sei verrückt geworden und statt ihre Fanbasis zur Impfung zu drängen, erzähle sie Geschichten aus dem Paulanergarten und agitiere gegen die Impfung! Das Problem ist nur, dass Minaj das gar nicht getan hat und sich auch nicht so einfach abschalten lässt.
Denn sie ist geradezu der Prototyp eines Social-Media-Stars mit einer riesigen Anhängerschaft rund um den Globus. Allein bei Twitter hat sie fast 23 Millionen Follower und auf Instagram sind es irrwitzige 157 Millionen. Eine Tatsache, die etwa der MSNBC-Moderatorin Joy Reid hart auf der Seele lastet, die es auf Twitter gerade mal auf zwei Millionen Follower bringt und die deshalb ihrer „Sister“ ins Gewissen redet. Die Rede des Onkels von Peter Parker alias Spiderman von Macht und Verantwortung lag in der Luft, hierzulande würde in einem solchen Falle wohl ein Kommentator der Süddeutschen in den Tagesthemen von „Solidarität“, „Gemeinsam“ und „Wir“ sprechen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Unbesorgt. Dort finden Sie auch die hier erwähnten Tweets als Faksimile.