Peter Grimm / 11.08.2021 / 08:26 / Foto: Fabian Nicolay / 210 / Seite ausdrucken

Nicht-Geimpfte sind keine Nicht-Wähler

In gut sechs Wochen ist Bundestagswahl. Wir sollten uns also eigentlich im Wahlkampf befinden. In einer Zeit, in der die Bürger seit fast eineinhalb Jahren nicht mehr im vollen Besitz all ihrer verfassungsmäßigen Grundrechte sind, sollte es in einer funktionierenden Demokratie im Wahlkampf eigentlich genau darum zuerst gehen: um Bestand und Zukunft einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die den Bürgern – und zwar allen Bürgern – die Wahrnehmung ihrer Grundrechte wirksam garantiert. Ein solcher Satz hätte vor nicht allzu langer Zeit als langweilige Binsenweisheit gegolten. Heute gilt er mancherorts schon als anrüchig.

Es geht im Wahlkampf nach eineinhalb Jahren Grundrechtseinschränkungen stattdessen kaum um Grundrechte. Ganz so, als hätte sich die deutsche Gesellschaft daran gewöhnt, dass die Regierenden Grundrechte nach Gutsherrenart entziehen oder zuteilen. Vielleicht im Glauben an eine wohlmeinende Gutsherrin?

Natürlich können Gerichte im Einzelfall in einem rechtsstaatlichen Verfahren Grundrechte einschränken, sowohl gegenüber Straftätern als auch im Rahmen einer bestellten Betreuung. Natürlich kann ein Staat auch den Notstand verhängen, wenn entsprechende Not herrscht. Doch wir erleben seit März 2020 ohne adäquaten Grund (auch eine neue ernste Krankheit ist kein adäquater Grund, solange es keine tödliche Seuche ist) Grundrechtseinschränkungen auf dem Verordnungsweg, während sich das Bundesverfassungsgericht mit Grundsatzentscheidungen dazu viel Zeit lässt.

Und nun – nach wochenlanger medialer Vorbereitung – haben die Länder-Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin gestern auch offiziell angekündigt, bei der Grundrechtszuteilung künftig danach zu unterscheiden, ob jemand gegen das Corona-Virus geimpft ist oder nicht. Während den Ungeimpften verschärfter Grundrechtsentzug angedroht wird, erklären die Regierenden von Bund und Ländern weiterhin treuherzig, dass es aber keine Impfpflicht geben würde.

Kein umwerbender, freundlicher Ton

Überlassen wir die juristische Bewertung der Grundrechtszuteilung nach Impfstatus den Juristen. Hier soll es um ein anderes erstaunliches Phänomen gehen. Die derzeit im Bund Regierenden gehören bekanntlich Parteien an, die sich – trotz dramatisch geschrumpfter Wahlergebnisse – immer noch als Volksparteien verstehen. Als sie das auch noch tatsächlich waren, war das mit dem Anspruch verbunden, möglichst in allen relevanten Bevölkerungsgruppen als potenzieller Interessenvertreter präsent zu sein und dort um Mitglieder und Wähler zu werben.

Gestern nun haben Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD auf der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz wieder einmal bewiesen, dass sie diesen Anspruch offenbar schon so lange beerdigt haben, dass sogar die Erinnerung an den Verblichenen anscheinend verflogen ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, der bayerische Ministerpräsident Söder und der Berliner Bürgermeister Müller (der einen schnell vergessen lässt, dass sein Amt offiziell als „Regierender Bürgermeister“ bezeichnet wird) beschäftigten sich auf besagtem Pressetermin vor allem mit den Ungeimpften und Impfunwilligen. Derer gibt es, so Müller aus Berlin, noch viel zu viele. Darin war sich die Runde einig und auch darin, dass mehr geimpft werden müsse. Reden wir jetzt einmal nicht von Sinn oder Unsinn der Impfung. Lassen wir es für den Augenblick dahingestellt, was die Damen und Herren der Regierung motiviert, so vehement um höhere Impfquoten zu kämpfen.

Doch egal wie man zur Impfung steht: Sechs Wochen vor einer entscheidenden Wahl würde man eigentlich gegenüber einem nicht ganz kleinen Teil der Bürger einen umwerbenden, freundlichen Ton erwarten, um niemanden zu verprellen. Keine der regierenden Parteien hat derzeit Umfragewerte, die nahelegen könnten, es käme auf ein paar Stimmen mehr oder weniger nicht an. Dennoch wurden die Ungeimpften nicht umworben, sondern sie sehen sich stattdessen mit massiven Drohungen zur Impfung genötigt.

Es wird ja wohl keinen Plan geben, Ungeimpfte an der Stimmabgabe zu hindern

Um wie Geimpfte Zutritt zu nahezu allen Innenräumen des öffentlichen Lebens zu erhalten, müssen sie sich künftig immer wieder testen lassen. Und obwohl sie der Staat zu diesen Tests verpflichtet, sollen sie selbige selbst bezahlen. Wenn ihnen das zu teuer wird, können sie sich ja einfach kostenlos impfen lassen, erklären die Regierenden.

Druck und Nötigung zur Impfung – das war die Botschaft für alle, die zögern, sich einen nur im Schnelldurchgang und kaum hinreichend geprüften Impfstoff injizieren zu lassen. Nicht nur die baldige Rechnung für Zwangstests wurde den Ungeimpften angedroht, sondern auch, dass ihnen selbst dieser Zugang zum öffentlichen und kulturellen Leben verbaut werden könnte, quasi durch einen Lockdown für Impfunwillige. Markus Söder sprach von der „Pandemie der Ungeimpften“.

Diese Ansprache wirkt – mitten in einer Wahlkampfzeit – so, als legten die regierenden Politiker auf die Stimmen von Ungeimpften keinen Wert. Oder haben sie im Eifer des Gefechts einfach nur vergessen, dass auch Nicht-Geimpfte wahlberechtigt und keinesfalls automatisch Nichtwähler sind? Es wird ja wohl kaum einen Plan geben, wie man Ungeimpfte an der Stimmabgabe hindert. So böse darf man von der Obrigkeit im Corona-Deutschland nun wirklich nicht denken. In den Parteispitzen der Regierungsparteien hat bestimmt einfach nur niemand daran gedacht, dass Nicht-Geimpfte auch Wähler sind. Spätestens jetzt dürften die regierenden Parteien auch jene unter den Impfunwilligen, die einfach nur selbst über ihren Körper bestimmen wollen, nachhaltig verloren haben. 

Foto: Fabian Nicolay

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K.D.Weber / 11.08.2021

Nach dem Desaster mit den AfD-Stimmen für die FDP in Thüringen werden die Altparteien sicherlich gar keine Stimmen von Ungeimpften annehmen. Wer will sich schon von Sozialschädlingen wählen lassen? Da hat sicherlich nur nur die FDP Bedenken. Das wäre ja auch eine sehr fragwürdige Legitimation. Und vielleicht wäre die Wahl dann auch ungültig und müsste wiederholt werden. Jedenfalls sehe ich schon die Wahlkampfplakate “Wir wollen keine Stimmen von ungeimpften Schädlingen, Ihre XXX - für Frieden und Freiheit im besten Deutschland”.

dr.goetze / 11.08.2021

@Julius Grossmann: Mutti? Neben einer offensichtlich zunehmenden Demenz und wahrscheinlich auch weiteren neurologischen Störungen wäre eine Schilddrüsenunterfunktion möglich, die Einnahme von speziellen Antidepressiva oder Sedativa, auch Cortisongaben wegen anderweitiger Erkrankungen, langjähriger Alkoholabusus, hormonelle Probleme - die Wechseljahre dürften aber vorbei sein - und eine ganze Latte internistischer Erkrankungen. Persönlich würde mich interessieren, wer “Leibarzt"ist, da möchte man doch gerne mal ein Stündchen fachsimpeln. Aber ich denke, solche Personen sind stramm auf Linie, sonst geht gar nichts. Während meiner Bundeswehrzeit wurden Politiker in den Bundeswehrkrankenhäusern von ausgewählten hochrangigen Ärzten untersucht und behandelt. Aber ich befürchte, die Möglichkeit haben die beiden Damen als Verteidigungsminister auch wegrationiert, Gender Toiletten und Tarnfleck Kleidung für Schwangere waren wichtiger. Ich habe zwar schon ein paar mal nicht ganz so hochgestellte Politiker in einer Uniklinik erlebt, aber als Feld- Wald- und Wiesenkliniker und Mann fürs Grobe hatte man selbst da keine Chance.

Karla Kuhn / 11.08.2021

Glauben Sie an WAHLGERECHTIGKEIT Herr Grimm ? Ich nicht. Ich gehe trotzdem zur Wahl, Wahlprogramme interessieren mich wenig, ich beurteile eine Partei, WIE und mit welchen, teilweise kriminellen Mitteln sie ein Volk entweder in den Abgrund regiert oder versucht, unser Land demokratisch am Leben zu erhalten. Das sind meine Kriterien. Hundert Prozent Gerechtigkeit kann es nicht geben aber ACHTUNG vor uns, dem Souverän, den Steuerzahlern erwarte ich ganz einfach. Ich will einen Kanzler, der zum Wohle des Deutschen Volkes regiert ! Unter der relativ kurzen Regierungszeit von Helmuth Schmidt, den BESTEN Kanzler seit 1949, hatte ich das Gefühl, daß ich als Bürger für voll genommen wurde. Bei Merkel bin ich eine “Derjenigen, die hier schon länger leben”, diese Frau hofiert Diktatoren. läßt auch Kriminelle und Terroristen ins Land, hebelt mit einem “Ermächtigungsgesetz” unser Grundgesetz völlig aus, erniedrigt und zwingt mit üblen offenbar kriminellen Mitteln GESUNDE Menschen, sich einer GEN THERAPIE zu unterziehen, die schwere Nebenwirkungen haben und zum Tode führen kann. Dabei GEIMPFTE über alles stellt, obwohl diese Spreader sein können und Delta doppelt so oft treffen kann. Diese Frau zu wählen, wäre für mich ein Verrat an Deutschland. Ich könnte hingehen und den Wahlzettel durchstreichen mit Worten “KEINER WÄHLBAR”, was für mich allerdings nicht in Frage kommt.

G. Böhm / 11.08.2021

Nichtgeimpfte sind nicht nur ausschließlich keine Nichtwähler, sondern ganz gefährliche Schädlinge, gefährlicher als das Virus selbst. Diese Schädlinge müssen mit allen Mitteln eliminiert werden, dies postuliert sich bereits aus ihrer Schädlingseigenschaft. Mit welchen Methoden und auf welchen Wegen die Elimination erfolgen kann, ist bekannt. - Andererseits: “Wir haben immer eine Wahl, und sei’s, sich denen nicht zu beugen, die sie uns nahmen.”

Ralf Bauer / 11.08.2021

Herr Grimm, seien sie nicht blauäugig! CDU Wahlkrampfstrategen konnten Mutti vorrechnen, wie Machtgehabe und Kujonisierung der Ungeimpften Zuspruch und Stimmenzuwachs unter den Geimpften und Wechselwählern auftut.

Gisela Rückert / 11.08.2021

Lesen Sie den heutigen Artikel in TichysEinblick.de über Das Interview von Söder mit dem Merkur. Er hätte viel mehr an Druck durchgesetzt aber die anderen hätten wegen der Wahl Bedenken gehabt. Er strebt das 2xG an was letzten Endes zu 1xG führen wird. Unbedingt lesen!

Klaus-Dieter Zeidler / 11.08.2021

Ich wähle keine Berufspolitiker, die noch am Wahlabend ihre Wahlprogramme für null und nichtig erklären, nur um mit ihren politischen Gegnern eine Regierung zu bilden. Die wollen ausschließlich Geld verdienen. Sorry, aber Demokratie geht anders. Wir brauchen eine Reform des Wahlgesetzes und eine Beschränkung der Zahl der Abgeordneten. Wozu gehe ich wählen, wenn doch schon heute die Arschkriecher den Plan B in der Tasche haben und die Lobbyisten Druck machen.

Paul Greenwood / 11.08.2021

Es war 1918 November 12 als die Russen zum ersten Mal eine Freie Wahl geniessen dürfen - Lenin hat das verneint und das Resultat umgewälzt 1919 Januar - Freie Wahl in Deutschland - Liebknecht wollte die Wahl umwälzen - Nöske hat dies verhindert und Liebknecht und Luxemburg starben durch Freikorps Demokratie ist nicht ohne Kosten

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