Rainer Bonhorst / 13.10.2011 / 10:13 / 0 / Seite ausdrucken

Nicht ausdiskutiert

Es ist noch nicht lange her, da haben wir wieder den Tag der deutschen Einheit gefeiert, der seit 1990 der Tag der deutschen Wiedervereinigung ist. Es gibt viele Gründe, warum dieser Tag eigentlich gar nicht hätte zustande kommen können. Große historische Gründe, aber auch simplere menschliche Gründe. Über diese simpleren, menschlichen Dinge, will ich ein paar Worte sagen. Die Hauptpersonen dabei sind Ronald Reagan und Helmut Kohl.

Ronald Reagan hat noch kurz bevor die große ostwestliche Annäherung stattfand, die Sowjetunion als das Reich des Bösen bezeichnet. Helmut Kohl hat über Michail Gorbatschow, den neuen Kreml-Chef gesagt: Er versteht etwas von Public Relations. Goebbels war auch ein Public-Relations-Experte.

O je. Wie ist das wohl bei dem Mann, der sein Riesenland reformieren wollte, angekommen? Einer nennt es ein Reich des Bösen, der andere zieht Goebbels als Parallele. Und wie war es möglich, dass die drei, Reagan, Kohl und Gorbatschow nach einem solchen Fehlstart noch so gute Freunde wurden? Dass sie gemeinsam die Welt verändert haben?

Ich habe einen Verdacht. Ich vermute, die drei haben die alte Sache mehr oder weniger auf sich beruhen lassen. Sie mögen ein kurzes, vielleicht entschuldigendes Wort darüber verloren haben. Aber sie haben die Sache ganz bestimmt nicht ausdiskutiert. Sie haben also genau das nicht getan, was wir heutzutage so gerne tun. Alles muss ausdiskutiert werden. Wir leben in einer Zeit des Ausdiskutierens, weil wir glauben, dass eine Wunde ewig eitert, wenn man sie nicht bis in die tiefste Tiefe seziert.

Das kann auch passieren. Alte Wunden sind manchmal so. Aber oft geschieht auch das Gegenteil. Dass man nämlich eine Sache so lange ausdiskutiert, bis alles aus ist. Darum ist es, meine ich, oft besser, auf die Tiefendiskussion zu verzichten und einfach zur Tagesordnung überzugehen. Diese uralte Methode, Fünfe auch mal gerade sein zu lassen, kann ebenso heilsam sein wie die der Tiefenbohrung. Ja, oft ist sie heilsamer, auch wenn dieser Gedanke den modernen Ausdiskutierern nicht gefällt.

Und hier nun meine These: Hätten Reagan und Kohl ihr dummes Geschwätz aus dem noch Kalten Krieg mit Gorbatschow so richtig ausdiskutiert, dann wäre das Kriegsbeil womöglich nie begraben worden. Statt dessen haben sie gesagt: Schwamm drüber. So kam man sich dann näher, bis die Mauer fiel und unser Land wiedervereinigt wurde. Eine komische These? Stimmt. Aber es könnte etwas dran sein. 

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