Die Praxis von NewsGuard, die eigenen Märchen zum Maß aller Dinge zu erheben und Journalisten aufzufordern, sich dieser anzuschließen, beschäftigt seit Juni 2024 den Ausschuss für Aufsicht und Rechenschaftspflicht des US-Repräsentantenhauses. Achgut.com geht seit langem juristisch gegen NewsGuard vor.
Es geht, wie es in einem Brief des Ausschussvorsitzenden Jim Comer (Republikaner) an die Unternehmensführung von NewsGuard heißt, um „die Auswirkungen von NewsGuard auf die durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Redefreiheit und sein Potenzial, als intransparenter Agent von Zensurkampagnen zu fungieren“. Es geht ferner um Geschäftsbeziehungen von NewsGuard zu Regierungsstellen, die Frage der Einhaltung seiner eigenen Richtlinien, potenzielle Interessenkonflikte und die mögliche Diskreditierung von korrekten Informationen durch NewsGuard.
In dem Brief werden Fragen zu einem Vertrag zwischen NewsGuard und dem Pentagon gestellt (NewsGuard behauptet, dabei gehe es ausschließlich um „Desinformation“ durch ausländische Akteure wie Russland, Iran und China), der die Beteiligung von Bundesbehörden an möglichen Zensurkampagnen aufwirft:
„Ein besorgter Journalist äußerte die Befürchtung, dass die Aktivitäten von NewsGuard eine Ausweitung der – inzwischen von Gerichten aufgehobenen – Bemühungen der Bundesregierung seien, Social-Media-Unternehmen zu nötigen und ‚das finanzielle Überleben benachteiligter Medien zu zerstören …‘ Der Ausschuss möchte eine unabhängige Entscheidung darüber treffen, ob die Intervention von NewsGuard in Bezug auf die Meinungsfreiheit in irgendeiner Weise von einer Bundes-, Landes-, Kommunal- oder ausländischen Regierung gefördert wurde.“
Was die vermeintliche Unvoreingenommenheit betrifft (NewsGuard bezeichnet sich gar als „apolitisch“), enthält der Brief Screenshots von Postings von NewsGuard-Redakteuren in den sozialen Medien, in denen diese sich gegen Donald Trump und die britischen Konservativen äußern und sich mit den antisemitischen Ausschreitungen an der Columbia University solidarisieren.
NewsGuard-Finanzier verschärfte Opioid-Krise
Andere Fragen betreffen den Einfluss der Geschäftsbeziehungen von NewsGuard auf seinen Bewertungsprozess: „NewsGuard vermarktet seine Analysedienste an Unternehmen, darunter Technologieunternehmen und andere Werbeberater, die die Anzeigenkäufe leiten, die einen Großteil der Nachrichtenmedien finanziell unterstützen. Aber sein bedeutendster Unternehmensförderer, Publicis, ist selbst eine Werbeholdinggesellschaft. Dies wirft die Frage auf, wie NewsGuard seine Beziehung zur Publicis Groupe und anderen Geldgebern verwaltet, die Unternehmensunternehmen Beratungsdienste anbieten.“
Wir haben die weltgrößte Werbeagentur Publicis, die NewsGuard mitfinanziert, hier vor einiger Zeit ausführlich vorgestellt und ihre Schuld an der amerikanischen Opioid-Krise, dem dadurch verursachten Leid, verlorenen Menschenleben und einem immensen finanziellen Schaden für die USA aufgezeigt. Im Februar 2024 verpflichtete sich Publicis in einem Vergleich mit mehreren US-Bundesstaaten, diesen insgesamt 343 Millionen Dollar zu zahlen. Andrea Joy Campbell, Attorney General (das entspricht einem deutschen Justizminister und Generalstaatsanwalt) von Massachusetts, sagte: „Jahrelang haben die Marketingstrategien von Publicis Health dazu beigetragen, die landesweite Opioidkrise zu verschärfen, die einige unserer am stärksten gefährdeten Gemeinden erschüttert und gleichzeitig eine erhebliche finanzielle Belastung für unsere staatlichen Systeme bedeutet hat.“
Letitia James, Attorney General des Bundesstaates New York, erklärte: „Ein Jahrzehnt lang hat Publicis Opioidherstellern wie Purdue Pharma geholfen, Ärzte davon zu überzeugen, zu viele Opioide zu verschreiben, was die Opioidkrise direkt angeheizt und landesweite Verheerungen verursacht hat. Kein Geldbetrag kann den Verlust von Menschenleben und die erlittene Sucht wiedergutmachen, aber mit dieser Vereinbarung wird Publicis sein illegales Verhalten einstellen und 350 Millionen Dollar zahlen, um beim Wiederaufbau unserer Gemeinden zu helfen.“
Genau beschrieb Frau James die Rolle, die Publicis spielte: „Von 2010 bis 2019 arbeitete Publicis mit Purdue Pharma zusammen, um Marketingkampagnen und Materialien zur Förderung von Opioiden wie OxyContin, Butrans und Hysingla zu entwickeln. Publicis war für die Erstellung von Anzeigen und Materialien wie Broschüren und Prospekten verantwortlich, die OxyContin als sicher und nicht missbrauchbar anpriesen, obwohl diese Behauptung nicht stimmte. Zusätzlich zu den Kampagnen, die es für Purdue Pharma erstellte, konspirierte Publicis mit McKinsey & Company, Inc. und Practice Fusion, Inc., um unwahre, irreführende Strategien voranzutreiben, um Purdues Opioidverkäufe zu steigern.“
Falsche Aussagen
NewsGuard ist ein Konzern, dem vor Gericht nachgewiesen wurde, dass er falsche Aussagen – etwa über Achgut – gemacht hat und der finanziert wird von einem Unternehmen, das 350 Millionen Dollar an den Staat zahlen muss, weil es strategisch Lügen verbreitet hat, die nach den Erkenntnissen amerikanischer Justizbehörden unzählige Menschen in die Sucht und in den Tod durch Überdosierung getrieben haben.
Aber NewsGuard maßt sich an, auch in medizinischen Fragen immer recht zu haben. In dem Brief an die NewsGuard-Chefs Steven Brill und Gordon Crovitz spricht Jim Comer, der Vorsitzende des Ausschusses für Aufsicht und Rechenschaftspflicht des Repräsentantenhauses, an, wie NewsGuard gegen Journalisten vorging, die während der Corona-Situation an dem Sinn von Lockdowns zweifelten: „In einem Beispiel veröffentlichte The Daily Sceptic einen Artikel über eine Forschungsstudie der Johns Hopkins University, die zu dem Schluss kam, dass die COVID-19-Lockdowns unnötig, ineffektiv und schädlich waren. Aus Berichten geht hervor, dass NewsGuard mit der Geschichte nicht einverstanden war, obwohl The Daily Sceptic eine Anmerkung hinzugefügt hatte, um auf spezifische Kritikpunkte von NewsGuard einzugehen, darunter den Hinweis, dass die Forschungsstudie nicht von Experten begutachtet worden sei, obwohl der Originalartikel nichts anderes behauptet hatte.“
NewsGuard war damit nicht zufrieden und äußerte, dass nur ein Löschen des Beitrags „seine Bedenken ausräumen würde“. Weil die Website sich geweigert habe, sei ihre NewsGuard Punktzahl gesenkt worden, so Comer. Das scheint zu dem zu passen, was der linke investigative Journalist Lee Fang im Dezember 2023 in einem Beitrag für die New York Post schrieb: „Interne Dokumente, die ich über die ‚Twitter Files' erhalten habe, zeigen, dass die Gründer von NewsGuard das Unternehmen Kunden privat als Tool zur Inhaltsmoderation im industriellen Maßstab anpriesen, bei dem künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, um bestimmte Äußerungen zu unterdrücken. Im Angebot wurde darauf hingewiesen, dass der Dienst bereits von ‚Geheimdienst- und nationalen Sicherheitsbeamten‘, ‚Anbietern von Reputationsmanagement‘ und ‚Regierungsbehörden‘ genutzt wird.“
Recht auf Zensur?
Auffällig ist die Abwesenheit von Schamgefühl. Die Kontrolle über den Diskurs zu haben, über das, was gesagt werden kann und was gelöscht wird, wird als edles Ziel dargestellt, nicht als Eingangshalle des Totalitarismus. In einer Untersuchung der Affäre um Twitters Zensur der Hunter-Biden-Laptop-Story sagte James Baker, ein ehemaliger Rechtsanwalt von Twitter, ihm sei „keine unrechtmäßige Absprache mit oder Anweisung von einer Regierungsbehörde“ bekannt, wie Twitter mit der Situation um Hunter Bidens Laptop hätte umgehen sollen. Er glaube, dass die Löschung der Artikel und die Sperrung des Accounts der New York Post „im Einklang mit dem Ersten Verfassungszusatz“ stünden:
„Ich denke, die beste Auslegung des Gesetzes ist, dass der Erste Verfassungszusatz Twitter und seine Entscheidungen zur Inhaltsmoderation als privates Unternehmen schützt.“
Baker selbst war eine treibende Kraft bei der Unterdrückung der Story. Er begründete dies damit, dass man ja nicht wissen könne, ob „Hacker“ den Journalisten beim Beschaffen von Informationen geholfen hätten.
Die Twitter-FBI-Connection
Bevor Baker zu Twitter kam, hatte er für das FBI gearbeitet. Die Kongressabgeordnete Elise Stefanik sprach von einer „Drehtür“ zwischen FBI und Twitter. In einer Kongressanhörung unter Stefaniks Leitung im November 2023 sagte Taibbi: „Ich denke, das Alarmierendste, was wir gesehen haben, war der regelmäßige, organisierte Kommunikationsfluss zwischen dem FBI, dem Heimatschutzministerium und den größten Technologieunternehmen des Landes. Sie hatten ein organisiertes System zum Markieren von Inhalten, nicht gelegentlich, sondern in enormer Zahl, das Tabellenkalkulationen von Konten umfasste, die sich auf Hunderte und Tausende beliefen, und das war für uns schockierend und wie Kongressabgeordneter [Massie] argumentiert, ist das keine verrückte Verschwörungstheorie. Wir haben bereits vier Bundesrichter entscheiden lassen, dass diese Aktivität ihrer Meinung nach gegen den Ersten Verfassungszusatz verstößt.“
Der investigative Journalist Michael Shellenberger sagte, für ihn sei das Schockierendste gewesen, dass eine Gruppe von (ehemaligen) FBI-Mitarbeitern bei Twitter mit dem Think Tank Aspen Institute zusammengearbeitet habe, um schon im Sommer 2020 dafür zu sorgen, dass die Story über den Laptop von Hunter Biden nicht zur Nachricht wird. Das war zu einer Zeit, als außer dem FBI, das den Laptop beschlagnahmt hatte, niemand etwas von diesem wusste. Shellenberger: „Wir entdeckten, dass das Aspen Institute einen Workshop veranstaltete, an dem praktisch alle großen Medien sowie alle großen Social-Media-Plattformen teilnahmen, um den Laptop von Hunter Biden im Grunde im Voraus (als Fälschung; S.F.) zu entlarven, obwohl es keine Beweise für seine Existenz gab, abgesehen von der Tatsache, dass das FBI von seinem Besitz wusste, weil es ihn im Dezember 2019 bekommen hatte. Es war also ziemlich erschreckend und verstörend mit anzusehen, wie das Aspen Institute im August und September 2020 versuchte, die Leute davon zu überzeugen, nicht über die Geschichte mit dem Laptop von Hunter Biden zu berichten.“
Als dann der neue Twitter-Besitzer Elon Musk entschied, die interne Kommunikation zu veröffentlichen, versuchte Baker, dies zu hintertreiben. Er „prüfte“ und verzögerte die Veröffentlichung des zweiten Schwungs der Twitter Files, woraufhin Musk ihn feuerte. Für Leute wie Baker und seine deutschen Pendants bei Bertelsmann & Co. bedeutet das Recht auf Redefreiheit offenbar ein Recht von Regierungen und Konzernen, selbst zu bestimmen, wer diese überhaupt nutzen darf, wann und wie lange, nach dem Motto: „Jeder hat das Recht, meine Meinung zu sagen“.
Hier der Link zum ersten Teil: Zuckerberg, Merkel, Newsguard – Die Geschichte der Zensurmaschine (1)
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno: Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).