Stefan Frank / 20.11.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Newsguard gegen Achgut (4): Das neue Geschäftsmodell im Zensur-Business

Wir haben gesehen, wie das Unternehmen NewsGuard versucht, Achgut.com durch Rufmord wirtschaftlich zu ruinieren und was die Hintergründe sind. Einer der größten Geldgeber von NewsGuard ist der Medienkonzern Publicis, der in dem USA wegen krimineller Pharma-Kampagnen angeklagt ist. Wer hat NewsGuard gegründet und wer zieht die Fäden?

Gegründet wurde NewsGuard 2018 von dem Juristen und Journalisten Steven Brill und L. Gordon Crovitz, einem ehemaligen Herausgeber des Wall Street Journal. Über Crovitz kann man sagen, dass er sich mit Fake News auskennt. 2012 setzte er eine Zeitungsente in die Welt, die einige Aufmerksamkeit erregte: Der Fotokopiermaschinenhersteller Xerox sei der Erfinder des Internets, schrieb Crovitz im Wall Street Journal unter der Überschrift „Wer hat das Internet wirklich erfunden?“ Crovitz berief sich auf Informationen aus dem Buch Dealers of Lightning: Xerox PARC and the Dawn of the Computer Age von Michael A. Hiltzik. Er hatte das, was er in dem Buch gelesen hatte, offenbar missverstanden: Sowohl Hiltzik als auch Xerox widersprachen seiner These: Nein, Xerox ist nicht der Erfinder des Internets.

Der amerikanische Informatiker Vint Cerf, der zusammen mit anderen als „Vater des Internets“ gilt, sagte in einem Interview

„In Artikeln wie denen von Crovitz wird für politische Zwecke  Geschichtsklitterung betrieben, und ich hoffe, dass Leute, die die wahre Geschichte wissen wollen, diese Art von revisionistischer Interpretation nicht ernst nehmen.“

Mike Masnick, der Gründer des populären Silicon-Valley-Blogs TechDirt, klagte einige Tage nach Erscheinen des Crovitz-Artikels im Juli 2012 darüber, dass das Wall Street Journal sich weigerte,  Crovitz’ falschen Artikel zu korrigieren (der Artikel auch heute, mehr als neun Jahre später, nicht berichtigt):

„Was ist mit all den anderen sachlichen Fehlern, einschließlich derer, dass Tim Berners-Lee die Hyperlinks erfunden haben? Wenn man bedenkt, dass die Prämisse des Artikels und fast alle seine unterstützenden Fakten falsch waren, wirft dies natürlich die Frage auf, wie man eine solche Korrektur vornimmt, außer, das Ganze durchzustreichen und eine Notiz zu posten, in der der Fehler zugegeben wird (keines von beidem wurde bislang gemacht). Angesichts der weit verbreiteten Online-Diskussion über diese Fehler – sowohl in Blogs als auch in traditionellen Medien –, scheint es, als würde das Schweigen des Unternehmens über die ganze Sache das Problem nur noch verschlimmern. Warum kommt das Wall Street Journal nicht aus der Deckung und veröffentlicht eine echte Korrektur aller Fehler?“

Ein anderer heftig kritisierter Artikel von Crovitz betraf den Skandal um den US-Geheimdienst NSA. Die NSA hatte weltweit, auch in verbündeten Staaten, anlasslos Daten ausspioniert, u.a. über zehn Jahre hinweg das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Crovitz aber behauptete im November 2013 in einem Artikel im Wall Street Journal, es sei erwiesen, dass die NSA sich keinerlei Übertretungen vorwerfen lassen müsse, sondern vielmehr „besessen“ davon gewesen sei, sich an die ihr vom Gesetzgeber auferlegten Beschränkungen zu halten. In Wahrheit kam der United States Foreign Intelligence Surveillance Court – das Gericht, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht –  zu dem Ergebnis, dass die NSA „systematisch übertriebene Sammlung“ (systemic overcollection) von Daten betrieben habe und sich „lang anhaltende und allgegenwärtige Verstöße gegen die früheren Anordnungen in dieser Angelegenheit" habe zuschulden kommen lassen. Das Gericht sprach von einem „häufigen Versäumnis der Regierung, die Bedingungen des [Überwachungsprogramms] einzuhalten“ und ihre „anscheinend weit verbreitete Missachtung“ der vom Gericht auferlegten Beschränkungen. Crovitz hingegen behauptete im Wall Street Journal:

„[Die Dokumente] zeigen eine Agentur, die unter den wachsamen Augen von Hunderten von Anwälten und Compliance-Beauftragten handelt.“

Dessen ungeachtet schreibt NewsGuard, seine Truppe von Journalisten werde „von einigen der renommiertesten Redakteure“ – also Figuren wie Crovitz – überwacht. Wenn Crovitz ein Unternehmen führt, das die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenquellen prüft, macht man den Bock zum Chef eines Meisterbetriebs für Gartenbau. Und entsprechend sieht die Arbeit der NewsGärtner dann aus.

NewsGuard hat auch einen „Beirat“ von „Beratern“, darunter allerhöchste Funktionäre aus dem Schlapphutmilieu. Unter ihnen sind:

  •  Tom Ridge, ein ehemaliger Minister für Heimatschutz unter George W. Bush
  • General a.D. Michael Hayden, ehemaliger Direktor von CIA und NSA. Der Whistleblower und ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowdon, dessen Enthüllungen Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungsaktivitäten  von Geheimdiensten gaben und im Sommer 2013 die NSA-Affäre auslösten, kommentiert auf Twitter:„Haben Sie sich jemals angesehen, wer hinter diesen neuen profitorierentierten ‚Faktencheck‘-Unternehmen steht? ‚NewsGuard‘ wird von einem der berühmtesten Lügner des Landes ‚beraten‘ – jenem Mann, der im Geheimen das globale Massenüberwachungssystem aufgebaut hat, das, nachdem es aufgedeckt worden war, von den Gerichten als abscheuliches Verbrechen verurteilt wurde.“
  • Richard Stengel, ehemaliger Redakteur des Time-Magazins und ehemaliger Unterstaatssekretär für Public Diplomacy unter Präsident Barack Obama. Bei einer Podiumsdiskussion, die im vergangenen Mai vom Council on Foreign Relations veranstaltet wurde, bezeichnete Stengel seine frühere Position im Außenministerium als die des „Propagandachefs“ und erklärte auch, dass er „nicht gegen Propaganda“ sei. „Alle Länder tun es und sie müssen es ihrer eigenen Bevölkerung antun und ich finde es nicht unbedingt so schrecklich.“ 

NewsGuards Brieffreund: Achgut.com

Laut Impressum residiert die deutsche NewsGuard Technologies GmbH in Berlin – unter der Anschrift der Rechtsanwaltsgesellschaft „Beiten Burkhardt“.

Die für Newsguard tätigen Journalisten bzw. „Analysten“ verfügen teils über eher spärliche Berufserfahrungen, teils arbeiten sie als freie Mitarbeiter gleichzeitig für etablierte, kommerzielle Medien, die durchaus in einem Konkurrenzverhältnis zu Achgut.com stehen, sind also nicht einmal dem Anschein nach der unabhängige TÜV, als den sie sich darstellen. 

Seit 2019 bekommt Dirk Maxeiner als verantwortlicher Redakteur von Achgut regelmäßig Post von NewsGuard. Wechselnde freie und feste Mitarbeiter fordern „Stellungnahmen“.  Das klingt dann etwa so:

„Sehr geehrter Herr Maxeiner,

meine Name ist Elena Bernard und ich arbeite für NewsGuard, ein Unternehmen, das Nachrichten-Webseiten anhand von neun journalistischen Kriterien analysiert. Mit den unabhängigen NewsGuard-Bewertungen möchten wir Transparenz über die Glaubwürdigkeit von Online-Nachrichten herstellen und so das Vertrauen in journalistische Medien stärken. Nutzer können ein Plug-in in ihrem Internet-Browser einrichten, über das ihnen die NewsGuard-Labels als Qualitätssiegel angezeigt werden.

Derzeit aktualisiere ich gerade unseren Mediensteckbrief über Ihre Webseite Achgut.com. Dabei sind mir in einigen Artikeln falsche oder unbegründete Behauptungen aufgefallen. Ich schicke Ihnen dazu ein paar Beispiele und bitte Sie um Ihre Stellungnahme.“

Es folgen vier Links zu Achgut-Artikeln, ohne Hinweise darauf, was in diesen „falsch“ oder „unbegründet“ sein soll. Der Redakteur soll sich gefälligst rechtfertigen, ohne dass ihm überhaupt gesagt wird, wie die Anklage lautet. Vielleicht verrät er ja dadurch ein schlechtes Gewissen und liefert unabsichtlich Beweise, die ihn ans Messer liefern? Auf jeden Fall soll es einschüchternd wirken. Es hat den Charakter eines Verhörs. Wie im Krimi: „Wir haben am Tatort diesen Text gefunden. Schauen Sie sich den doch mal genau an.“ 

Kein Einzelfall. Am 3. März 2020 schreibt NewsGuard-Journalistin Marie Richter:

„Während unserer Analyse fanden wir außerdem ein paar Artikel, die falsche Behauptungen enthielten. Diese schicke ich Ihnen ebenfalls und würde Sie um Stellungnahme bitten.“ 

Es folgen wiederum Links zu Achgut-Artikeln – ohne irgendwelche Anhaltspunkte, welche „falschen Behauptungen“ sie enthalten könnten. Wer im Internet den Mund aufmacht, der soll sich schuldig fühlen und seine Unschuld erst einmal beweisen. Er soll der NewsGuard-Polizei Stellungnahmen liefern. Er soll mit den Ermittlern von NewsGuard kooperieren – zu seinem eigenen Wohl, versteht sich. Es geht ja darum, ob er mit einem grünen Häkchen oder einem roten Warnzeichen versehen wird. Zuckerbrot oder Peitsche.  

Erst auf Nachfrage teilt Richter mit, was sie Achgut vorwirft. Es geht um einen Beitrag von März 2018  mit dem Titel „Messerattacken verhindern! Zuhause bleiben! Richter schreibt:

„Dieser Artikel berichtet von erhöhten Messerattacken und suggeriert, dass Migranten daran Schuld seien. ... Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass Messerattacken erheblich gestiegen sind und keine Beweise, dafür, dass Migranten an diesen beteiligt wären.“ 

Der „Beweis“: Ein von Richter beigefügter „Correctiv“-Artikel, in dem steht, es gebe zwar in Deutschland „tatsächlich“ einen Anstieg von Verbrechen, die mit Messern verübt werden, dieser Anstieg sei aber nach Erkenntnissen von Correctiv „eher gering“. 

Damit gilt Achgut.com als der Falschinformation überführt. In Wahrheit hat die Innenministerkonferenz 2018 beschlossen, „Messerangriffe zukünftig bundeseinheitlich statistisch zu erfassen“. Und warum hat sie einen solch ominösen Beschluss gefasst? Dies geschah, so die Innenministerkonferenz, „vor dem Hintergrund des Anstiegs von Straftaten unter Verwendung des Tatmittels ‚Messer‘“. 

Seither haben die Messerangriffe nicht etwa aufgehört (siehe dazu auch: Claudio Casula: „Einmann sticht wieder zu“). Dass der Anstieg der mit Messern verübten Morde, Überfälle, Verstümmelungen und sonstigen Verbrechen „nicht dramatisch“ sei, ist die Meinung von NewsGuard. Jeder darf seine Meinung haben, auch abstruse Ansichten sind zu Recht durch die Verfassung geschützt. Marie Richter könnte sagen: „Es gibt keine Belege dafür, dass der Dodo und die Wandertaube ausgestorben sind – wir haben nur nicht lange genug nach ihnen gesucht.“ Bitte, nur zu. Leider aber drängt NewsGuard unter dem Mantel des „Faktenchecks“ darauf, dass alle sich der einen, angeblich richtigen Meinung anschließen. Chefredakteure sollen Artikel, die dieser Sicht entgegenstehen, aus dem Internet löschen oder „berichtigen“.

Was haben die Ermittler, die das E-Mail-Verhör führen, für eine Qualifikation? 

Elena Bernard, in der Newsguard-Selbstdarstellung als „Analyst“ausgewiesen,  ist von Beruf Wissenschaftsjournalistin, schreibt laut der Website u.a. Artikel für Spektrum der Wissenschaft und auf Websites wie spektrum.de, spiegel.de und quarks.de. 

Dann hat sie also eine Wissenschaft studiert, Chemie, Medizin, Physik, Biologie? Nein, nicht ganz: Sie hat „einen M.A. und einen B.A. in Wissenschaftsjournalismus von der Technischen Universität Dortmund“. Das ist etwas dürftig. Der Wissenschaftsjournalist, der sonst nichts gelernt hat, verhält sich zum Wissenschaftler wie der Modejournalist zum Schneider oder der Restauranttester zum Koch. Geht man auf Bernards Twitter-Account, um mehr über ihre wissenschaftsphilosophischen Prinzipien, Maximen und Reflexionen zu erfahren, liest man: „Beim Supperühren verbrannt&gezuckt. Ergebnis: Suppe auf Pulli, Hose, Boden. Moral: Eine Suppe strebt den Zustand größtmöglicher Unordnung an.“

Marie Richter, „MANAGING EDITOR“ für Deutschland, erwarb laut Newsguard 

„einen Master in Journalismus an der Columbia University und arbeitete zuvor für eine deutsch-amerikanische Anwaltskanzlei. Für ihren Bachelor in Liberal Arts studierte sie am Sarah Lawrence College internationale Beziehungen, Literatur und Schriftstellerei. Während ihres Bachelor-Studiums war Richter beim Council on Foreign Relations, PEN America und dem Argentinischen Kongress in Buenos Aires als Praktikantin tätig.“

Analystin Karin König hat, so Newsguard, 

„einen B.A. in Journalistik und Politik von der Technischen Universität Dortmund und als studentische Hilfskraft an der Fakultät für Humanwissenschaften und Theologie gearbeitet. Während ihres Studiums war sie außerdem für zwei Lokalzeitungen, die Neue Westfälische und die Ruhrnachrichten, als freie Mitarbeiterin tätig. Aktuell absolviert sie ein Volontariat beim WDR“.

Karin König ist bekannt für brisante Artikel wie „Schützenkönig von St. Sebastian wird ein bekanntes Gesicht“ („Thomas Schlitt wird 2018 König der St. Sebastian Schützenbruderschaft. Für den 46-Jährigen ist es nach 2001 schon die zweite Königswürde.“). Unvergessen auch ihre investigative Reportage: „Beim Rosenball ist Warburg immer voll im Takt“ („Weiße Tischdecken, edler Blumenschmuck und Kerzen auf den Tischen: Der Tanzclub Warburg bot den Gästen des 14. Rosenballs schon beim Betreten des Saales ein elegantes Ambiente.“). 

Auszubildende im Beruf des Journalismus arbeiten bei NewsGuard als Zensoren. Sie verdienen sich ihre Sporen, damit sie, wenn sie sich irgendwann für einen Redakteursposten bei einem richtigen Unternehmen bewerben, in ihrem Lebenslauf zeigen können, dass sie Erfahrung damit haben, unerwünschte Meinungen zu tilgen.

Für den WDR war auch Deutschland-Repräsentant  („Adviser Germany“) Dr. Florian Meissner tätig. Er wird so vorgestellt: 

„Professor für Medienmanagement und Journalistik an der Macromedia University of Applied Sciences. Davor war er als Kommunikationswissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, tätig. Bis Anfang 2019 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund. Über mehr als zehn Jahre war er außerdem als freiberuflicher Journalist für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten WDR und ZDF tätig.“ 

Die private Hochschule „Macromedia“ bildet ab 725 Euro im Monat junge Menschen in Dingen aus, die irgendwas mit Medien zu tun haben.

NewsGuard fordert „Korrekturen“ ein

Fassen wir zusammen: Wenn sie nicht einfach herrisch „Stellungnahmen“ zu beliebigen Artikeln verlangen – so machen sie sich die Arbeit am leichtesten –, dann behaupten die „Analysten“ (so heißen diese Journalisten offiziell), „falsche Behauptungen“ gefunden zu haben, die „richtiggestellt“ werden müssten. Wer nicht spurt, dem droht die Disqualifikation, also der gefürchtete rote Warnhinweis.  Bei den „Fehlern“ berufen sich die NewsGuard-Journalisten nicht auf eigene Forschung – wo sollte die auch herkommen –, sondern auf Personen und Institutionen, die als über jeden Zweifel erhabene Autoritäten dargestellt werden. Dabei nehmen sie auch ausgerechnet zweifelhaften Stellungnahmen von „Faktencheckern“ wie Correctiv zur Hilfe.  Allerdings wurde Correctiv von Achgut.com bereits vor deutschen Gerichten in die juristischen Schranken gewiesen

Der Nachweis einer vermeintlichen Falschaussage ist bei NewsGuard ein einfacher Abgleich, nach dem Muster: Autorität A sagt X. Wer etwas sagt, das ungleich X ist, verbreitet 

„falsche Behauptungen“. Das muss dann aus dem Internet gelöscht werden. Das System besteht darin, den Gegner mit immer mehr Schmutz zu werfen. Nicht die Qualität der Argumente ist für NewsGuard wichtig, sondern die Masse macht es, nach dem Motto: Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen. 

Die Arbeit von NewsGuard ist damit erledigt, sie könnte genauso gut von einem Computerprogramm, einem sogenannten Bot, durchgeführt werden. Vielleicht ist das sogar so. Haben wir eigentlich Beweise, dass Menschen mit Namen wie „Marie Richter“, „Karin König“ oder „Elena Bernard“ wirklich existieren und dass diese Menschen für NewsGuard arbeiten? Der Anschein spricht eher für die Bot-Hypothese.

Das Ziel: Meinungshomogenität

Achgut-Autoren haben zum Teil sehr ausführlich auf die Vorwürfe von NewsGuard geantwortet. (Siehe den gesamten Schriftwechsel bis zum Beginn dieser Serie hier). Die NewsGuard-Analysten analysieren nichts. Nachdem sie ihre mehr oder minder fadenscheinigen Vorwürfe vorgebracht haben – indem sie also entweder Artikel pauschal für ketzerisch erklären oder aber bestimmte Aussagen daraus –, und die Autoren in vielleicht stundenlanger Arbeit darauf geantwortet haben, heißt das nicht, dass die „Analysten“ ihre Einschätzung korrigieren würden. Es ist eine Situation wie in Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“. Darin heißt es über den Mann vom Lande, der vom Türhüter Zugang zum Gesetz erbittet: 

„Der Türhüter stellt öfters kleine Verhöre mit ihm an, fragt ihn über seine Heimat aus und nach vielem andern, es sind aber teilnahmslose Fragen, wie sie große Herren stellen, und zum Schlusse sagt er ihm immer wieder, dass er ihn noch nicht einlassen könne.“

NewsGuard sucht keinen Austausch von Argumenten, sondern verlangt , dass jeder sich dem Sammelsurium von Wahrheiten, die die Journalisten von NewsGuard hochhalten, anschließt. Nicht Diskussion, sondern Kapitulation. Deshalb will man sich von Antworten auf die gestellten Fragen auch nicht sein Vorurteil kaputt machen lassen. Achgut com hatte im aktuellen Streit – der zur Aberkennung des grünen Hakens führte – auf die NewsGuard-Anfrage innerhalb einer Woche geantwortet und mitgeteilt, bis zum Ende der folgenden Woche zu allen Fragen Stellung zu beziehen. Newsguard aber war an der – ausführlichen und erschöpfenden – Antwort offenbar gar nicht interessiert, sondern hat Achgut.com den bis dahin (offenbar misslicherweise) vorhandenen grünen Haken aberkannt und den Warnhinweis hinzugefügt: „NewsGuard empfiehlt Vorsicht bei der Nutzung dieser Webseite: Sie verstößt schwerwiegend gegen grundlegende journalistische Standards“. Der Eindruck lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Entscheidung für die negative Bewertung schon zuvor feststand und nur zum Schein angefragt wurde.

SARS-CoV-2: NewsGuard diskreditiert Laborunfalltheorie

Das dubiose Gebaren von NewsGuard als Wächter der Uniformität zeigt sich auch bei der Frage nach dem möglichen Ursprung des Virus SARS-CoV-2. NewsGuard versuchte von Anfang an, die Laborunfalltheorie, wonach das Virus versehentlich aus dem Wuhan Institute of Virology – wo es die weltgrößte Sammlung von Coronaviren gibt – freigesetzt wurde, zu diskreditieren. 

Wie Phillip W. Magness und Ethan Yang, zwei Autoren des American Institute for Economic Research (AIER) – einem Think Tank, der als Betreiber einer Website ebenfalls Fragenkataloge von NewsGuard geschickt bekam – in einem lesenswerten Beitrag („Who Fact Checks the Fact Checkers? A Report on Media Censorship“) schreiben, hat John Gregory, der „Deputy Editor for Health“ von NewsGuard, im Frühjahr 2020 etliche Websites kontaktiert, die die Laborunfalltheorie in die Diskussion brachten. 

Mittlerweile halten US-Präsident Joe Biden und der medizinische Berater des Weißen Hauses, Anthony Fauci, die Laborunfalltheorie für „plausibel“ und haben eine Untersuchung der Einrichtung in Wuhan gefordert – dies hat NewsGuard zu einer Wende bewegt. Vorher war das ander. Magness und Yang schreiben:

„Vor diesen jüngsten Entwicklungen hat NewsGuard jedoch über ein Jahr lang aggressiv ‚Fakten geprüft‘ und andere Websites dafür bestraft, dass sie auch nur die Möglichkeit eines Laborlecks angesprochen haben. Einige der aggressivsten Angriffe kamen von John Gregory, dem ‚Stellvertretenden Redakteur für Gesundheit‘ von NewsGuard und auch dessen Hauptkorrespondent im in der Korrespondenz mit AIER. Im März 2020 schickte Gregory eine separate Anfrage an eine andere Website, in der diese beschuldigt wurde, ‚unbegründete Verschwörungstheorien über die Ursprünge des Virus‘ zu fördern,  insbesondere die sogenannte Laborleck-Hypothese. ‚Es gibt keine Beweise dafür, dass das Wuhan Institute of Virology die Quelle des Ausbruchs war, und genomische Beweise haben ergeben, dass das Virus auf der gesamten Genomebene zu 96% mit einem Fledermaus-Coronavirus identisch ist‘, so Gregory in seiner E-Mail weiter.“

Gregory sorgte sogar dafür, dass Artikel verschwanden, in denen über einen Laborunfall spekuliert wurde. Aus diesem Tweet geht hervor, dass ein Journalist mit dem Twitternamen „Justin Hendrix“ am 24. Februar 2020 auf Twitter die Schlagzeile einer Nachrichtenwebsite anprangerte, in der es hieß:

„Coronavirus könnte aus Chinas höchstem Biosicherheitslabor entwichen sein.“

Gregory und NewsGuard wurden daraufhin sofort tätig; Gregory meldete nur einen Tag später auf Twitter Vollzug: Die betreffende Website habe den Artikel „entfernt“ – allerdings „keinen Widerruf veröffentlicht“, so der NewsGuard-Inquisitor.

Heute lässt sich die Laborunfallstheorie nicht mehr länger diskreditieren. Laut AIER hat NewsGuard AIER kürzlich mitgeteilt, dass man sie nicht mehr länger als „Verschwörungstheorie“ bezeichne, „21 Warnhinweise“ korrigiert habe und sich „entschuldigt“. Das passt aber nicht zu anderen Äußerungen auf NewsGuard. So behauptet das Unternehmen in einem „Update“ zum „Corona-Virus-Desinformations-Tracker“ dreist, es habe die Laborunfalltheorie niemals als „Mythos“ bezeichnet:

„Die Idee, dass das Virus aus dem Labor entwichen ist, wird und wurde im Folgenden nicht als ‚COVID-19-Mythos‘ aufgeführt, da sie, obwohl sie nicht erhärtet ist, derzeit auch nicht nachweislich falsch ist.“

Hier versucht NewsGuard, seine Falschdarstellungen und Verleumdungen zu verwischen. Das wiederum passt nicht zu einem anderen Artikel von NewsGuard, der immer noch auf der Website steht und wo die Laborunfalltheorie auch jetzt noch sehr wohl als „Mythos“ bezeichnet. Dort heißt es:

„For example, the myth that the novel coronavirus was created in a lab…“

Auch von einer „Verschwörungstheorie“ ist dort die Rede. Zu den Autoren dieses Artikels gehört: Marie Richter.

Lesen sie am kommenden Montag im nächsten BeitragWarum das, was NewsGuard macht, den Tatbestand der Zensur erfüllt.

Teil 1 dieser Serie finden Sie hier

Teil 2 dieser Serie finden Sie hier

Teil 3 dieser Serie finden Sie hier

Teil 5 dieser Serie finden Sie hier

 

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Dr. Joachim Lucas / 20.11.2021

Es sind doch alles nur politische Schmutzkampagnen, weil sie in ihrer intellektuellen Dürftigkeit zu mehr nicht in der Lage sind. Die Arbeitsnachweise dieser Leute sprechen Bände. Was sich heute (Medien-)Studium nennt, war vor Jahren bestenfalls ein Lehrberuf (ohne echte Lehrberufe abqualifizieren zu wollen). Heute reicht 0% Kompetenz, 100% Haltung. Hier ist der Bildungsniedergang Deutschlands am offensichtlichsten. Im Übrigen ist es eher ein Qualitätsausweis der Achgut-Beiträge, wenn Fälscher und Verleumder glauben Qualitätssiegel vergeben oder in diesem Fall versagen zu können. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Wer sogenannten Qualitätsmedien und ihren Hydraköpfen glaubt, hat eh schon die Kontrolle über seinen Verstand verloren.

Heiko Stadler / 20.11.2021

Die Zensur-Stasi NewsGuard hat nur eine Waffe: Es ist das rote Schild mit dem Ausrufezeichen darin. Man sollte daran arbeiten, dieses Symbol zum Qualitätsmerkmal für kritischen Journalismus werden zu lassen. Wie wäre es, wenn Achgut dieses Symbol in sein Logo aufnehmen würde, vielleicht mit dem Slogan: “Vorsicht kritischer Journalismus”. Auch andere unabhängige Medien sollten sich anschließen. Dieses Symbol muss das “Made in Germany” für Journalismus werden. Wenn sich das erst mal als Qualitätsmerkmal etabliert hat, bracht man auf die Pöbeleien von IM Karin König und IM Marie Richter nicht mehr zu reagieren.

Stanley Milgram / 20.11.2021

Wer mal wie ich Zeit hat, die Investoren von NewsGuard weiter zu verfolgen, wird auf sehr seltsame Personen mit sehr seltsamer Vergangenheit treffen. Ja, im Gegensatz zum Otto-Normal-Verbraucher gehe ich tief in den Kaninchenbau und lasse mich nicht mehr ver@rschen. Und das empfehle ich JEDEm Journalisten-Darsteller, der das hier liest!

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