Stefan Frank / 18.11.2021 / 06:25 / Foto: Pixabay / 25 / Seite ausdrucken

NewsGuard gegen Achgut (2): Die Maschen von Publicis im Drogenhandel

Im vorangegangenen Teil haben wir dargestellt, wie das Unternehmen „NewsGuard“ versucht, Achgut.com durch Rufmord wirtschaftlich zu ruinieren. Angeprangert werden häufig pharma-und impfkritische Beiträge. Einer der größten Geldgeber von NewsGuard ist der Reklamekonzern Publicis, der in den Vereinigten Staaten wegen krimineller Pharma-Kampagnen angeklagt ist. Heute wollen wir – auch, weil man aus dem Fall viel über aktuelle Kampagnen auf diesem Gebiet lernen kann –  zeigen, wie Newsguard-Investor Publicis laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Patienten, Ärzte und die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten getäuscht und einer Aufklärungskampagne der Gesundheitsbehörden, die Menschenleben retten sollte, entgegengearbeitet hat.

Publicis betrieb Kampagnen, die laut der Staatsanwaltschaft „illegal, unanständig und unehrlich“ waren. Die „unfairen und betrügerischen“ Methoden von Publicis hätten „Leid, Überdosierung und Tod“ verursacht. 

Publicis war dabei ausgesprochen erfinderisch, eine stark süchtigmachende und potenzielle tödliche Droge in immer breitere Bevölkerungsschichten zu bringen. Wir beschränken uns im Folgenden auf einige Beispiele.

Beeinflussung von Ärzten: Ärzten, die Patienten hatten, die sich gegen die Einnahme von Opioiden sträubten, riet Publicis, ihre Patienten über die „Wichtigkeit eines ausbalancierten Schmerzmanagements zu belehren und welche Rolle der Arzt dabei hat“. Publicis empfahl Purdue, sich auch selbst an die Patienten zu wenden, um ihnen Vorbehalte gegen OxyContin zu nehmen, „auch in immer höheren Dosierungen“. 2015 berichtete Publicis Purdue: Vielverschreiber von OxyContin (in der Sprache von Publicis: „motivierte Gläubige“ und „Markentreue“) besonders ins Ziel des Marketings zu nehmen, sei eine „1,3-Milliarden-Dollar-Chance“.

Herunterspielen der Risiken: Purdue hatte OxyContin als eine Tablette entwickelt, die schwer zu zerbrechen war, damit man sie nicht so leicht pulverisieren kann, um das Opioid zu schnupfen oder zu spritzen. Aber Publicis, so die Anklage, habe gewusst, dass das nicht „vor der einfachsten Form des Missbrauchs“ schützte: höhere Dosen zu schlucken. Dennoch habe Publicis damit geworben, OxyContin sei missbrauchsicher. Das war eine Falschaussage.

Trainingsvideo zum Überreden von Ärzten: Zur Schulung der Verkaufsvertreter von Purdue entwickelte Publicis ein Schulungsvideo mit der athletischen und weltgewandten Figur „Ken“. Zu dem Song „Eye of the Tiger“ (aus dem Film „Rocky“) erzählt „Ken“ mit vor der Brust verschränkten Armen, dass er ein „Gebiet von 300 Quadratkilometer“ abdecke und vor dem Verkaufsgespräch einen „dreifachen Latte Macchiato“ trinke. Dann sagt Ken den Vertretern, was sie auf Einwände antworten sollten. Wenn etwa ein Arzt Sorge äußere wegen der Gefahr des Opioid-Missbrauchs durch das Schlucken von zu vielen Pillen, dann solle der Vertreter entgegnen: 

„Es gibt kein Medikament, bei dem Sie Missbrauch völlig ausschließen können. Aber Sie haben immer noch Patienten mit Schmerzen, Sie müssen sie behandeln, also was dann? Verantwortungsvolle Patienten.“ 

Die Staatsanwaltschaft kommentiert:

„Diese Botschaften waren irreführend, weil sie die Schuld und das Stigma von Opioidstörungen auf die Patienten schoben, statt auf das Suchtpotenzial des Purdue-Medikaments, das tatsächlich durch das Schlucken von Pillen missbräuchlich verwendet werden und selbst dann zu Opioid-Störungen führen konnte, wenn es wie verschrieben eingenommen wurde.“ 

Irreführendes Anpreisen für falsche Indikationen: Obwohl die Opioide von Purdue nicht zur Behandlung spezifischer Erkrankungen zugelassen waren, so die Staatsanwaltschaft, habe Publicis dies in seinem Marketing auf irreführende Weise suggeriert – etwa durch Werbung, die beim Nutzer auftauchte, wenn er im Internet nach bestimmten Krankheitsbildern wie Rückenschmerzen oder Schmerzen bei Krebs suchte. 2013 berichteten Publicis-Mitarbeiter, dass „die Kampagnen zu den Krankheitsbildern unter den letztjährigen [Suchmaschinenmarketing]-Strategien am erfolgreichsten waren“ und zu 25.548 Klicks geführt hätten, was die meisten Besuche auf der Purdue-Produkt-Website generiert habe. 

Aufpolieren des Firmen-Images: Im Oktober 2014 trafen sich Publicis und Purdue, um die Website von Purdue zu überarbeiten. Publicis führte die Schlagwörter „verantwortlich“, „produktiv“ und „gutes bürgerschaftliches Engagement“ an, die die Besucher der Website mitnehmen sollten. Publicis empfahl, dass das damalige Unternehmensmotto „profitables Wachstum“ nicht in der Öffentlichkeitsarbeit, sondern nur intern benutzt werden sollte. Was auch immer Publicis und Purdue planten, um den Ruf von Purdue aufzupolieren, so die Staatsanwaltschaft, „beide wussten, dass es darum ging, mehr OxyContin zu verkaufen.“ Denn dieses machte 90 Prozent des Umsatzes aus. 

Angesichts der Opioidkrise entwickelte Publicis eine Kampagne, um das „wachsende Imageproblem“ von Purdue zu managen, so die Staatsanwaltschaft. Publicis schrieb das Script für ein 60-Sekunden-Video, in dem der Purdue-Chef Mark Timney darüber sprach, dass sein Unternehmen „alles tut, um das Problem der öffentlichen Gesundheit rückgängig zu machen.“ Dieses Statement war „falsch“, so die Anklage. 

„Doch Publicis wusste, dass die öffentliche Meinung wichtig war, um die Verkäufe von OxyContin und die daraus resultierenden Profite für seinen Kunden aufrechtzuerhalten“.

Publicis empfahl Purdue, eine „verantwortungsvolle Herangehensweise beim Schmerzmanagement“ zu betonen. Publicis und Purdue könnten gemeinsam eine „Wahrnehmung von Transparenz“ erschaffen, „um das erwünschte Verschreibungsverhalten“ zu erzielen, schrieb Publicis. Laut der Staatsanwaltschaft bestand die Strategie darin, Risiken zuzugeben, „aber die Verbindung zwischen OxyContin und der Krise von Opioidgebrauchsstörungen, Überdosierungen und Todesfällen zu verschleiern“.

Auswertung vertraulicher Patientengespräche

Um die Zielgruppe Krankenschwestern und ärztliche Assistenten – die in den USA unter bestimmten Voraussetzungen Medikamente verschreiben dürfen, obwohl sie keine Ärzte sind – dafür zu gewinnen, mehr OxyContin zu verschreiben, wertete Publicis Gespräche aus, die diese mit Patienten führten. 2013 nämlich hatte Publicis das Unternehmen Verilogue übernommen, dessen Technologie von medizinischen Dienstleistern benutzt wird, um Gespräche mit Patienten aufzuzeichnen. Verilogue fügt diese in eine Datenbank ein, die durchsucht und ausgewertet werden kann. Publicis nutzte die Datenbank, um herauszufinden, wie ärztliche Assistenten und Krankenschwestern die Themen Schmerzen und Opioide mit den Patienten besprechen und wie die Patienten reagieren. 

Mit diesem Wissen kreierte Publicis Einstellungs- und Verhaltensprofile und ersann  Kampagnen, um Krankenschwestern und ärztliche Assistenten dazu zu bewegen, mehr Opioide zu verschreiben.

Mit Rabatt in den Tod: Im April 2013 schuf Publicis eine Kampagne für „Rabattkarten“ (saving cards) für das süchtig machende Opioid. Diesen Einfall ließ sich Publicis von Purdue mit 47.000 Dollar bezahlen. Das lohnte sich für Purdue schnell, so die Staatsanwaltschaft, 

„denn sobald ein Patient erst einmal einige Monate lang OxyContin nahm, war es viel weniger wahrscheinlich, dass er damit wieder aufhören würde. Publicis wusste, dass Rabattkarten ein erstklassiges Instrument waren, um Patienten länger auf OxyContin zu halten.“ 

Publicis und Purdue hätten später geschätzt, dass die Rabattkarten allein im April 2014 zu mehr als 67.000 Verschreibungen geführt hätten.

Telefonwerbung: Es gibt in Massachusetts Krankenhäuser und Therapiegruppen, in denen Handelsvertreter von Purdue nicht zugelassen waren. Publicis sah darin – in den Worten der Staatsanwaltschaft – einen „noch nicht angezapften Markt“. Publicis entwickelte eine Kampagne, Ärzte und Krankenschwestern unaufgefordert über E-Mails und Telefonanrufe von Callcentern zu kontaktieren, um Werbung für OxyContin zu machen. Es wurde notiert, wie die Kontaktierten reagierten. Publicis entwickelte für die Callcenter Verkaufstaktiken, darunter das, was Publicis laut der Staatsanwaltschaft die Reassess-At-Every-Step-Kampagne nannte, „deren Zweck es war, die Verschreiber dazu zu bringen, die Patienten auf immer höhere Dosen zu bringen“, sowie die genannten Rabattkarten, „mit denen die Patienten länger und länger auf OxyContin gehalten“ werden sollten. Publicis führte stolz Buch darüber, welche Kliniken „hochengagiert“ beim Verschreiben von OxyContin waren.

„Kriminelle Verschwörung“: Zudem, so die Staatsanwaltschaft, bildeten Publicis und Purdue eine „kriminelle Verschwörung“ (criminal conspiracy) mit dem Unternehmen Practice Fusion. Practice Fusion betreibt eine kostenlose Cloud-basierte medizinische Datenbank (laut Presseberichten auch „Facebook für Gesundheit“ genannt); in ihr führen Ärzte und Krankenhäuser in den USA Krankenakten und erhalten von der Software auch Therapieempfehlungen über ein sogenanntes clinical decision alert system (CDS). Purdue zahlte Mitarbeitern von Practice Fusion Bestechungsgelder, damit Ärzte jedesmal, wenn im Text Schmerzen erwähnt werden, vom CDS OxyContin empfohlen bekamen. Purdue und Practice Fusion haben diese kriminelle Verschwörung bereits gestanden. Christina E. Nolan, die Staatsanwältin im Verfahren gegen Practice Fusion, nannte das Verhalten „abscheulich“. Auf dem Höhepunkt der Opioidkrise seien die Täter in die „heilige Doktor-Patienten-Beziehung“ eingedrungen.

„Die Unternehmen haben sich illegal verschworen, um dem Pharmaunternehmen zu ermöglichen, genau in jenem Moment den Daumen auf die Waage zu drücken, in dem ein Arzt unglaublich intime, persönliche und wichtige Entscheidungen über die medizinische Versorgung eines Patienten zu treffen hatte, darunter die Entscheidung über Schmerzmedikation und die zu verschreibende Dosis.

Practice Fusion bekannte sich im Januar 2020 schuldig und verpflichtete sich zu einer Zahlung von 145 Millionen US-Dollar. Das ist die höchste Geldstrafe, die im Bundesstaat Vermont je verhängt wurde.

Publicis wusste nicht nur von dieser kriminellen Verschwörung, sondern war laut der Generalstaatsanwaltschaft von Massachusetts die treibende Kraft: Publicis entwickelte die Inhalte, die die Nutzer von Practice Fusion angezeigt bekamen; und als Purdue Zweifel über die Rechtmäßigkeit dieser illegalen Masche aufkamen, drängte Publicis das Unternehmen dazu, weiterzumachen. Publicis schrieb an Purdue:

„Practice Fusion ist der einzige Partner, der Banner innerhalb des Arbeitsflusses anbietet, bevor eine Verordnungsentscheidung getroffen wird. Hilft, die Bekanntheit zu steigern – und letztendlich den Umsatz.“

Publicis kannte die Gefahren

Publicis habe verstanden, so die Anklage, „dass Patienten, die Purdues Opioide erhielten, sich oft auf einer Einbahnstraße zu immer höheren Dosen befanden“. So schrieb 2017 ein Publizis-Mitarbeiter in einem E-Mail-Austausch mit Kollegen bezüglich der Dosissteigerung: „Wir wissen, dass Abbruch normalerweise ein irrelevantes Thema ist.“ Wenn jemand einmal Opioide nehme, dann sei der einzige Weg „nach oben“. 

Zu jeder Zeit, so die Staatsanwaltschaft, habe Publicis gewusst, dass die Opioidkrise mit der Verschreibung von Opioiden wie OxyContin zusammenhing, und „dass die Krise immer schlimmer wird“. Publicis-Mitarbeiter verfolgten und diskutierten die wachsende Zahl von Artikeln und Studien über Störungen und Todesfälle infolge von Überdosierung. Als die Opioidkrise immer gravierender wurde, mit mehr und mehr Patienten, die unter Störungen infolge von Überdosierung litten oder daran starben, kreierte Publicis Werbekampagnen, deren Zweck es war, „Vorbehalte bei Ärzten und Patienten zu entkräften und sie zum Einsatz von OxyContin zu überreden, in immer höheren Dosen“, so die Staatsanwaltschaft.

Selbst angesichts zunehmender Beweise für Schäden, die das Opioid verursachte – darunter Tod – „steigerte Publicis noch einmal seine Anstrengungen, um Ärzte, auch in Massachusetts, dazu zu bringen, so vielen Patienten wie möglich so viel OxyContin wie möglich zu verschreiben“.

Als Beweis dafür, dass Publicis Menschen mutwillig in Gefahr von Abhängigkeit und Tod brachte, führt die Anklagebehörde eine interne Präsentation von Ende 2013 an. Diese beginnt mit der Information, dass Purdue sich 2007 vor Gericht verantworten musste und wegen irreführender Reklame für Oxycontin verurteilt wurde. In der Präsentation heißt es: 

„In der Folge starben zahlreiche Menschen als Ergebnis von OxyContin-Missbrauch und eine noch größere Zahl wurde süchtig nach OxyContin; ein Medikament, von dem Purdue viele glauben ließ, dass es sicherer und schwerer zu missbrauchen sei und weniger schnell abhängig mache als andere Schmerzmedikationen auf dem Markt.“ 

Auf der nächsten Seite der Präsentation wird unter der Überschrift „Stewart weg?“ erklärt, dass der Purdue-Vorstandsvorsitzende John Stewart, der 2007 die Unternehmensleitung übernommen hatte, 2014 unter großem Druck der Eigentümerfamilie Sackler stand, die Gewinne zu steigern. Anderenfalls wäre er gefeuert worden. In der firmeninternen Publicis-Präsentation heißt es: 

„PURDUE 2014: verzweifelt nach neuem Wachstum.“

Die Staatsanwaltschaft kommentiert:

„Publicis erkannte, dass der verzweifelte Wunsch der Sacklers nach wachsenden Umsätzen eine Chance für Publicis bot, zu profitieren.“

Also habe sich Publicis darangemacht, Purdue und den Sacklers dabei zu helfen, mehr Drogen zu verkaufen:

„Monat für Monat unterzeichnete Publicis neue Projektverträge mit Purdue und arbeitete daran, die durchschnittliche Dosis zu erhöhen und die Patienten länger auf Opioiden zu halten. Publicis kannte die Gefahren von Purdues Opioiden, aber anstatt die Risiken von OxyContin zu betonen, konzentrierte sich Publicis auf die 'Humanisierung der Marke', um verschreibende Ärzte zu gewinnen und sie dazu zu bringen, den Patienten mehr zu verschreiben … in höheren Dosen und für längere Zeit.“

Publicis hintertrieb den Kampf gegen Opioidabhängigkeit 

Im März 2016, so die Staatsanwaltschaft, veröffentlichte die amerikanische Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention Richtlinien für das Verschreiben von Opioiden bei chronischen Schmerzen, um zu verhindern, dass zu viele Opioide verschrieben und Patienten eine Opiatstörung entwickeln. Publicis beeilte sich, die Situation für Purdue zu beurteilen. Nach einmonatiger gründlicher Analyse erstatte Publicis einen detaillierten Bericht über die Implikationen der Richtlinien und erklärte, dass jede der zwölf Richtlinien eine, so wörtlich: „Gefahr“ für die Opioid-Profite von Purdue sei. „Immer und immer wieder kam Publicis zu dem Schluss, dass die Sicherheitsrichtlinien, die die Gesundheitsbehörde für gut für die Patienten hielt, schlecht für das Opioid-Marketing von Publicis seien.“ Die Generalstaatsanwaltschaft hat der Anklageschrift eine von Publicis erstellte Tabelle beigefügt (hier auf S. 20). Auf der linken Seite stehen die Richtlinien der Gesundheitsbehörde, auf der rechten Seite der Kommentar von Publicis. Das klingt dann so:

- Gesundheitsbehörde: „Ärzte sollten eine Opioidtherapie nur dann in Betracht ziehen,

wenn der erwartete Nutzen für Schmerzen und Funktion des Patienten die Risiken überwiegt.“

Publicis: „Kann zu weiterem Rückgang der

Opioid-Verschreibungen führen.“

- Gesundheitsbehörde: „Vor dem Beginn und regelmäßig während der

Opioidtherapie sollten Ärzte mit den Patienten bekannte Risiken besprechen…"

Publicis: „Das Hören von Risiken kann beim Patienten zu Ablehnung (oder Nichtakzeptanz von Opioiden) führen."

- Gesundheitsbehörde: „Zu Beginn der Opioidtherapie bei chronischen Schmerzen sollten Ärzte sofort wirkende Opioide verschreiben anstelle von lang wirkenden (ER/LA) Opioiden“

Publicis: „Das steht direkt den Wachstumsstrategien für Butrans und OXC [OxyContin] entgegen.“

- Gesundheitsbehörde: „Wenn mit der Einnahme von Opioiden begonnen wird, sollten Ärzte die niedrigste wirksame Dosierung verschreiben.“

Publicis: „Kann die Verschreibung von höheren Dosen weiter erodieren.“

- Gesundheitsbehörde: „Verschreiben Sie keine größere Menge als nötig für die erwartete Dauer der Schmerzen, die so stark sind, dass sie Opioide erfordern.“

Publicis: „Zahl der Pillen pro Rezept könnte sinken.“

Die Staatsanwaltschaft resümiert:

„Auf dem Höhepunkt der Epidemie, als bereits Hunderttausende getötet worden waren und die Nation versuchte, das Leben von Menschen zu retten, machte sich Publicis Sorgen über die ‚Gefahr‘, dass Ärzte weniger Opioide oder niedrigere Dosen oder weniger Pillen in einem Rezept verschreiben könnten oder dass ‚das Hören von Risiken’ Patienten dazu veranlassen könnte, stattdessen sicherere Arzneimittel zu wählen.“

Publicis sei klar gewesen, so die Staatsanwaltschaft, dass bei einer Umsetzung der Richtlinien vor allem die höchsten Dosierungen zurückgehen würden und dass Purdue genau auf diese spezialisiert war.

„Publicis wusste, dass die Gesundheitsbehörde-Richtlinien Leben retten würden, sah es aber als seinen Marketing-Imperativ an, sich gegen sie zu wehren.“

Publicis, so die Staatsanwaltschaft, entwickelte Marketing-Strategien, die darauf zielten, dass die Ärzte mit geringen Dosierungen anfingen und den Patienten Schritt für Schritt immer höhere Dosen verschrieben. 

„Publicis maß den Erfolg daran, wie stark es die Dosis eines Patienten erhöhen konnte.“ 

Die Ratschläge von Publicis, um die Richtlinien der Gesundheitsbehörde zu kontern, seien für Purdue „Millionen Dollar wert“ gewesen. Purdue studierte die Datenbanken über Verschreibungen, um zu berechnen, wie viel Profit dem Unternehmen entgehen würde, wenn die Richtlinien umgesetzt würden. Allein in  Massachusetts waren es 24 Millionen Dollar. „Trotz der sich zuspitzenden Opioid-Krise“, so die Staatsanwaltschaft, „war Publicis so stolz auf seine Marketingtätigkeit“, dass das Unternehmen mit seinen Ideen für das Verkaufsmarketing und das Aufpolieren von Purdues Image an brancheninternen Preiswettbewerben teilnahm, darunter auch an einem Wettbewerb für die „waghalsigste Werbekampagne“.

„Wir brauchen ein größeres Schiff“

Aus internen E-Mails geht hervor, wie die Publicis-Mitarbeiter die geschäftlichen Erfolgen bei der Opioid-Reklame feierten. Am 22. März 2016 schrieb John Dwyer, der Vertriebsdirektor von Razorfish Health – eine von mehreren Publicis-Agenturen, die für Purdue tätig waren –, an Karl Tiedemann, den Exekutivvizepräsidenten von Razorfish-Health, eine E-Mail mit dem Betreff: „Wir werden ein größeres Schiff brauchen.“ Darin prognostizierte Dwyer, dass allein Razorfish Health in diesem Jahr von Purdue zwischen 11,888 und $12,288 Millionen Dollar kassieren werde. Tiedemann antwortete: „Oh boy.“ 13 Minuten später schrieb Dwyer: “Shyeah.“ Er fügte ein GIF hinzu, das den Schauspieler Jim Carrey in der Komödie Dumm und Dümmer bei einem übertriebenen Würgereflex zeigt. Am selben Tag informierte Dwyer auch den Publicis-Finanzchef Albert Fins über die erwarteten Einnahmen und fügte hinzu:

„Darüber hinaus sind da noch $1,8-2,0M an Gebühren für [Publicis-Health-Media-] Arbeit, die über [Razorfish Health] mit Purdue verrechnet wird.“

Ebenfalls zynisch: Gleich am nächsten Tag, so die Staatsanwaltschaft, boten Tiedemann und Dwyer die Dienste von Publicis dem Verein Partnership to End Addiction an, eine Anti-Drogen-Initiative ähnlich der deutschen Kampagne Keine Macht den Drogen. Publicis bewarb sich für ein Projekt der Website drugfree.com. Bei der Planung seines Angebots an den gemeinnützigen Verein, so die Staatsanwaltschaft, „bereitete Publicis eine Aufstellung seines Expertenwissens über Opioide und Marketing vor. Diese Aufstellung bestand ausschließlich aus seiner Arbeit für Purdue.“ Ein Publicis-Kollege rühmte in einer E-Mail Dwyers Expertise:

„Ich bezweifle, dass es einen Marketingexperten gibt, der den Opioid-Markt so gut kennt wie du. Du sprichst von einem sehr sicheren Platz des Wissens, was Zielgruppenansprache bei RX [verschreibungspflichtigen Medikamenten; S.F.] betrifft und wer Rxs antreibt.“

Die Staatsanwaltschaft kommentiert:

„Publicis wusste, dass die Bemühungen, Menschen vor Drogen zu schützen, bei weitem nicht über ein so großes Marketingbudget verfügten wie die Unternehmen, die Drogen bewarben. Derselbe Publicis-Mitarbeiter schrieb, dass drugfree.org ‚unterfinanziert‘ sei, und zu versuchen, ihre Ziele zu erreichen, sei, als würde man ‚versuchen, 100 Pfund  )*(* in einen 50-Pfund-Sack zu stopfen.‘“

Doch Publicis, so die Anklage, „dachte nicht darüber nach, was es getan hatte, um die Krise so tödlich zu machen. Stattdessen bewarb es weiter Purdues Opioide und löste Purdues Schecks ein“. Über ein Jahrzehnt lang habe Publicis von Purdue für seine „betrügerischen Marketingmaschen“ mehr als 50 Millionen Dollar kassiert, so die Staatsanwaltschaft.  Ziel der Kampagnen war es, „mehr Opioide zu verkaufen, in höheren Dosen, für längere Zeiträume, an Patienten, die sie nicht benötigten“. Daran wurde bei Publicis der Erfolg gemessen, so die Staatsanwaltschaft.

Im Sommer 2015 erfuhr Publicis, dass es die Familie Sackler, die Eigentümerfamilie von Purdue, in die Forbes-Liste der reichsten Familien der Welt geschafft hatte. Unter Publicis-Mitarbeitern zirkulierte die Nachricht: 

„OxyContin-Verkäufe bringen Sackler-Familie in die Forbes-Liste der Reichen.“

Im März 2016 bat Purdue Publicis, auch das Marketing für ein anderes Opioid aus dem Hause Purdue zu übernehmen: „Macht alles, was ihr 2015 mit OxyContin gemacht hat, aber jetzt für Butrans.“ John Dwyer, Vertriebsdirektor der Publicis-Tochter Razor Health frohlockte: 

„Das ist ein Beispiel dafür, was man erreichen kann, wenn man die Geschäfte eines Kunden managt wie seine eigenen.“ 

Im Mai übergab Purdue Publicis auch das Marketing für sein drittes Opioid, Hysingla. Karl Tiedemann, der Exekutivizepräsident von Razor Health,  war laut der Anklageschrift „in Ekstase“ angesichts der „erstaunlichen Beziehung“ zwischen beiden Unternehmen und sagte: 

„Dies ist das letzte Puzzleteil, nun gehört uns Purdue.“

Lesen Sie morgen: Auf Nachfrage in Sachen Publicis eine wundersame Stellungnahme von NewsGuard

Teil 1 finden Sie hier

Teil 3 finden Sie hier.

Teil 4 finden Sie hier.

Teil 5 finden Sie hier.

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Daniel Oehler / 18.11.2021

Zensur gegen unbequeme Stimmen und Werbung für süchtig machende Substanzen Hört sich ganz nach “ehrenwerte Gesellschaft” an. Hat Publicis Wurzeln im sizilianischen Corleone? Hat die “Achse der Guten” schon ein Angebot erhalten, “das man nicht ablehnen kann”? Z.B. entsprechende Maßnahmen gegen Feinde des Blogs?

Harald Unger / 18.11.2021

@Silke Müller-Marek - Der Punkt ist nicht Sie, ich oder die anderen Achsiaten. Sondern daß ‘NewsGuard’, in seiner Funktion als outgesourcter, d.h. privatwirtschaftlicher Totalitarismus, die Achse systematisch de-monetarisieren, also wirtschaftlich ruinieren will. Was Sie oder ich davon halten, spielt dabei überhaupt keine Rolle. - - - Unternehmen, die es wagen würden, trotzdem auf der Achse zu werben, erhielten rasch Hausbesuche von der staatlichen Nazifa und die ebenfalls vom Staat gemästeten, sogenannten ‘NGOs’ würden Kampagnen gegen diese Unternehmen starten. - - - Das gilt ebenso für Unternehmen, die von Google de-monetarisiert werden. Es ist Google wie auch NewsGuard vollkommen egal, was Sie davon halten.

Silke Müller-Marek / 18.11.2021

NewsGuard? Kenne ich nicht, brauche ich nicht, denken kann ich selbst, Entscheidungen treffen und Meinung bilden auch. Ich halte nichts von betreutem Denken und linksverdrehte Arschgeigen wie NG oder Correctiv gehen mir 3 km am Allerw….... vorbei. Wer sich anmaßt, DIE Wahrheit gepachtet zu haben und meint diese mit allen Mitteln durchsetzen zu wollen, ist ein dümmliches Etwas, gekrochen aus dem Sumpf des linken überheblichen Weltbildes. Diese Übergeschnappten muss man einfach ignorieren und weiter Achse lesen. JETZT ERST RECHT!!!!!!

Stanley Milgram / 18.11.2021

Eben mal “NewsGuard” gegoogelt. Man hat laut Internet Microsoft im Boot. Würde man das ins Betriebssystem integrieren, wäre das schon ein übler Gegner. Zudem ja die Möglichkeit offen ist, eine Seite über das Betriebssystem später mal ganz zu blockieren. »404 Page Not Found«

H.Milde / 18.11.2021

Das diese besonders reizende Familie Sackler meint sich so aus vorsätzlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge aus niedrigen Beweggründen (Gier) in zigtausenden Fällen rausgekauft zu haben,  könnte sich eher als Irrtum rausstellen. Wenn in den US, und anderen Ländern, hoffentlich Regierungen wieder in die Ämter kommen, die Ernst machen mit Menschenrechten und wahrlichen FDGOs, und diese Umtriebe konsquent bekämpfen, können sich diese Figuren einen Planeten B suchen, gemeinsam mit den C19-Vaxx-Menschheitsrettern, WHO, WEF/YGLs, kollaborierenden AmtsGeschäftskirchen und den inter-national Sozialisten.

Holger Lundstrom / 18.11.2021

Bleibt nur zu hoffen, dass AchGut durch die Diskussion in den Medien profitiert. Ich selbst kannte diese Seite gar nicht, bis sie irgendwo irgendwer irgendwann beiläufig erwähnt hatte.

Peter Wachter / 18.11.2021

Wenn es intressiert wie es in der Vergangenheit funktionierte, googelt nach Contergan von der deutschen Fa. Grünenthal natürlich GmbH (!), gibt es noch heute (Umsatz 2020 1,28 Mrd Euro) oder in der Gegenwart: Krebs durch Babypuder, von Klagewelle überrollt: Johnson & Johnson greift zum Trick und meldet Insolvenz an. Und was bringt uns die Zukunft ? Ja, ne, diesmal wird ALLES gut, WIR schlaffen dat !

Dieter Kief / 18.11.2021

Wolfram Becker - auch die Warnung vor Antisemitismus kann als antisemitisch angesehen werden. Das ist eine Spirale, die prinzipiell offen steht für weitere Drehungen.

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