Thilo Schneider / 09.06.2020 / 14:00 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Neusprech für Bürger-Verwahrung: “Verantwortungsvolle” Freiheit

Na endlich. Lange genug hat es nicht gedauert, aber dank des entschlossenen Durch- und Übergreifens des Staates auf seine Bürger konnte aus einer Pandemie mit Millionen möglicher Todesopfer dann doch nur – Stand heute – so ein bisschen Epidemie werden. Zur Belohnung für gute Führung der Insassen Deutschlands hat Heiko Maas zum 15. Juni alle Reisewarnungen für 30 europäische Länder gestrichen. „Die neue Freiheit ist ja da, sie muss nur verantwortungsvoll genutzt werden, damit sie von Dauer ist“, freut sich Reinhard Müller in der FAZ. Und womit haben sich die duldsamen Bürger dieser sympathischen 80-Millionen-Anstalt das verdient? „Obwohl den Leuten schon bisher einiges zugemutet wurde – nicht wenige sind in ihrer Existenz bedroht –, suchen die wenigsten ihr Heil bei Extremisten. Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen ist weiter groß, nicht weil die Bürger Kadavergehorsam übten, sondern weil sie offenbar überwiegend die getroffenen Entscheidungen für überzeugend halten. Solche Reife bleibt wichtig“, stellt Reinhard Müller erleichtert fest.   

Gut, das kann man so sehen. In Nordkorea üben die Bürger auch „demokratische Reife“ und entscheiden sich ein- ums andere Mal für den besten Mann, den Nordkorea hat. Auch im Iran zeigt die Bevölkerung demokratische Reife und dient ihrem Herrn, der auf so wunderbare und wundersame Weise vom Religionsführer und dessen Wächterrat vertreten wird. Ebenfalls demokratische Reife zeigen in den USA derzeit die Wähler, die in ihrem Protest gegen Trump und sein semi-faschistisch-rassistisches System geldlos Fernseher und andere Artikel nach Geschäftsschluss aus Supermärkten und Läden erwerben. Was, nebenbei gesagt, auch eine Art ziviles Konjunkturprogramm, gesponsert by Versicherungen, ist. Vor allem für die amerikanische Sicherheits- und Waffenindustrie.

„Demokratische Reife“ ist also recht vielfältig. Nutzen wir also unsere neue Freiheit verantwortungsvoll. Am besten tun wir Bürger das wahrscheinlich, indem wir einfach nicht verreisen und zu Hause bleiben, wo es ja sowieso am schönsten ist. „Freiheit“ bedeutet ja nicht, dass ein Individuum tun und lassen kann, was es will, sondern es tun und lassen könnte, wenn es wollte. Und könnte. Und dürfte. In der DDR gab es auch Reisefreiheit. Nur eben nicht in jedes Land. Aber in die sozialistischen Bruderstaaten schon. Und was wurde daraus? Die Bevölkerung hat ihre demokratische Unreife bewiesen, indem sie einfach nach Ungarn fuhr und beim ersten Fallen des Grenzzauns in unverantwortlicher Weise rübermachte. Als ob Österreich schöner als Ungarn wäre. Das hatte später dann die ganze DDR davon, als sie schließlich die Mauer öffnete – es gab sie nicht mehr lange. Die Mauer, die DDR und die DDR-Bürger. Nur wenige konnten sich in Verfassungsrichter-Ämter retten und dort an der „neuen Freiheit“ arbeiten.

Zu viele Wahlmöglichkeiten verunsichern ja auch nur

Allerdings muss zur Ehrenrettung der Bundesregierung gesagt werden, dass sie sehr viel mehr als die ehemalige DDR-Führung tut, um den verantwortungsvollen Bürgern das „zu Hause bleiben“ zu erleichtern. Heute muss niemand mehr in fremde Länder verreisen, um Land und Leute kennenzulernen: Berlin lädt einfach Land und Leute hierher ein. So besteht ein Gutteil der „neuen Freiheit“ darin, das künftige Zusammenleben wie auf einem türkischen Basar (oder einem marokkanischen Basar, allerdings weniger als in einem amerikanischen Supermarket oder einer englischen Mall) auszuhandeln. Ein, wie ich finde, recht cleverer Schachzug, um die Zufriedenheit mit der nagelneuen Freiheit zu steigern.

Damit aber noch nicht genug: Die europaweite Großzügigkeit und Freigiebigkeit der Regierung mit den ihr freundlicherweise überlassenen Steuergeldern sorgt auch dafür, dass gleich mehrere Staaten wie Griechenland oder Italien derart bei der Bundesregierung in der Buntmalkreide stehen, dass sie ihre Schulden nie werden zurückzahlen können. Was also wird eher früher als später näherliegen, als die entsprechenden Sehenswürdigkeiten dort zu pfänden, abzubauen und hierzulande wieder zusammenzubasteln? Wie schön wird Braunschweig durch die Akropolis werden? Wie malerisch werden sich die Häuser von Santorin im Allgäu in die Berge schmiegen? Und wie wird der Familienausflug zum Schiefen Turm von Görlitz sein? Mit etwas Cleverness seitens der Bundesregierung werden wir vielleicht sogar nächstens den Eiffelturm passenderweise in Monschau/Eifel sehen oder die Kathedrale La Seu von Palma wird künftig der „Bischofssitz“ von Plauen.

Ich befürchte fast, dass die „neue Freiheit“ ein hübscher Mix aus „Junger Freiheit“ und „Neuem Deutschland“ sein wird. Womit wir dann endgültig zum guten alten System der Einheits- und Blockparteien übergehen könnten. Und mal ehrlich: Zu viele Wahlmöglichkeiten verunsichern ja auch nur. Freuen wir uns also über den nächsten Amtseid der „Lieben Vorsitzenden“ im „Berliner Bevölkerungstag“.   

(Weitere Sehens- und Merkwürdigkeiten des Autors auch unter www.politticker.de)

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Leserpost

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Karsten Dörre / 09.06.2020

Die alte Freiheit war aber auch sowas von unreif. Wann kommt das neue Grundgesetz? Wann kommt die neue Regierung? Wann kommt der neue Mensch? Die FAZ benennt sich um: Frankfurter Reife Allgemeine Neue Zeitung.

Claudius Pappe / 09.06.2020

Ich habe noch nie so viele Autos vom Ordnungsamt ( Ford aus belgischer Produktion)  in meinem Viertel ( Migrationshintergrund unter 0,1%) gesehen, wie zu Zeiten von Corona.

B. Kurz / 09.06.2020

Netter Gedanke, Herr Schneider, das mit der Akropolis in Braunschweig und La Seu in Plauen. Die Leitung für solche Großbaustellen dürfte um Himmels Willen aber nicht Deutschland überlassen werden.  Andererseits, hätte eine AkroSeu oder eine LaPolis durchaus auch ihren Reiz.

Daniel Kirchner / 09.06.2020

Die Mittelmeerhotels warten auf deutsche Gäste. Die Coronazahlen werden schon kräftig poliert. Gibt es am Ballermann jetzt Abstand und Masken? Für die Jugend eine Chance, sich zu immunisieren.

Corinne Henker / 09.06.2020

Das erinnert mich an die Antwort der SED-Kader, wenn wir DDR-Jugendlichen mal die zaghafte Frage nach mehr Freiheit stellten: “Freiheit ist Handeln in Einsicht in die Notwendigkeit.” Und die Notwendigkeit bestimmen immer noch Merkel und Maas.

Frank Dom / 09.06.2020

Merci, “Verantwortungsvolle Freiheit” ist in der Tat ein notwendiges Element für die Zufriedenheit in unserer “Gelenkten Demokratie”. Jedoch, wenn es die “Junge Freiheit” wäre, gäbe es allerdings noch ein Stück Hoffnung. Aber inhaltlich war vermutlich die “Junge Welt” gemeint? Ggf würde mich interessieren, welche inhaltlichen Vorbehalte Sie haben.

P. F. Hilker / 09.06.2020

Einheitskleidung für alle fehlt noch.

S.Niemeyer / 09.06.2020

“Wir leben immer noch am Anfang der Pandemie” Merkel 27.05.20. So hat doch manches gut funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Erreicht haben wir z.B., dass die Leute ihre individuellen Gesichter hinter hässlicher Maskierung verbergen. Ihr Sprechen haben wir dadurch auf verwaschenen Nuschelmodus umgestellt, akustisches Verstehen erschwert und so die Kommunikation deutlich reduziert. Die Nivellierung der Individualität ist vorangekommen, die gesichtslosen Wesen sind alle gleich. Zollstock und Noli me tangere sind weitgehend verinnerlicht. Die Dressur der Kinder kommt voran, und ihre Bildung haben wir erfolgreich weiter abgesenkt. Die Eingriffe in die Privatsphäre der Menschen sind etabliert, wer in seiner Wohnung wen empfangen darf, wer sich mit wem im öffentlichen Raum verabreden darf, ist geregelt. Das Wirtschafts- und Arbeitsleben konnten wir in erheblichem Umfang auf Null fahren, jetzt müssen die Menschen ihre Wirtschafts- und Arbeitsprioritäten unter staatliche “Hygiene”-Kuratel stellen, ohne Wenn und Aber. Den Kulturbereich haben wir aufgelöst. Das sind doch alles schöne Erfolge. Zur Ablenkung lassen wir ein wenig Liga-Fußball zu und fördern Demonstrationen gegen Amiland und Trump, das zieht hier immer. Dann stellt auch niemand mehr Fragen zum Schicksal der weggesperrten Betagten. Jeden Tag schicken unsere Ämter Personen für Wochen in überwachte Quarantäne, die Zahlen sind nichts für die Öffentlichkeit, sie könnten die Menschen erschrecken und von der KontaktverfolgungsApp abhalten. Als Schmankerl darf jetzt wieder verreisen, wer es sich noch leisten und nicht lassen kann, der Heiko hat es bekannt gegeben. Unser Abnickparlament befindet sich im nachhaltigen hochdotierten Koma, und das ist gut so. “Maskenpflicht und Abstandsgebot bis zum Impfstoff” Merkel 04.06.20

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