Titelschlagzeile im „Neuen Deutschland“: „Eng verbunden mit dem Volk wird unsere Partei ihren Kurs konsequent fortsetzten“ Welcher Kurs das ist, wird immer unklarer. Die SED ist zunehmend gezwungen, auf den sich entwickelnden Druck der Opposition einzugehen. Heute empfangen Vertreter des Umweltministeriums der DDR kirchliche Umweltaktivisten. Es geht um die Sondermülldeponien in der DDR. Für Westmark ist die DDR bereit, Müll, auch Sondermüll, aus westlichen Ländern aufzukaufen und zu lagern. Berüchtigt ist die Sondermülldeponie Schönberg, wo giftiger Müll unter freiem Himmel gelagert wird und die Abwässer der Deponie ungehindert in den Boden fließen, wo sie das Grundwasser verseuchen. Weil offene Müllplätze auf die Dauer zu skandalträchtig sind, begann die Regierung mit dem Bau von Sondermüll- Verbrennungsanlagen. Eine davon ist in Schöneiche bei Berlin. Die Proteste Berliner und Brandenburger Umweltgruppen konzentrierten sich in den letzten Monaten auf diese Anlage, weil nicht einmal ausreichende Filter auf den Schornsteinen montiert wurden.
Das heutige Treffen ist nicht das erste zwischen Umweltaktivisten und Vertretern von Ministerien. Zum ersten mal wurden Oppositionelle nach Protesten gegen die maroden Atomkraftwerke der DDR im Zusammenhang mit dem Reaktorunglück in Tschernobyl/ Sowjetunion von der staatlichen Atomaufsicht empfangen. Natürlich sollten die Treffen vor allem dazu dienen, die Gemüter zu beruhigen und die Parteilinie zu verteidigen. Aber dass sich die „Staatsorgane“ überhaupt gezwungen sahen, sich mit den Oppositionellen zu treffen, zeugt von ihrer sich ausbreitenden Schwäche.
Ungeachtet dessen, stehen viele Intellektuellen nach wie vor in Treue fest zum Arbeiter-, und Bauernstaat. Der bekannte DDR-Dichter Stephan Hermlin gibt dem „Spiegel“ ein Interview.
Die DDR sei auf dem Gebiet der Ökonomie ein erfolgreiches Land. Sie reife Hermlin sagt: „Wir reifen“ Es gehe ein großer Reifeprozess unter den Kommunisten vor sich. Dabei ist der Kommunismus, ohne je gereift zu sein, bereits in Fäulnis übergegangen.
Nach 24 Stunden Chaos darf Wirtschaftsminister Glos heute seinen Rücktritt einreichen. Sein Nachfolger wird der gerade erst frisch gekürte Generalsekretär der CSU Freiherr zu Guttenberg. Damit wird ein Politiker zum Wirtschaftsminister gemacht, der bisher nur außenpolitisch tätig war und vermutlich noch weniger Ahnung von Wirtschaftspolitik hat, als Glos. Es scheint sich kein ausgewiesener Fachmann bereit gefunden zu haben, unter dem gegenwärtigen staatsplanerischen Tendenzen der Großen Koalition das Fähnlein der Ordnungspolitik hochzuhalten. Die einzige Hoffnung ist, dass sich von Guttenberg als weniger formbar erweist, als von ihm angenommen wird. Ob er die Erosion der Stammwählerschaft der CDU aufhalten kann, bleibt mehr als zweifelhaft.