Der Staat als Unternehmer ist nie eine gute Wahl. Nachdem das Konzept der Riester-Rente nicht funktioniert hat, geht es jetzt um die Aktienrente. Bernhard Geißler hat einen Alternativvorschlag.
Die Aktienrente ist ein Lieblingsanliegen einer mit 4,9 Prozent periodisch am Rande des Untergangs dahertaumelnden FDP. Die Diskussion darüber, die etwas unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit läuft, zeigt mindestens zweierlei: zum einen, dass unser Rentensystem schon aus demographischen Gründen an die Belastungsgrenze kommt, wie auch der gesamte Staatshaushalt. Zum anderen, dass Einschränkungen zu erwarten sind, obwohl keiner drüber reden mag. Bemerkenswert scheint auch, dass das dramatische Anwachsen der staatlichen Pensionsverpflichtungen medial wenig aufgearbeitet wird: Es wird verbeamtet, als gäbe es kein Morgen mehr. Nun ist schon das Konzept der Riester-Rente, sagen wir es freundlich, „renditemäßig in die Hose gegangen“. Gewonnen haben dabei nur die Versicherungsanbieter. Bei der Aktienrente könnte ein weiteres Desaster drohen. Immer wenn der Staat sich als Unternehmer gebärdet, sollten alle Alarmglocken läuten.
Grundsätzlich ist der Gedanke, die eigene, immer schmaler werdende Rente – für viele nähert sie sich bedenklich dem Existenzminimum und muss ohnehin durch Bürgergeld aufgebessert werden – durch Kapitalerträge und Investitionen aufzubessern, nicht schlecht. Mein Schrauberbruder war lange Jahre Lehrlingsausbilder und hat immer das getan, was die Schulen versäumt haben. Er hat seinen Schützlingen angeraten, schon im zarten Jugendalter regelmäßig etwas in den Aktienmarkt zu investieren, auch wenn es nicht viel war, in der Erwartung, dass diese bescheidenen Sümmchen durch Zins und Zinseszins dereinst sich zu einem bequemen Polster fürs Alter auswachsen sollten. Bei nicht wenigen hat er mit seinen Ermahnungen Erfolg gehabt.
Wenn aber nun der Staat die Sache in die Hand nimmt, so ist einmal ein bedeutendes Anwachsen der Bürokratie und der zugehörigen Bürokraten zu erwarten: Anträge müssen ausgefüllt und bearbeitet werden, Investitionen überprüft und getätigt werden, und es würde keinen wundern, wenn wieder die üblichen verdächtigen Kapitalsammelstellen zwischengeschaltet würden, die erst mal an den eigenen Profit denken. Dass gerade eine FDP hier scheinbar uneigennützig fordern und fördern will, sollte einen misstrauisch stimmen. Nun hat man es als Rentner ja nicht leicht: Beim Morgenkaffee und der Lektüre der „Bild“, wo ich mit einem Vergrößerungsglas in den zittrigen Händen nach dem Nippel einer des Busenblitzens verdächtigten Spielerfrau suchte, erreichte mich die folgende Wutrede meines Schrauberbruders.
Man könnte sagen, der Schaum vor dem Mund quoll aus dem Hörer meines analogen Telefons (Ironie aus!). Aus dem Kopf zitiert, tobte er folgendermaßen:
„Die Bundestagsfraktionen reden gerade über die Neugestaltung der privaten Altersvorsorge, da die Riesterrente sich durch die Überregulierung und die gesetzlichen Einschränkungen als Flop herausgestellt hat. Sie war auch von Anfang an als Subventionierung der Finanzindustrie und als Geldquelle für dubiose Zertifizierer, Bürokraten, Steuerberater und andere Krawattenbinder gedacht. Dass für den Anleger nicht mehr als weginflationiertes Kapital übrigbleibt und das dann noch nachgelagert nominal versteuert werden muss, war alles pure Absicht und mit guter, vom Staat finanzierter Werbung vermarktet.
Der Staat lässt seine Bürger nicht von der Leine
Tja, und jetzt will keiner mehr: Die armen Krawattenträger. Da rennen natürlich die Finanzindustrie, die Verbraucherschützer und Gewerkschaften sofort zu unseren unbeeinflussbaren Politikern und versuchen, ein neues, gerechtes und den zukünftigen Rentnern zugutekommendes Produkt zu kreieren, das natürlich genügend Provision einbringt und eine ganze Menge Qualitätssiegel und eine Nachbesteuerung braucht, damit die üblichen Verdächtigen nicht zu kurz kommen. Bei einer vom Staat und seiner Bürokratie konstruierten kapitalbasierten Form werden fast alle Nutzer an Kaufkraft verlieren: Siehe Riester-Rente. Wozu haben wir die Politiker gewählt, wenn sie bei jeder Maßnahme NGOs und andere Abstauber brauchen, um eine für die Bürger vorteilhafte Entscheidung zu treffen? Ach so, die wollen auch nur mit an den Fressnapf.“
Nun gäbe es nach Ansicht meines Bruders ein ganz einfaches Mittel, die Sache voranzutreiben. Für Rentner sollte die Entnahme aus dem eigenen Anlagevermögen bis zu einer gewissen Summe steuerfrei sein. Wo nun investiert wird, sei es in Aktien, Anleihen oder in Wohnraum, sollte dem Einzelnen überlassen bleiben. Man könnte sozusagen das Problem unbürokratisch einfach per Gesetz oder Erlass regeln, ohne dass der geringste personelle Mehraufwand entstünde. Das klang so: „Jeder Bürger kann ein Depot oder einen Vermögenswert für seine Alterssicherung bis zur Höhe des 20-fachen Durchschnittseinkommens besitzen. Dieses Vermögen kann umgeschichtet werden. Einkünfte aus dem Vermögen, die vor dem 65. Lebensjahr oder vor der Verrentung entnommen werden, müssen nach den gültigen Regeln versteuert werden. In der Rentenphase sind sie steuerfrei. Der Staat und die Finanzindustrie haben unter keinen Umständen Zugriffsrechte auf das Vermögen. Der Anleger trägt für seine Finanzentscheidungen selbst die Verantwortung. Arbeitgeber können aus Unternehmensgewinnen Sonderzahlungen steuerfrei für ihre Mitarbeiter in dieses Depot einzahlen.
Eine derartige Regelung könnte auch für die Altersabsicherung von Selbstständigen interessant sein. Wichtig: Das Gesetz müsste auf maximal ein halbe Seite passen und nicht in einen Papier- und Antragswust ausarten. Übrigens bin ich dafür, dass Beamte an dem System teilnehmen und dafür ihre Pension nach ihrer Lebensleistung und nicht nach der Gehaltshöhe bei der letzten Beförderung bezahlt wird. Das würde den Kniefall vor der Politik, um die letzte Beförderung zu bekommen, ein bisschen dämpfen. Bis zur Auszahlung der ersten Gelder hätte die Politik dann genug Zeit, durch Abschaffung von sinnlosen Ausgaben die Steuerausfälle zu kompensieren.“ Warum einfach, wenn's kompliziert auch geht. Wird so was gemacht werden? Unwahrscheinlich, der Staat lässt seine Bürger nicht von der Leine.
Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder Bernhard Geißler. Der gehört zu den sogenannten Fachkräften und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Er arbeitet viel, kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.