Neulich am Telefon hat mein Schrauberbruder sich wieder mal aufgeregt. Keinen müden Euro an Steuergeldern für die NGOs! Keine Demokratieförderung, keine subventionierten Denunziationsbetriebe! Nüschte, gar nichts, niente! Und wenn überhaupt, dann nur wenig öffentlich-rechtlichen Rundfunk!
Würde man die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik und die sich deutlich abzeichnende Krise mit einem noch unter Wasser schwimmenden Wal vergleichen, müsste man jetzt aus der Sicht des Harpunierers in Moby Dick: „Er bläst!“ ausrufen. Noch ist das Untier unter Wasser, aber die Atemfontäne schießt auf und das Auftauchen der Bestie steht bevor.
Wie die Leser alle wissen, geht mein Schrauberbruder jeden Montag zum Montagsspaziergang mit anschließendem Umtrunk auf dem Marktplatz eines gemütlichen Schwabenstädtchens, das aber in der näheren Umgebung zu einer Art Zentrum anti-coronaren Aufruhrs geworden ist. „Aufruhr“ ist vielleicht zu viel gesagt, nicht einmal mehr ein einziger Polizist findet sich zu Begleitung und Verkehrssicherung ein, aber der montagabendliche Schwatz nach dem Umzug ist eindeutig eine Veranstaltung zur politischen und gesellschaftlichen Willensbildung: eine Art Megastammtisch, über den die offizielle Politik schon lange nicht mehr die Deutungshoheit hat. Und der Pfarrer schon gar nicht!
Oft geht es natürlich auch um Arbeit und Beruf. Ein ehemaliger Mitschüler der Technikerschule, die mein Bruder vor Urzeiten absolvierte, erzählte, dass es in seiner Firma, einem Hersteller von Alufenstern und Alufassaden, zu Entlassungen kommen soll. Der Bauindustrie fehlt es an Anschlussaufträgen. Die quasi Vervierfachung der Hypothekenzinsen bremst so manches Projekt, und die Verunsicherung bei Dämmungs- und Heizungsfragen tut ein Übriges. Die Devise lautet: Lieber nichts tun als das ohnehin Falsche. War noch vor Monaten auch mit Bitten und Flehen kein Handwerker zu bekommen, so untersuchte der Chef eines lokalen Bauunternehmens stante pede die Machbarkeit eines Miniauftrags in der Wohnanlage meines Bruders: Kellerschächte sollten mit geringem Aufwand überflutungssicher gemacht werden. Offensichtlich gab’s ausreichend freie Kapazitäten für den Job. So schnell ändern sich die Zeiten.
Geschimpft wurde über den Wahnsinn der heutzutage geforderten Zertifizierungen und der Notwendigkeit, ständig nachzuweisen, dass man die Umwelt und Klimavorgaben einhält und am besten noch überbietet. Dazu werden externe Firmen beauftragt, die dann Zertifikate ausstellen und den gewünschten Aufkleber, wie die Hostie in der Messe, austeilen, der Nachhaltigkeit und Rechtschaffenheit des Herstellers nachweisen soll. Auf die Frage, wie das bei einem so hervorragenden Wärmeleiter, wie Aluminium, funktionieren soll, der schon bei der Herstellung Unmengen von natürlich „klimaneutral“ produzierter Energie verbraucht, lächelte der alte Schulfreund nur wissend. So weit zur ländlichen Bauwirtschaft und ihren Zulieferern.
Möglichst wenig machen, aber auffallen
Neulich am Telefon hat mein Schrauberbruder sich wieder einmal aufgeregt. Das tut er öfter. Dann wird er etwas altbayrisch in der Diktion. Diesmal über die Zivilgesellschaft – oder manche sagen, je nachdem, auch Bürgergesellschaft. Unser Vorbeter Steinmeier liebt dieses Wort besonders. Also eine Zivilgesellschaft gibt‘s auch in China, aber nicht so wie bei uns, halt mehr in Honkong, aber vor allem in Berlin: In Moskau gibt es auch Zivile, aber die machen eh rüber und zivilisieren sich da in aller Ruhe. Gehört der Söder da dazu? So ganz zivil benimmt er sich nicht immer. Die Bürgergesellschaft könnte man durch Bürger- oder Volksentscheide fördern, aber das will im Grunde auch keiner, weil dann vielleicht rauskäme, dass die Bürger das, was die Zivilgesellschaft will, nicht so in dem Maß wollen. Eine Maß täten sie schon wollen, aber… sie verstehen schon!
Deswegen muss die Zivilgesellschaft ja pädagogisch tätig werden und die renitenten Bürger belehren und führen, und das tun die Organe der Zivilgesellschaft, die NGOs. Die Nichtregierungsorganisationen und deren verlängerter und öfter auch mit einem Knüppel versehener Arm, sie wissen schon: halt junge Idealisten, die gab es immer schon, die gerne kleben und malen, weil sie es vielleicht im Kindergarten zu wenig gemacht haben. Die Leutchen in den NGOs streben nun nach beamtenähnlichen Anstellungsverhältnissen, das heißt schlau daherreden und möglichst wenig machen, aber auffallen. Deshalb versteht sich ja der Staat, also der militärische Arm... naja, das kann man so auch nicht sagen, wir bringen schon alles durcheinander bei der verstaatlichten Zivilgesellschaft. Ob der Broder drin wär? Kann bezweifelt werden. Schrauber sind eher nicht drin, die haben anderes, wir wollen nicht sagen Besseres zu tun. Man kann da so richtig ein kleines Spiel machen: Wer wäre in der Zivilgesellschaft und wer nicht: Der Orban auf jeden Fall nicht, aber der Böhmermann sicherlich. Die Jungs von der freiwilligen Feuerwehr? Fußvolk braucht’s immer, und für den Hauptmann hat der Steini vielleicht auch mal eine Medaille. Aber insgesamt ist Feuerwehr nicht so cool, wie zum Beispiel Wale retten.
Was sagt denn Wikipedia? „Zivilgesellschaft bezeichnet umgangssprachlich einen Teilbereich der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, in dem in Abgrenzung von Staat und Privatwirtschaft soziale Aktivitäten und Zusammenschlüsse weder der Erringung und Ausübung politischer Macht einerseits noch der Erwirtschaftung von materiellen Gütern und Profit andererseits dienen. In einem engeren Sinn bezeichnet Zivilgesellschaft also die Advocacy von Nichtregierungsorganisationen. In einem weiteren Sinne werden auch Vereinsarbeit, freiwilliges und ehrenamtliches Engagement, Bürgerbeteiligung sowie Wohlfahrtsverbände und Stiftungen zur Zivilgesellschaft gezählt.“
Keinen müden Euro an Steuergeldern für die NGOs
Na, profitieren kann man als Arbeiter im Weinberg der Zivilgesellschaft schon, und was Advocacy ist, wüsste ich auch gerne. So wie Klüngel oder derartiges?
Manchmal kann man heutzutage ja Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft nicht mehr richtig unterscheiden. Und die Presse? Der alte Bismarck hatte da so einen Reptilienfonds, um die Journaille zu einem gewissen Gleichschritt zu bringen. Was unsere Politik mit den NGOs und der faktengecheckten Presse auch schafft.
Schraubermeinung ist auf jeden Fall: Keinen müden Euro an Steuergeldern für die NGOs. Keine Demokratieförderung, keine subventionierten Denunziationsbetriebe, keine Faktenchecker: Nüschte, gar nichts, niente! Noch nicht mal einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Und wenn: Nachrichten und ein paar Tierfilme und Ende!
Aber man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben. Die Allergrünsten waren ja gerade im Urlaub oder sind abgetaucht. Der Cem und der Robert machten bei den Indianern den Lübke und wurden angemalt wie beim Kindergeburtstag, wobei man sich, so wie manche Grün/innen reden, sowieso vorkommt, wie bei Mutti seligen Gedenkens oder im Stuhlkreis beim Krippenelternabend. Aber apropos: Ist das Angemale nicht kulturelle Aneignung und böseböse? Aber mei: Der Robert und der Cem sind halt Häuptlinge und müssen es zeigen, und am Benz oder BMW der Fahrbereitschaft kann man’s im Gegensatz zur Spree am Amazonas nicht sehen.
Da soll es Krokodile geben, wie im Kaspertheater, aber muss man das einem Kinderbuchautor sagen? Aber ist Ihnen das auch schon aufgefallen: Von der Annalena hört man eher wenig und wenn, dann immer das Gleiche. Hat der jemand den lateinischen Spruch vom „Wenn du geschwiegen hättest, dann wärst du Philosoph/in geblieben“ erklärt. Wenn ihr Latein so ist wie ihr Englisch, dann braucht’s schon pädagogisches Einfühlungsvermögen. Aber das weiß ich als Lehrer: Mit genügend Zeit kann man jedem fast alles erklären. Außer Mathe natürlich. Aber wie auch immer, man hört und liest wenig von der Annalena. Irgendwas war da mit feministischer Außenpolitik. Ist da die Stylistin gemeint, die sie sich hält für ein Schweinegeld, wie man hört? Der Robert probiert es mit einem Fotografen. Verwuschelter kriegt ihn auch eine Fachkraft nicht hin. Aber egal. Auf jeden Fall scheint es, als hätten es die Grünen mit ihren Heizungsplänen etwas übertrieben. Ich glaube, die Hütte brennt lichterloh.
Wir werden sehen.
Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte.