Hubert Geißler, Gastautor / 30.12.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 32 / Seite ausdrucken

Neues vom Schrauber: „Lauwarmer Generalstreik.“

Es gibt in unserem Land eine Schicht, über die, oder besser über deren zunehmendes Fehlen, viel geschrieben wird: Die sogenannten Fachkräfte, Techniker, der gut ausgebildete Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Heute geht es um die Demotivierung der produktiven Arbeitsleister.

Montag abends um 19:00 Uhr hat mein Bruder einen festen Termin. In seinem Heimatort, einer schwäbischen Kleinstadt mit knapp über 8.000 Einwohnern, findet ein Coronaspaziergang statt. Letzten Winter, in den Hochzeiten der coronaren Hysterie nahmen zeitweise mehr als 1.000 Bürger an diesem Rundlauf durch das Städtchen teil, den Sommer über waren es so gegen 100. Aufhören wollte man nicht, die Sache hatte sich zu einem gesellschaftlichen Event entwickelt, mit Bierausschank auf dem Marktplatz und jetzt, bei kühleren Temperaturen, mit Glühwein aus der eigentlich geschlossenen Eisdiele. Ich rufe danach regelmäßig meinen Bruder an und lasse mir berichten, was das Volk so spricht und denkt.

Den Leuten scheint vor allem ein Phänomen im Magen zu liegen, das mein Bruder als Gerechtigkeitsdefizit bezeichnet. Sie haben den Eindruck, mehr und mehr von der Regierung, den „Oberen“ nur noch als Arbeitsheloten behandelt zu werden, die immer mehr gemolken werden und deren sauer verdienter Lohn großzügigst in der Welt verteilt wird, ohne ihnen selbst noch im geringsten zugute zu kommen. Im Gegenteil: Der „Normalo“ hat das Gefühl, tendenziell mit seinen Werten und Ansichten in die rechte Ecke gedrängt zu werden.

Ich will das an zwei Phänomenen erläutern, die dabei öfter zur Sprache kommen. In der Presse konnte man erfahren, dass die Ampelregierung über 10.000 neue Stellen in Behörden und Ministerien geschaffen hat. Das Ziel ist offensichtlich, in die Beamtenschaft eigene Leute zu implantieren und damit die eigenen Positionen auch auf der Verwaltungsebene abzusichern. Nun ist ein derartiges Vorgehen nicht nur typisch für die jetzige Regierung, auch die vorige hat kurz vor ihrem Abtreten loyale Leute großzügigst auf Kosten der Steuerzahler befördert.

10.000 sind nun eine ganze Menge, zumal die vermutlich nicht für das Salär einer Altenpflegerin arbeiten, sondern sich einen größeren Schluck aus der Staatspulle genehmigen. Zum Personal kommen auch noch Kosten für Büros, Hardware, Büroklammern und Radiergummis. Das Volk nun ist der Meinung, dass diese personelle Aufstockung keineswegs zu einer größeren Effektivität führt, eher im Gegenteil: Die nachzuholende Berlin-Wahl kann man auch als Behördenversagen interpretieren. Unter anderem! Auch vom Sondervermögen für die Bundeswehr hört man Seltsames.

Ämterpatronage ist ein Grundanliegen des Parteienwesens

Der einfache Bürger merkt aber allenthalben im eigenen Geldbeutel, dass Sondervermögen einfach zu bezahlende Schulden sind. Krankenkassenbeiträge gehen hoch, weil immer mehr Leistungsberechtigte auftauchen, die Grundsteuer dürfte für die meisten nicht zu einer Ersparnis führen, und die fast aus dem Nichts erscheinende Reform der Erbschaftsteuer verspricht nichts Gutes. 

Empfunden wird eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen denen, die hierzulande noch produktive Arbeit leisten und dafür mit unzureichenden Renten und schmaler Kost abgespeist werden und einer Bürokratenschicht, die ihre Aufgaben noch nicht einmal reibungslos erfüllt. Dass die Ämterpatronage, das heißt das Versorgen der Spezis und Parteigenossen mit lukrativen Posten, ein Grundanliegen des Parteienwesens ist, wusste schon Max Weber. Mich erinnert der Vorgang in seiner Konsequenz an die Geschichte von Menenius Agrippa aus meinem Lateinunterricht von anno dazumal.

Die römischen Plebejer traten in Streik, weil sie sich ausgebeutet fühlten und zogen aus Rom aus. Der Staatszusammenbruch drohte schon damals. Der Konsul Menenius Agrippa konnte sie aber mit dem Gleichnis vom Magen, der die Nahrung verteilt und von den Gliedern, die sie herschaffen, zur Rückkehr bewegen. Ohne Magen sollte es angeblich nicht gehen, schon damals gab es offensichtlich den Umverteilungsstaat. Die Frage ist, ob unser Staatswesen nicht langsam einem Riesenmagen auf Spinnenbeinchen gleicht? 

Frühverrentung und Steuervermeidung durch Halbtagsjobs wird immer populärer. Kleinunternehmer geben ihr Geschäft auf: zu viele Vorschriften, zu drückende Steuerlast. Das Bürgergeld dürft ein Übriges tun. Auch mein Bruder meint, wenn er die Steuer in seinem jetzigen Halbtagsjob mit der vorher vergleicht, beschliche ihn eine klammheimliche Freude. Der große Magen wird auf Diät gesetzt. Keiner hat mehr Lust, die von einer woken Politik geschaffenen Bullshitjobs zu bezahlen. Man spart eben, und dadurch fährt das System nur noch schneller an die Wand. Auf Konsumverzicht ist der Kapitalismus nicht eingerichtet.

Der Besitzer sieht den Wert seines Häuschens bedroht

Ein weiteres Thema, das den Leuten im Magen liegt, ist ist die Situation auf dem Immobilienmarkt und die drohende Reform der Erbschaftssteuer. Leute, die im Moment ihr Hypothekenverträge erneuern müssen, sind in einer kniffligen Situation. Zu einer Vervierfachung der Zinsen kommt nun eine erhöhte Grundsteuer und ein erheblicher Mehraufwand für Energiekosten. Gerade weniger betuchte Kreise, die sich ihr Häuschen oder ihre Wohnung nur knapp leisten konnten, dürfte das in Bedrängnis bringen.

Und: Will man seine Immobilie vererben, droht das nächste Ungemach. Die geltenden Freibeträge sind bei der maßlosen Steigerung der Grundstücks- und Gebäudepreise schneller ausgeschöpft und die Berechnungsgrundlagen, ab denen ein Erbe steuerpflichtig wird, werden natürlich zugunsten des Staates verändert.

Der Hausbesitzer, der sich nicht selten seine Immobilie durch spürbaren Konsumverzicht fast vom Munde abgespart hat, in der Hoffnung, für seine Erben was zu hinterlassen, sieht den Wert seines Häuschens bedroht. Zwar muss es den Erblasser im Sarg nicht jucken, aber man denkt ja doch an seine Kinder. Schon jetzt sind die Zeitungen voll von Ratschlägen, wie man noch vor Jahresanfang Eigentum übertragen könnte. Eingeweihte bezweifeln allerdings, dass man vor dem 1.1.2023 noch einen Notartermin bekommen kann, geschweige denn eine Grundbuchänderung realisierbar ist.

Die 10.000 neuen Sesseldrückenden wandern sicher nicht in die überlasteten Amtsgerichte. Meine Stieftochter ist Rechtspflegerin, ich weiß wovon ich rede. „Lauwarmer Generalstreik“, so lautete der Titel dieses Beitrages, und es dürfte nunmehr klar sein, was damit gemeint ist: Produktive Arbeit lohnt sich immer weniger, und immer mehr Leute ziehen, wenn sie können, die Konsequenzen und arbeiten weniger oder gar nicht mehr. Warum auch? Nur um den staatlichen Blähbauch zu füttern? Um das „gemeine Volk“ zur Arbeit zu motivieren, müsste einiges passieren. Aber die Malocherschicht wird von der Politik kaum mehr vertreten. Das müsste auch unser Kanzler kapieren, der die grassierende Frühverrentung bejammert.

Hubert Geißler stammt aus Bayern war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Die beschriebenen Situationen sind realistisch und gehen auf Gespräche mit seinem Bruder, einem Machinenbautechniker, zurück.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Albert Martini / 31.12.2022

Und zusätzlich ab dem ersten Januar den Staatsfunk auf Diät setzen. Da scheint sich auch was zu entwickeln…

Andreas Bitz / 30.12.2022

Die Arbeitsreduzierung bis zur -verweigerung betrifft weite Bevölkerungskreise. Sie sind woanders sicherlich viel weiter verbreitet als im Schwäbischen der Schrauber. Von der Spaltung des Volkes in produktiv Wertschöpfende einerseits und der von ihnen Alimentierten andererseits spricht Niemand. Und: die Ab- und Auswanderung gerade der Produktiven und ihre Motive darf aus guten Gründen kein Thema in den Medien sein.

A. Ostrovsky / 30.12.2022

Schrauber sind meistens gar nicht lauwarm. Oder war das auf den General bezogen? Da gab es mal eine Kissling-Affäre. Was ist da überhaupt der letzte Stand? War das eine Geheimdienst-Sauerei, oder eine echte?

Sam Lowry / 30.12.2022

Ich erinnere mich (als Schrauber): Stand eine Frau vor dem Arbeitsamt, ihr Auto sprang nicht an. Ich bat um eine Nagelfeile und darum, mir bitte die Motorhaube zu öffnen. Verteilerkappe ab, Kontakte sauber geschliffen, sprang sofort wieder an. “Danke, Tschö!” Schrauber sind nichts mehr wert. Und 2023 noch weniger…

Stefan Hofmeister / 30.12.2022

@Günter Hölzer “D + EU machen ‘es’ höchstens noch 20 Jahre.” - Dito, nach meinem Stipendium in Japan vor 20 Jahren mit sehr vielen chinesischen Kommilitonen. Inzwischen habe ich Takatukaland verlassen, ich zahle doch nicht wie blöde und bekomme nichts für, und die anderen zocken ab wie blöde! Ich kann meine Steuern auch wo anders zahlen ...

Arno Josef / 30.12.2022

„Quiet Quitting“ ist der amerikanische Ausdruck für so etwas wie Dienst nach Vorschrift. Das gab es zwar schon immer, aber gibt es immer öfter. Was haben wir den erlebt? Da gab und gibt es die Arbeitszeitverkürzung mit vollem oder teilweisem Lohnausgleich, Frühverrentung, Altersteilzeit, Sabbatical, Work Life Balance, gesetzlicher Anspruch auf Teilzeit und Rückkehr, ... . So gescheite Lust an der Arbeit will nicht aufkommen. Und was passiert, wenn man mehr arbeitet? Man wird dafür bestraft! Mehr Steuern, mehr Sozialbeiträge, Inflation, ... ! Wer mit Arbeit nichts am Hut hat, kommt auch über die Runden. Nicht dass wir uns falsch verstehen, ich will mit denen nicht tauschen, aber irgendwann schlägt einem das echt auf das Gemüt. Und noch was! Ich verfolge rege die Ausschreibungen von Städten, Kommunen, Ländern und dem Bund. Was wird gesucht? IT-Fachleute, für Kleingeld, Techniker für Kleingeld und jede Menge Personal für soziales Gedöns, das in der “hüteren” Gehaltsklasse angesiedelt ist. Beispielhaft eine m/w/d als Kontaktperson für die Aachener Studentenszene mit einschlägiger Erfahrung (Bereitschaft zur Arbeit in Abend- und Nachtstunden). Das liest sich wie Hobby zum Beruf! Aber so langsam entspanne ich. Der Altersdurchschnitt unserer 360 Mann Abteilung ist bei ca. 51 Jahre. Gemobbt wird man ab 55 Jahre, obwohl es keine Altersdiskriminierung lt. Konzernregeln gibt. Aber in Bälde gehen viele auch freiwillig, so wie ich. Die Gesellschaft wird mit den Konsequenzen ihres Handelns leben, wenn sie den Rattenfängern hinterherläuft, die ohne Abschluss und Qualifikation den Weltuntergang predigen und doch die Herrschaft des Sozialismus meinen!

Bernhard Büter / 30.12.2022

Das kriegen die grün-roten Sozialisten nicht hin: Ein ordentlich geführter Staat ist leise, unaufdringlich, sparsam, schlank, nur am Wohl der eigenen Bürger interessiert, fördert Leistung, Unternehmertum, Bildung und garantiert eine optimale ärztliche Versorgung. Er achtet die Verfassung, ist gesetzestreu, belehrt und lügt nicht und sieht ein breitbandiges politisches Spektrum immer positiv als Motor der lebendigen Demokratie. Er erlaubt weder Zensur noch ein Regierungs-TV und versperrt ideologische Ideen von Parteien den Zugang zur Staatsführung. Und das Wichtigste zum Schluss: Ein ordentlich geführter Staat braucht selbstdenke Wähler mit Verantwortungsbereitschaft und der Fähigkeit, insbesondere an der Wahlurne, Nein zu sagen. Und nun gucken Sie sich dieses grün-rote Deutschland mal mit offenen Augen an. Ein zusammengewähltes Staatsversagen der Feiglinge und Dummschwätzer. Ein ÖR Totalversagen. : Der Deutsche-Wähler ist meist dumm, unwissend und feige. Er ist am liebsten Unter-Tan und glaubt alles, was im Fern-Sehen gelehrt wird. Er lässt sich Krank-und-Tot-Spritzen mit Experimentier-Flüssigkeiten und trägt Staub-Schutz-Masken der Hand-Werker, wenn Idioten ihm das sagen. Am meisten hasst er Selber-Denken. Und er glaubt immer an End-Siege. Mir der Demo-Kratie kann er gar nichts anfangen. Als guter Deutscher weiß er auch nicht mal, was das bedeuten soll. (in einf. Sprache).

Oliver König / 30.12.2022

So ist es, Alexander Damaskinos. Erst jahrelang seine Metzger eählen und dann rumjammern. Wie bestellt, so geliefert.

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