Der Schrauber war gestern bei der Bauern-Demonstration in Donauwörth. Doch es waren nicht nur Bauern auf der Straße, es wirkte wie ein kleiner Aufstand der produktiven Bevölkerung, trotz des medialen Framings. Dabei spielte der Vorsitzende des Bauernverbandes eine wichtige Rolle. Wer ist der Mann eigentlich?
Mein Schrauberbruder und ich haben über die spontane Treckerdemo in Augsburg berichtet und diejenige am 8. Januar in Donauwörth angekündigt. Natürlich kann Donauwörth nicht mit Berlin, Erfurt, Dresden oder Stuttgart verglichen werden, dennoch sind einige Details berichtenswert. Selbstverständlich war mein Bruder vor Ort. Da die Straßen vermutlich verstopft sein würden, machte er sich mit Freunden vom nahegelegenen Bahnhof Meitingen auf den Weg.
Auf der Festwiese, dem zentralen Versammlungsort, waren nach Schätzung etwa 250 Traktoren, wobei viele gar nicht auf das Gelände kamen, und etwa 500 Demonstranten versammelt. Der parteilose Bürgermeister der Stadt solidarisierte sich mit den Bauern. Auffällig war die Anwesenheit vieler Handwerker in ihrer Arbeitskleidung.
Ansprachen hielten unter anderem ein Bauernvertreter, der sich vor allem über die überbordende Bürokratisierung beklagte. Nicht einmal das Landwirtschaftsamt könne sich im real existierenden Antrags- und Verordnungsdickicht auskennen. Ein Metzgermeister hielt eine Rede: Seine bäuerlichen Lieferanten könnten nicht mehr kostendeckend produzieren und dächten ans Aufhören. In Zukunft würden dann die Schweine aus Spanien angekarrt. Ob das im Sinne des Klimas und der Ökologie sei, wurde infrage gestellt.
Interessant war auch die Rede eines Wirtes. In seiner 6.000-Einwohner-Gemeinde sei er der einzige verbliebene Gastronomiebetrieb, die Kollegen würden reihenweise schließen. Auch er wisse nicht, wie er nach der Mehrwertsteuererhöhung und der allgemeinen Teuerung weitermachen solle.
Eines ist auf jeden Fall klar: Bei diesem Protest geht es nicht mehr nur um Agrardiesel oder Steuerbefreiung. Es handelt sich um einen Aufstand der produktiven Bevölkerung, der zumindest auf dem Land von der Mehrzahl der Bürger getragen wird.
Die neuen Bauern
Die heutigen Bauern sind auch nicht mehr die von vor 50 Jahren: Viele sind Landwirtschaftsmeister, haben sogar studiert und kennen sich bestens mit KI, Internet und dergleichen aus. Landwirtschaft ist heute eine Tätigkeit in einem mittelständischen Unternehmen, das war der Qualität der Redebeiträge anzumerken. Die Landwirte sprachen frei von der Leber weg, mit viel Detailkenntnis, und erhielten den verdienten Beifall.
Interessant war die Berichterstattung in den lokalen Medien, im Wesentlichen den regionalen Ablegern der Augsburger Allgemeinen. Deren Hauptthema waren die zu erwartenden Verkehrsbehinderungen, nichts mehr: Keine Interviews mit den Bauern, keine Hintergrundrecherchen, nada, nichts. Hier ein Zitat aus den Rieser Nachrichten vom 8.1.: „Das Landratsamt teilt am Freitag mit, beide Versammlungen seien rechtzeitig und ordnungsgemäß angemeldet worden. Am Donnerstag habe es darüber hinaus ein sogenanntes Kooperationsgespräch mit den Veranstaltern und Vertretern der beiden Großen Kreisstädte sowie der beiden Polizeiinspektionen gegeben. Dabei wurden – soweit möglich - insbesondere verkehrslenkende Maßnahmen und weitere Auflagen einvernehmlich festgelegt. Dennoch sei aufgrund der zu erwartenden Menge an beteiligten Fahrzeugen vor allem im Zuge der An- und Abfahrten zu den Veranstaltungsorten mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen. Von den Veranstaltern werde mit einer Teilnehmerzahl von jeweils um die 250 Personen und bis zu 150 überwiegend landwirtschaftlichen Fahrzeugen gerechnet, wobei ein Teil im Anschluss an die Versammlung in Nördlingen nach Donauwörth weiterfahren wird.“
Abgesehen davon, dass wohl doppelt so viele Teilnehmer da waren, war das alles, was die Presse im Wesentlichen zu sagen hatte.
Dann wurde gewarnt und gedroht. Der bayerische Innenminister Herrmann warnte vor dem rechten Gesocks. Auch ein Zitat aus der Augsburger Allgemeinen:
„Zu Beginn der Protestwoche der Bauern haben führende Politiker die Landwirte zur Mäßigung aufgerufen und vor einer Unterwanderung durch rechtsextreme Kräfte gewarnt. 'Protest ist erlaubt, aber der Versuch der Unterwanderung durch radikale und völlig irre Kräfte ist leider Realität', sagte Lars Castellucci (SPD), der als Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag über die Sicherheitslage unterrichtet ist, unserer Redaktion. 'Dagegen hilft nur glasklare Distanzierung: eine rote Linie zwischen Protest und Radikalisierung, also Protest gerne laut und wahrnehmbar, aber keine Gewalt, keine Gewaltandrohung, keine Nötigung, Respekt vor Sicherheitsbehörden.'"
Mehr fiel ihnen nicht ein. Eins ist klar: Natürlich wissen die CSU-Granden, dass gerade in ländlichen Bezirken Hubert Aiwanger und auch die AfD bemerkenswerte Ergebnisse bei der Landtagswahl eingefahren haben. Das Land war früher für die CSU eine „gemähte Wiese.“ 70 Prozent und mehr waren die Regel, und die Sozis im Dorf kannte man persönlich. Das ist vorbei, untergegangen mit dem sonntäglichen Kirchenbesuch und dem Frühschoppen, in Ermangelung einer Wirtschaft. Da sind natürlich einige Mandatsträger grundbeleidigt. Und wir prognostizieren, dass sich der Unmut der ländlichen Bevölkerung schon demnächst in Wahlen in den Ergebnissen niederschlagen wird.
Der gut vernetzte Bauernpräsident
Den Vogel schießt natürlich Herr Habeck ab: Die Welt vom 8.1. schreibt: „Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einer Kaperung der Bauernproteste durch extreme Kräfte gewarnt und zum Schutz der Demokratie aufgerufen. Der Grünen-Politiker sagte in einem auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums: 'Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt.'"
Ich erspare mir den Kommentar. Das wird so nach hinten losgehen wie die Aiwanger-Affäre. Hubert hat sich übrigens als einer der wenigen Politiker deutlich pro Proteste geäußert: Und auch verstanden, dass es hier um Grundsätzliches geht.
Die Amigo-Verbindungen zwischen CDU/CSU und Bauernverband werden sich wohl nicht weiter auszahlen. Der Präsident des Verbandes Rukwied hat sich quasi für die Proteste entschuldigt und natürlich gemahnt, wie unser Bundespräsident auch. Was man zu Rukwied wissen muss, findet man bei Wikipedia:
„Rukwied war von 1994 bis 2009 für die CDU Abgeordneter im Eberstadter Gemeinderat und Bürgermeister-Stellvertreter sowie von 2003 bis 2009 Abgeordneter im Kreistag des Landkreises Heilbronn. Diese Ämter gab er von sich aus ab, um sich auf die berufsständischen Aufgaben zu konzentrieren. Dies betrifft auch seine Funktion als Ortsvorsitzender der CDU Eberstadt.
(…)
Rukwied ist Mitglied des Aufsichtsrats der BayWa AG, des Softwareunternehmens Land-Data GmbH und Mitglied im Aufsichtsrat der Südzucker AG.
(...)
Rukwied hält acht vergütete Mandate in Aufsichts- und Verwaltungsräten, z. B. bei der Messe Berlin, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und zwei landwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen. Rukwied erhielt als Aufsichtsratsmitglied bei Südzucker 60.000 €, vom Agrarhandelskonzern BayWa erhielt er 48.152 €. Nach Recherchen des Magazins Monitor soll er im Jahr 2020 durch Aufsichtsratstätigkeiten 167.000 € erhalten haben.
Der Bauernverband ließ über eine Rechtsanwaltskanzlei mitteilen, dass die von Monitor aufgelisteten Bezüge „nicht den tatsächlichen Gegebenheiten“ entsprächen und auch nicht veröffentlicht werden dürften. Es handele sich um „Nebentätigkeiten“, die der Präsident des Deutschen Bauernverbandes in seiner Freizeit erwirtschafte, daher bestehe „kein öffentliches Interesse“.
Scheint sich nicht schlecht zu rentieren, die Vernetzung. Untypisch ist es wohl auch nicht. Aber auf die Dauer haltbar auch nicht. Jetzt streiken auch noch die Lokführer nächste Woche. Wer weiß, wo das noch hinführt. 'Schaun mer mal, dann sehn mer schon', hat Beckenbauer mal gesagt. Recht hat er.
Hubert und Bernhard Geißler
Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder.
Bernhard Geißler gehört zu den sogenannten Fachkräften und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Der arbeitet viel, kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.