Die Landesmedienanstalten wollen offenbar Youtube-Kanäle kontrollieren. Wer audiovisuelle Inhalte im Internet verbreitet, könnte nach deutschem Gesetz ein Telemedien-Anbieter sein und bräuchte demnach eine – selbstverständlich gebührenpflichtige – Rundfunklizenz der für ihn zuständigen Landesmedienanstalt. Die Behörden wollen aber nicht in erster Linie Gebühren für Lizenzen kassieren, sondern – so sagen es einige ihrer Vertreter ganz offen – sie sehen sich mit dem Lizenz-Instrument in der Hand auch zum Kampf gegen „Fake-News“ und „Hate-Speech“ berufen. Denn eine der wichtigen Aufgaben der Landesmedienanstalten ist auch die Medienaufsicht. So könnte doch noch Schritt für Schritt ein Kontrollorgan für Internet-Inhalte etabliert werden.
Als zum Jahresanfang Vertreter der Bundesregierung laut darüber nachdachten, Falschnachrichten den Kampf anzusagen, da standen sie vor der Frage, wer im Ernstfall definiert, was nun richtig und was falsch ist. Als es an der Idee einer amtlich zertifizierten Wahrheit harsche Kritik in der Öffentlichkeit gab, war davon nicht mehr die Rede. Im Gegenteil, Ministerien dementierten, je die Gründung einer mit Wahrheit und Lüge befassten Behörde geplant zu haben. Sollen nun die Landesmedienanstalten diese Rolle mit übernehmen? Wer gegen Fake-News vorgehen will, muss definieren, was richtig und was falsch ist. Ginge es nur um nachweisbar falsche Tatsachenbehauptungen, die jemanden direkt schaden, dann würden ja die Rechtsmittel des althergebrachten Presserechts vollkommen ausreichen.
Doch es geht offenbar um mehr. Ebenso mit dem schwammigen „Hate-Speech“-Begriff. Wenn es sich um Volksverhetzung, Beleidigung oder Verleumdung handelt, so lässt sich das nach gültigem deutschen Recht in einem rechtsstaatlichen Verfahren ahnden, ohne dass man neue Zuständigkeiten braucht. Unter der Verwendung des Etiketts „Hate-Speech“ will man aber offenbar Aussagen eliminieren, die vor dem Gesetz bislang als grundgesetzlich geschützte freie Meinungsäußerung gelten, die man in einem freien Land zu ertragen hat.
"Rundfunkangebot ohne Zulassung"
Doch zurück zu den Landesmedienanstalten. Die setzten jetzt mit ihrem Vorhaben, eine Zuständigkeit für Youtube-Kanäle zu bekommen, zunächst an einer Stelle an, bei der niemand argwöhnt, dass am Ende auch in politisch relevante Inhalte eingegriffen werden könnte: „Piet Smiet“, ein Youtube-Kanal für Gamer mit immerhin 2,1 Millionen Zuschauern wurde von der Landesanstalt für Medien in NRW ultimativ aufgefordert, bis zum 30. April eine Rundfunklizenz zu beantragen. Sie seien mit ihren gestreamten Inhalten eindeutig ein Rundfunkanbieter. In deutscher Amtsprosa liest sich das so:
„Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten hat in ihrer heutigen Sitzung in Berlin das Internetangebot „PietSmietTV“ beanstandet und wird es untersagen, wenn bis 30. April kein Zulassungsantrag vorliegt. Bei dem Angebot handelt es sich um einen Streaming-Kanal, der an sieben Tagen pro Woche über 24 Stunden überwiegend „Let’s Plays“, die das Spielen von Games zeigen, verbreitet. Der Kanal, der auf der Plattform Twitch.tv läuft, ist aus Sicht der ZAK ein Rundfunkangebot ohne Zulassung.“
Man könnte dies jetzt als eine absurde Geschichte überbordenden deutschen Amtseifers abtun. Nur wenige Berichterstatter haben denn auch die Brisanz des Vorgangs so klar erkannt, wie Michael Hanfeld in der FAZ. Er verweist auf die Agenda des neuen Direktors der NRW-Landesrundfunkanstalt, Tobias Schmid:
In seiner neuen Aufgabe hat er sich, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt, viel vorgenommen: Er will zeigen, wie weit der Rundfunkbegriff im Internet reicht, also wer dem Verständnis der Medienaufsicht nach Rundfunk macht und entsprechend eine Rundfunklizenz braucht. Und er will dafür sorgen, dass die Landesmedien als Aufsicht gefragt sind, wenn es um Hassrede und Falschnachrichten im Netz geht.
Die audiovisuellen Medien, sagt Schmid, seien grundsätzlich gleich zu behandeln. Für Plattformen im Netz gälten dieselben Grundsätze wie für – andere – Medienunternehmen. Den Landesmedienanstalten falle die Aufgabe zu, für die Achtung der Menschenrechte, Vielfalt, Jugend- und Nutzerschutz zu sorgen. Die rechtliche Grundlage dafür bietet der Landesmedienanstalt in Düsseldorf das Landesmediengesetz NRW. Dieses hält in Paragraph eins fest, dass sämtliche Vorschriften nicht nur für den Rundfunk, sondern auch für „Telemedien“ gelten.
"Was aussieht wie Rundfunk, ist Rundfunk."
Doch was ist im Internet ein lizenzpflichtiges „Telemedium“ und was nicht? Auch da gibt es von Tobias Schmid eine klare Aussage: „Was aussieht wie Rundfunk, und sich bewegt wie Rundfunk, ist Rundfunk.“ Das hieße, dass auch journalistisch professionell produzierte audiovisuelle Youtube-Formate unter Lizenzpflicht und Medienaufsicht fallen könnten.
Die ZAK formuliert das in einem Erläuterungspapier beruhigend so:
„Audiovisuelle Bewegtbildangebote werden aber nur dann als Rundfunk eingestuft, wenn sie
- linear, also live verbreitet werden,
- von mehr als 500 Zuschauern/Usern gleichzeitig gesehen werden können,
- redaktionell gestaltet sind und
- „entlang eines Sendeplans“ regelmäßig und wiederholt verbreitet werden.
Ein Anbieter kann seinen audiovisuellen Mediendienst immer auch so gestalten, dass er die Schwelle zum Rundfunk nicht überschreitet. Dann entfällt auch die Zulassungspflicht. Das ist bei den meisten YouTube-Angeboten der Fall, bei denen Inhalte nur on Demand, also nicht linear verfügbar sind.“
Ist die Lizenzpflicht für Streaming-Angebote nur der Auftakt?
Können jetzt all diejenigen aufatmen, die ihre Interviews, Gespräche, Reportagen oder Dokumentationen nur on demand anbieten, auch wenn sie redaktionell gestaltet sind, regelmäßig wiederholt werden und mehr als 500 Zuschauer haben? Oder ist das Durchsetzen der Lizenzpflicht für redaktionell bearbeitete Streaming-Angebote nur ein Auftakt? Es wäre für die, die sich mehr Aufsicht und Reglementierung für Online-Medien wünschen, ideal, die Landesmedienanstalten mit der Medienaufsicht über Teile des Internets zu betrauen. Insbesondere, da die Bedeutung linearer Medien irgendwann abnimmt, wäre eine solche Erweiterung der Zuständigkeit durchaus begründbar.
Das Schöne an den Landesmedienanstalten ist, dass es sie schon gibt und sie schon in einer Zeit, da es nur eine limitierte Zahl von analogen Programmen gab, die Medienaufsicht über selbige ausübten. Man muss kein neues Amt zur Kontrolle von Web-Inhalten gründen, das fast jeder sofort als Zensur-Behörde wahrnehmen würde.
Aber die Medienaufseher wollen gar nicht böse zu den Youtubern sein. Ganz großzügig vergeben die Landesmedienanstalten die Rundfunklizenz fürs Bewegtbild im Netz besonders günstig:
„Für den Bereich des Web-TV wurde bewusst ein deutlich niedrigerer Gebührenrahmen festgelegt (1.000 bis 10.000 €) statt im klassischen TV (5.000 bis 100.000 €). Die Gebühr richtet sich vor allem nach dem Verwaltungsaufwand des Zulassungsverfahrens. Dieser ist im Bereich der Web-TV-Anbieter naturgemäß gering. Insoweit ist eine Gebühr in Höhe von 1.000,- € möglich. In Härtefällen sieht das Gebührenrecht auch hier noch Ausnahmen vor, die zu noch geringeren Kosten für den Anbieter führen können. Die Zulassungsgebühr ist zudem einmalig und wird für viele Jahre oder sogar für eine unbefristete Zeit erteilt“
Und dafür bekommt man dann gute Aufsicht und die Bewahrung vor falschen Nachrichten und Hass-Sprech. Aufsicht ist doch das, was Medien am dringendsten brauchen.
Beachten Sie zu diesem Thema auch unser Dossiers Zensur 4.0 und Denunzianten-Gate
Der Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier