Der Begründer des Nobelpreises, Alfred Nobel (1833–1896), Sohn eines Rüstungsfabrikanten, war ein schwedischer Chemiker und Erfinder. Sein jüngerer Bruder Emil starb zusammen mit vier anderen Mitarbeitern bei einem Experiment mit seinem Nitroglyzerin.
Sein größter Coup gelang ihm jedoch mit dem Ballistit, einem raucharmen Pulver, das Schusstechnik und Kriegsführung revolutionierte. Alfred Nobel starb, nachdem er 355 Patente angemeldet und 90 Sprengstoff-Fabriken gebaut hatte. Er hinterließ ein enormes Vermögen, mit dem seit 1901 die Nobelpreise finanziert werden.
In den folgenden 115 Jahren haben gerade mal zwei muslimische Wissenschaftler in den Königsdisziplinen Medizin, Physik und Chemie eine Auszeichnung erhalten. Im gleichen Zeitraum kommt die Schweiz für die gleichen Fachgebiete auf 23 Nobelpreise. Wieso ist das so?
Vor rund 1.000 Jahren hätten arabische Wissenschaftler noch alles abgeräumt. Das war die Blütezeit des weltoffenen und toleranten Islams, und Bagdad war das Zentrum von Wissenschaft und Forschung.
Aber mit dem Aufkommen des Wahhabismus setzte sich die Doktrin durch, wonach alles Wissen schon im Koran angelegt ist und die Wissenschaft sich danach richten muss. Wie soll man da Nützliches für das 21. Jahrhundert entwickeln? Das Prinzip der Wissenschaft ist ja gerade, dass man, unabhängig von seiner Weltanschauung, vermeintlich gesichertes Wissen immer wieder hinterfragt.
Eine Gesellschaft, die auf den weiblichen Teil der Bevölkerung verzichtet und nur zwischen halal und haram (erlaubt oder nicht erlaubt) unterscheidet, verharrt in ewiger Stagnation, weil die Voraussetzungen für Innovationen fehlen.
Das Prinzip der Wissenschaft ist auch in der politischen Diskussion unentbehrlich. Man tut der Gesellschaft keinen Gefallen, wenn man Kritiker reflexartig mit orchestrierten Empörungsritualen einschüchtert. Political Correctness ist heute das Halal-Haram des freien Westens, das Gegenteil von Aufklärung.
Aber Denkverbote lösen keine Probleme. George Orwell sagte: „Freiheit bedeutet Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen.“ Leider gibts für kluge Zitate keinen Nobelpreis.
Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag in der Schweizer Wochenzeitung BLICK, wo dieser Artikel zuerst erschien. Ende des Jahres erscheinen seine dort veröffentlichten Kolumnen als E-Book. Mehr unter der web.adresse www.cueni.ch.