Die Autorin Mithu Sanyal hat soeben den Roman „Identitti“ veröffentlicht. Die ARD-Sendung „ttt – titel thesen temperamente“ bewirbt das Buch überschwänglich (Video hier, zum Nachlesen hier) und lässt Sanyal ausführlich zu Wort kommen.
Anmerkung: Die Frage liegt nahe, warum man einem der besten Propaganda-Flaggschiffe des GEZ-Imperiums überhaupt noch Aufmerksamkeit widmet. Zum einen, weil da vielleicht irgendwo noch eine Resthoffnung auf einen guten Beitrag vorhanden ist. Die Kultursendung hatte auch früher politischen Einschlag, allerdings bei weitem noch nicht diese doktrinäre Penetranz, und man hat die Dinge insgesamt mit Gewinn gesehen. Zum anderen, und das ist der wichtigere Grund, weil es sich nicht um irgendein entlegenes Publikationsforum für Nischenpublikum handelt, sondern als ein wesentliches Sprachrohr für das in diesem Land politisch-gesellschaftlich nicht nur Genehme, sondern ausdrücklich Gewünschte und vor allem „Richtige“ anzusehen ist. Es zeigt, in welche Richtung wir uns, übrigens mit immer größerer Geschwindigkeit, bewegen lassen.
Zurück zur Sendung. Sanyals Buch – der Titel legt es nahe – hat Identitäten zum Thema. Erfahrungen ihres eigenen Lebens hat die Autorin verarbeitet. Um eine Studentin der „Postcolonial-Studies“ geht es, gebürtige Düsseldorferin, mit indisch-polnischen Wurzeln. Der Fall der sich als „transracial“ bezeichnenden Amerikanerin Rachel Dolezal – die sich als Schwarze ausgegeben und hochgradig engagiert hatte, bis sich herausstellte, dass es sich lediglich um eine von ihr „gefühlte“ Herkunft handelte – stand für das Romangeschehen Pate. So weit, so Literatur.
Um Literatur geht es allerdings nur sehr bedingt, nicht der promovierten Kulturwissenschaftlerin Sanyal und schon gar nicht der ARD. Um das Ganze geht es, angefangen vom ständig gebrauchten Neologismus „Person of Colour“, dessen Verbindendes einzig echte oder vermeintliche Negativerfahrungen sind und der sich daraus ableitende Ansprüche suggeriert. Frau Dr. Sanyal zeigt sich allerdings auch historisch beschlagen. Der eine oder andere Geschichtsinteressierte wird feststellen, dass sein bisheriges Wissen einer gründlichen Revision bedarf, das „Weiß-Sein“ ist nämlich eine Erfindung, und zwar aus einem ganz perfiden Grund (der Text folgt Original-Aussagen im Video):
„Das Weiß-Sein ist ja konstruiert worden, um den transatlantischen Sklavenhandel zu rechtfertigen. Vorher waren Leute nicht weiß. Also die haben sich als Zugehörige eines Landes, einer Religion, einer Sprachgruppe… also die Deutschen waren die Teuta. Die Leute, die Deutsch gesprochen haben. Das war der Gedanke dahinter. Und dass Weiß einfach nur konstruiert wurde, um weiße Überlegenheit, um White Supremacy zu rechtfertigen.“
„Nicht-Weiß-Sein ist ein kulturelles Kapital“
Wer geglaubt hatte, es geht nicht mehr dicker, wird eines Besseren belehrt. Die Kulturwissenschaftlerin führt weiter aus:
„Schwarz-Sein, Kolonialisiert-Sein, Rassifiziert-Sein, hat ganz, ganz viele Nachteile. Es ist aber auch die Farbe von Widerstand und black is beautiful und all dem. Das heißt, es ist eine Farbe, in der viel, viel mehr Menschlichkeit auch enthalten ist. Dass sie sagt, Nicht-Weiß-Sein ist ein kulturelles Kapital geworden, das ist natürlich auch etwas, das wir uns angucken müssen und dürfen sollten.“
Nochmal: Im Schwarz-Sein ist „viel, viel mehr Menschlichkeit“ enthalten. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man derartige Aussagen als Rassismus vom Feinsten gegeißelt. Und zwar zu recht. Heute werden sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei „ttt“ als Wahrheiten verkündet.
Trotz Sanyals These von der Überlegenheit des Schwarz-Seins im Menschlichen plädiert die ARD-Sendung, diesbezüglich nicht ganz stringent oder möglicherweise auch einfach nur großzügig, am Ende für egalitäre Auflösung. Im Schlusswort zur Würdigung von Sanyals Buch heißt es:
„Vermeintlich echte Identitäten, die gibt es spätestens nach der Lektüre dieses Romans nicht mehr. Darin liegt eine Chance.“
Die Zeiten, als Denker wie Ulrich Schacht noch ausriefen „Kultur ist Differenz!“, scheinen zu Ende zu gehen.