Neue deutsche Sprachpolizei

Falls Sie mit dem Label "Neue deutsche Medienmacher" nichts anfangen können, falls Sie nicht einmal wissen, dass es so eine Gruppe überhaupt gibt, dann bedeutet das, dass Sie ein Problem haben. Mag sein, dass Sie kein lupenreiner Rassist sind, aber dann sind Sie zumindest tendenziell fremdenfeindlich. Die Neuen deutschen Medienmacher, mit einem großen N und kleinem d, sind ein bundesweiter Zusammenschluss von Medienschaffenden mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Kompetenzen und Wurzeln, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen. Die 2008 gegründete Interessenvertretung für Medienschaffende mit Migrationsgeschichte tritt für eine ausgewogene Berichterstattung ein, die das Einwanderungsland Deutschland adäquat wiedergibt.

Sie ahnen bereits, worauf das hinausläuft. Was ausgewogen und adäquat ist, bestimmen die Neuen deutschen Medienmacher. 

Angesichts der Vorfälle in Chemnitz haben die NdM eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie dazu aufrufen, nicht den Sprachgebrauch der Rechtsextremen (zu) übernehmen. Sie finden diese Stellungnahme im Netz auf der Homepage der NdM. Für den Fall, dass Sie noch einer der wenigen Alten deutschen Medienmacher sind, für die das Netz Neuland ist, wollen wir Ihnen die Sache erleichtern. Here we go:

  • Es waren keine „Trauerzüge“ oder „Schweigemärsche“, bei denen sich lediglich ein paar Rechtsextreme untergemischt haben. Die Veranstaltungen wurden von und mit Rechtsextremen organisiert.
  • Es ist kein bürgerlicher Protest: Wer hier mitläuft, unterstützt Neo-Nazis, Rechtsextreme oder Faschisten und wird nicht “in die Rechte Ecke gestellt“, sondern stellt sich selbst dort hin. Nicht nur Neo-Nazis sind ein Problem, sondern auch die Mitläufer. Das sollten Journalist*innen nicht verharmlosen.
  • Rechtsextreme und AfD streuen gezielte Mythen über sämtliche Medien, wie das Mantra: „Wir sind keine Rechten, wir sind nur politisch besorgte Bürger.“ Oder wahlweise auch: Islamkritiker, Migrationskritiker, abgehängte und vernachlässigte Bürger. Solche Statements ohne Einordnung stehen zu lassen, ist fahrlässig.
  • Wenn Menschen vor laufender Kamera Aussagen machen, die an die 1930er erinnern, sollte das entsprechend aufbereitet und problematisiert werden. Nur „zuhören und reden lassen” ist hier das falsche Format.
  • Es fanden keine Hetzjagden und Attacken auf „Migranten“ oder “Ausländer“ statt, sondern auf Menschen, die für solche gehalten wurden. Darunter waren mit Sicherheit auch Deutsche. „Rassistisch motivierte Hetzjagden“ wäre eine Alternative, um in der Berichterstattung nicht die Täterperspektive einzunehmen.
  • Die Medien sollten auch die Angegriffenen stärker berücksichtigen: Einwanderer*innen, Geflüchtete, Deutsche of Color, von denen es auch in Sachsen zahlreiche gibt, kommen bisher wenig zu Wort.
  • Das Thema ist nicht: Wut auf die Asylpolitik oder „Ausländerfeindlichkeit”. Bei den Aufmärschen wird die Pressefreiheit, die Vielfalt in der Bevölkerung, die bloße Existenz von Muslimen in Deutschland und unsere Rechtsstaatlichkeit angegriffen. All das soll abgeschafft werden. Es geht hier nicht nur um Geflüchtete.
  • Mit Demonstrationen werden zwar demokratische Mittel genutzt. Die Ziele der Gruppen sind jedoch verfassungsfeindlich („Deutschland den Deutschen“, “Ausländer raus“, “Deutsche zuerst“).
  • Die AfD ist nicht „rechtskonservativ“, „rechtsnational“ oder „rechtsaußen“. Die AfD ist mindestens rechtsradikal (nachzulesen in der Definition des Verfassungsschutzes). Zahlreiche Vertreter, wie Björn Höcke, sind eindeutig rechtsextrem.

Damit nicht genug, bieten die Neuen deutschen Medienmacher Kollegen, die erkenntnismäßig noch nicht so weit sind, ihre Hilfe an. Alternative Begriffe für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft können auch im Glossar der Neuen deutschen Medienmacher nachgeschlagen werden. Es ist hier online und für Medienschaffende kostenfrei als gedruckte Broschüre erhältlich.

Das ist, würde die Kanzlerin sagen, enorm hilfreich. Ein Glossar mit alternativen Begriffen für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft, fertig angerührt wie Coffee To Go. Die Frage is nur, wie die NdM den Gebrauch dieser alternativen Begriffe durchsetzen wollen. Wie wäre es damit: Jeder Redaktion, vom Flensburger Tagblatt bis zum Südkurier Konstanz, vom Hafenkonzert bei Radio Bremen bis zum Landfunk im Bayerischen Rundfunk, wird ein von den NdM geprüfter und zertifizierter Experte für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft beigestellt. Natürlich kann es auch eine Expertin sein, wobei die Fachgesellschaft Geschlechterstudien/Gender Studies Association ein Wort mitzureden hätte. 

Das wird nicht billig, denken Sie jetzt. Nein, das wird es nicht. Aber eine ausgewogene und adäquate Berichterstattung, die berücksichtigt, dass es auch in Sachsen zahlreiche Deutsche of Color gibt, sollte es uns wert sein. Geld ist genug da. Schauen Sie sich nur die Liste der NdM-Partner und Förderer an. Das ist gelebte Demokratie, im Rahmen des Programms Demokratie leben!

Foto: Harland Quarrington/MOD OGL via Wikimedia Commons

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Nico Schmidt / 14.09.2018

Sehr geehrter Herr Broder, wo kann ich mich bei der NdM bewerben? Ich möchte auch mit solchen wichtigen Dingen Geld verdienen und Fördermittel einstreichen! MfG Nico Schmidt

Irene Ahrens / 14.09.2018

Ich kenne zahlreiche studierte Menschen, die die Ironie dieses Artikels nicht einmal mehr wahrnehmen würden. Das sind übrigens dieselben, die in Diskussionen über die derzeitige „Regierung“ müde einwenden, man solle doch „die arme Frau Merkel in Ruhe lassen“!  Die Gesellschaft droht nicht zu zerfallen, sie ist es offenbar längst, weil man sich - selbst unter Muttersprachlern - nicht einmal mehr sprachlich versteht.  Wer auch immer DAS gewollt hat, es scheint gelungen zu sein.

R. Steinle / 14.09.2018

Lieber Herr Broder, Sie waren bisher mein Lichtblick und diesen dunklen „journalistischen“ Zeiten. Ihren Einsatz in allen Ehren, aber mittlerweile fürchte ich wirklich, der Drops ist in dem Land schon gelutscht. Mir graut vor der Zukunft, die Kinder und Jugendlichen in Deutschland gehen den gleichen Weg wie schon knapp 100Jahre zuvor und das - wenn ich mir das Konzert in Chemnitz vor Augen führe - nicht nur sehenden Auges sondern auch noch jubelnd und frenetisch feiernd. Herr vergib Ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. Danke Ihnen, dass Sie so tapfer die Mißstände aufdecken.

Emmanuel Precht / 14.09.2018

Reichsschriftumskammer (noch bunt oder schon zu bunt?) Wohlan…

Bernhard Freiling / 14.09.2018

Danke, Herr Broder. Jetzt wird wohl nicht nur mir klar, worauf diese vermeintliche “Gleichschaltung” der Medien basiert. Ist dieser Verein eine der Schaltzentralen? Wenn ich mir die Partner und Förderer so anschaue, wundert mich überhaupt nichts mehr. Der von den NdM “geprüfte und zertifizierte Experte” scheint doch schon in jeder Redaktion zu sitzen - zumindest liesse sich auf diese Weise die uniforme Berichterstattung der MSM erklären. Genau so wäre Mielke vorgegangen, wenn er zu DDR-Zeiten bereits über die digitalen Möglichkeiten verfügt hätte. Nun, Merkel verfügt darüber und wahrscheinlich ist ihre mehr als naive Umschreibung als “Neuland” nur als eine weitere Camouflage zu verstehen.  DAS versteht Merkel offensichtlich unter dem “Vorantreiben der Digitalisierung”.  Da ist sie möglicherweise schon erheblich weiter, als wir Alle uns das vorstellen können.

Bernd Ackermann / 14.09.2018

Ein Experte des Neuen deutschen Michels in jeder Redaktion? Aber warum denn so kompliziert? Wäre es nicht viel einfacher wenn nur noch Berichte veröffentlicht werden dürfen die an zentraler Stelle (z.B. dem Bundeskanzleramt aka Wahrheitsministerium) von einem NdM-Fachmann erstellt und an alle Redaktionen verteilt werden? Merkt doch keiner. Wie weit sind wir noch von Newspeak entfernt?

Viola Heyer / 14.09.2018

Diese Entwicklung ist apokalyptisch. Früher hielt ich die Theorie, dass Merkel Erichs Rache sei, für eine alberne Verschwörungstheorie. Mittlerweile ergeben etliche Puzzleteile ein vollständiges Bild. by the way: Meine Tochter las vor kurzem auf einer Klassenfahrt Orwells “1984”. Ihre Lehrerin sagte, dass sie auf keinen Fall Rückschlüsse auf die Gegenwart und die Regierung ziehen dürfe. Meine Tochter antwortete: Haben sie das auch schon zu DDR-Zeiten zu ihren Schülern gesagt? Ergebnis: Ein Tadel und Angst vor weiteren Repressalien.

Frank Dom / 14.09.2018

Werter Herr Broder, Danke an dieser Stelle für Ihre Artikel, die selbst unappetitlichen Themen wie diesen mit Humor und Sarkasmus begegnen. Dies hilft, nicht völlig irre zu werden. Mit Bedauern teile ich aber mit, dass ich trotz ihrer fulminanten Artikel auf Welt Online mein dortiges Abonnement gekündigt habe. U.a. wegen den von Ihnen beschriebenen Haltungen der Journalisten und Foren-Blockwarte. Die Beiträge gehen jetzt an Achgut. MfG.

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