Stefan Frank / 13.09.2024 / 16:00 / Foto: Montage achgut.com / 12 / Seite ausdrucken

Neue Buslinie in London soll Juden vor Antisemitismus schützen

Der Bürgermeister von London hat eine eigene Buslinie ins Leben gerufen, um die Sicherheit von Londoner Juden zu verbessern.

Die Busse der neuen Linie 310 verkehren täglich von sieben bis neunzehn Uhr alle zwanzig Minuten zwischen Stamford Hill im nordöstlichen Bezirk Hackney und Golders Green in Barnet im Nordwesten – zwei Orte, in denen viele jüdische Familien leben, wie die britische BBC berichtete. Es handelt sich um ein Testprojekt, das zunächst auf ein Jahr angelegt ist; die Fahrgäste werden ermuntert, Feedback zu geben.

„Dies ist das erste Mal, dass die beiden Gebiete durch eine direkte Buslinie verbunden sind“, meldete das staatliche Unternehmen Transport for London. Sadiq Khan, Londons Bürgermeister, erklärte, zugesagt zu haben, diese Linie einzurichten, sollte er wiedergewählt werden. „Ich freue mich, dieses Versprechen einlösen zu können“, sagte er. Die Linie 310 werde „vielen Anwohnern, insbesondere der jüdischen Gemeinde“, nützen und dazu beitragen, „ein sichereres, gerechteres und grüneres London für alle zu schaffen“.

Die Linie wurde als Reaktion auf den seit Jahren geäußerten Wunsch der jüdischen Gemeinde nach einer Verbindung der beiden Stadtteile eingerichtet, teilte das Büro des Bürgermeisters mit. Sie erspart Fahrgästen, die vom einen zum anderen Ort wollen, das Umsteigen und erhöht so das Sicherheitsgefühl. Auf seinem X-Account begrüßte das London Jewish Forum den Schritt mit den Worten: „Wir freuen uns, dass nach fünfzehn Jahren Einsatz im Interesse der Gemeinde die Buslinie 310 eröffnet wurde, die eine direkte Verbindung zwischen Golders Green und Stamford Hill bietet. Wir danken Sadiq Khan und TfL [Transport for London, die Verkehrsbehörde der Stadt] für ihr Engagement für die streng orthodoxe jüdische Gemeinde.“

Entgegen einem Missverständnis steht die Benutzung der Linie allen offen und ist keineswegs „nur für Juden“. Die erklärte Zionistin Eve Barlow äußerte harsche Kritik an der Linie. Auf X schrieb sie: „Während es in Israel keine Apartheid gibt, herrscht in Nordlondon Rassentrennung.“ Ihr Frust rührt offenbar daher, dass es überhaupt nötig ist, eine neue Buslinie einzuführen, um die Sicherheit der Juden zu erhöhen. In manchen Leserforen, etwa auf der Website der israelischen Tageszeitung Haaretz, äußerten Leser die nicht aus der Luft gegriffene Sorge, die neue Buslinie könnte zum Ziel von Terroranschlägen werden.

Lange Reihe von Vorfällen

Wie in anderen Staaten mit großen, sichtbaren jüdischen Gemeinden wie etwa Frankreich gibt es auch in Großbritannien immer wieder antisemitische Angriffe im öffentlichen Personennahverkehr. 

  • Anfang Juli berichtete Mena-Watch-Autor Ben Cohen über einen Überfall auf jüdische Kinder in der U-Bahn-Station Belsize Park: „Nach Angaben der Mutter eines der bedrängten Jungen, gerade elf Jahre alt, ›rannte die Bande vor meinem Sohn her und stieß einen seiner Freunde zu Boden. Sie versuchten, ein anderes Kind auf die Gleise zu schubsen. Sie zerrten ihn bis an die gelbe Sicherheitslinie.‹ Als der Sohn einzugreifen versuchte, um seine Freunde zu schützen, wurde er verfolgt und verlor durch einen Ellbogenschlag ins Gesicht einen Zahn. ›Verschwinde aus der Stadt, Jude!‹, schrie die Bande ihn an.“ 
    Wie der Evening Standard – Londons an U-Bahn-Stationen verteilte kostenlose Tageszeitung – schrieb, denkt die Mutter seither darüber nach, Großbritannien zu verlassen.
  • 2018 wurden an Londoner Bushaltestellen illegal Plakate geklebt, die wie professionelle, bezahlte Reklame aussahen auf denen „Israel ist ein rassistisches Unternehmen“ stand.
  • Im November 2021 wurde auf der Oxford Street ein Bus, in dem etwa vierzig jüdische Jugendliche saßen, die anlässlich des Chanukka-Festes unterwegs waren, von einem Mob angegriffen. Eine Gruppe Männer beschimpfte sie, machte obszöne Gesten und warf einen Einkaufskorb auf den Bus.
    Nicht minder skandalös war die Berichterstattung der BBC, in der behauptet wurde, dass zuvor aus dem Bus heraus eine „antimuslimische Beleidigung“ gemacht worden sei. Wie sich herausstellte, war dies eine Verleumdung; für die Behauptung gab es keinerlei Beleg, auch nicht in einer von der BBC als Quelle angeführten Tonaufnahme.
  • Im Mai 2023 wurde ein jüdischer Fahrgast in einem Londoner Bus als „verdammter Teufel“ beschimpft, wie online veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten. Der Täter, der eine lange, gelbe Stange schwenkte, wie sie womöglich Fensterputzer bei ihrer Arbeit nutzen, ist zu sehen, als er in dem Bus Beleidigungen ausstößt und unzusammenhängendes Zeug redet. Unter anderem sagte er: „Da kommst du her, du solltest nicht in Palästina sein, du bist ein verdammter Mörder. Tötest Kinder … Du hast 500 Jahre lang schwarze Menschen versklavt, Du Jude.“
  • Sechs Monate später, an einem Tag, als in London eine große Anti-Israel-Demonstration mit Zehntausenden Teilnehmern stattfand, wurde eine junge Frau in einem Bus gefilmt, die zu Fahrgästen sagt: „Seid ihr Juden?“ Der Vorfall begann, nachdem die Frau gehört hatte, wie Fahrgäste über die Pommes frites bei McDonald’s sprachen. Sie unterbrach sie mit den Worten: „Nur Juden essen bei McDonald’s.“ Anschließend drohte sie mit Gewalt. 
    Eine Augenzeugin beschrieb den Angriff als „beunruhigend“ und „beängstigend“. Gegenüber MailOnline sagte sie: „Es ist im Moment nicht sicher, in London Jude zu sein. Wir erleben alles, wovor man uns als Kinder gewarnt hat. Die Bus- oder Zugfahrt werden immer beängstigender und wir fragen uns, ob wir diesen Ort weiterhin unser Zuhause nennen können. Als Enkelin zweier Holocaust-Überlebender bin ich entsetzt, aber leider nicht völlig überrascht, dass ich mich in meinem Leben damit auseinandersetzen muss. Ich hatte Angst. Diese Strecke fahre ich täglich, und während mein Mann diesmal bei mir war, frage ich mich, wer für mich eintreten würde, wäre ich alleine?“
  • Antisemitismus geht offenbar auch von einzelnen Busfahrern aus. Im Dezember 2023 berichtete die Londoner Polizei über eine Beschwerde, die sie erhalten hatte. Bei dem Vorfall warteten mehrere jüdische Schüler an der Bushaltestelle Egerton Road in Stamford Hill und signalisierten dem Bus, anzuhalten. Der Fahrer habe zunächst gebremst, sei dann aber weitergefahren, ohne anzuhalten, heißt es in der Beschwerde. Mehrere Fahrgäste sollen „das angebliche Verhalten des Fahrers gefördert, antisemitische Bemerkungen gemacht und ihre Dankbarkeit dafür ausgedrückt“ haben, dass der Bus nicht angehalten habe, teilte die Metropolitan Police mit.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno: Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

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W. Renner / 13.09.2024

Und wenn die Busse zu voll werden, setzen sie dann Güterzüge ein?

Johannes Schuster / 13.09.2024

@Wilfried Cremer: Ich habe mal zur Kenntnis genommen, daß sich das Judentum förmlich in die Ghetto - Strategie flüchtet und in ihr verharrt wie die Maus vor der Katze.  D.h. das ist ein Indikator.  Und ich spreche mal eine Warnung aus: Wenn die Sache mit der Ukraine schief gehen sollte, wird man in Selenskij in gewissen Kreisen nur noch “den Juden” sehen, in anderen Protagonisten auch. Und dann droht in einem Zusammenbruch eine Mega - Eruption an Antisemitismus. Und die Vorboten solcher noch ungeschehener Pogrome sind die Häufung des Themas “Mashiach” und das Zusammenrücken und sich selbst Ghettoisieren. Die Dynamik hat schon längst das Maß des Kontrollierbaren verlassen.  Wenn die Herde rennt hilft kein Weiser, sondern nur noch der Cowboy und wenn der aufgibt, rette sich wer kann. Man kann das als sozialpsychologische Atombombe bezeichnen, was sich hier gerade anlagert. Wenn man genau hinhört wird Selenskij nicht mehr mit Freiheit, sondern mit Kosten in Verbindung gebracht. Die Leute reagieren auf den Namen gereizt und wenn der Alkohol die Hemmschwelle senkt, kann man Dinge hören, als wäre das 1924 und nicht 2024. Vor lauter Kommunikation und “Thema” und Verkopfung scheint keiner mehr zu sehen, was links und rechts am Straßenrand passiert, keiner hört die Töne an den Stammtischen und hinter den Türen. Daß die Masse sich selbst verrannt hat, sieht sie nicht, sie sucht einen Schuldigen und der wird historisch abgeleitet. Das Risiko - Intergral ist ein 100 Jahre all time high.  Ich gebraucht mal das Bild: “Wenn man nicht bald gravierend etwas ändert, dann fliegt diese Chemiebude irgendwann in der nächsten Zeit in die Luft”.

Christoph Rist / 13.09.2024

Eine “Judenlinie”. Darauf muss man erstmal kommen! Genial, der feine Herr Kahn… Hat der Bus dann schwerbewaffnete Truppen und 2 “Dach-MG-Schützen” vorne und hinten mit an Bord? Aber wahrscheinlich stellt man allenfalls einen dahindümmelden Gumiknüppel-Bobby an jede zweite Haltestelle. Mir kommt das eher so vor, als erschaffe man hiermit eine hervorragende Zielscheibe für die nächsten Busbomber.

Marc Greiner / 13.09.2024

@Ralf Pöhling—-Habe ich mir auch gerade gedacht. Der Terrorist hat so alle Juden zusammen. Ist viel effizienter als alle Busse nach einzelnen Juden abzusuchen und womöglich bei dem Attentat verhaftet oder getötet zu werden und das wegen einem einzelnen Juden. Das ist wirklich ein super Eigentor. Aber von Salat Kran erwarte ich nichts besseres.

Yehudit de Toledo Gruber / 13.09.2024

@Ralf Pöhling: Ich hatte auf der Stelle exakt die gleichen Gedanken! Nie im Leben würde ich hier in München in so einen Bus steigen oder gar an ein erhöhtes Sicherheitsgefühl glauben.

Franz Klar / 13.09.2024

Gute Sache ! Solch eine sichere Buslinie sollte auch den Gazastreifen mit dem Westjordanland verbinden .

Wilfried Cremer / 13.09.2024

hi, das Thema ist nicht, ob der Bus kommt, sondern dass der Wille zur Vernichtung aufhört. Da der gute Wille größer ist.

Klara Altmann / 13.09.2024

Es gibt hier im ganzen Text nur einen deutlichen Hinweis auf die Herkunft der Täter und viele versteckte. Aber man kann doch wohl feststellen, dass diese Art von Antisemitismus einen klaren Zusammenhang mit Anhängern des Islam hat? Solange der Text so vage und voller Andeutungen ist, kann man das Problem nicht so eindeutig feststellen, dass es für Lösungsansätze taugt. Wer predigt heute Judenhass, wo und warum? Und genau das muss man abstellen, denn das Problem wird größtenteils importiert sein. Eine neue Buslinie wird das kaum verändern. Wer unser friedliches Zusammenleben in Europa nicht akzeptiert und unsere Werte nicht teilt, der ist hier falsch. Das muss der eigentliche Ansatz sein. Wer Christen, Atheisten und Juden nicht erträgt, muss wohl in ein islamisch geprägtes Land reisen und dort bleiben. Es ist unser Europa, wir gestalten das Zusammenleben.

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