Gerd Buurmann / 05.11.2017 / 15:30 / Foto: Robert Couse-Baker / 12 / Seite ausdrucken

„Netzwerk-Durchsetzungs-Gesetz“ stärkt den Mob

Von Gerd Buurmann.

Hamed Abdel-Samad ist es passiert und auch Malca Goldstein-Wolff und ich können ein Lied davon singen. Unsere Accounts wurden ohne Angaben von Gründen gesperrt und erst nach juristischer Hilfe wieder freigeschaltet. Bei allen Sperrungen erklärten Fundamentalisten öffentlich ihre Freude darüber. Sie hatten im Vorfeld sogar dazu aufgerufen, die Sperrungen der Accounts auf Twitter und Facebook durch massenhaftes Melden der Beiträge zu erwirken.

Wer einen Menschen durch Melden mundtot machen will, meldet aus diversen Gründen. Die Einen melden Beiträge wegen vermeintlicher Hate-Speech, die Anderen wegen vermeintlichen Fake-News und wieder Andere wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzung. Im Falle Hamed Abdel-Samads zeigten bereits alle drei Strategien Wirkung. So konnte es sogar geschehen, dass ein Fundamentalist, der auf YouTube offen gegen Henryk Broder, Seyran Ateş und Hamed Abdel-Samad gehetzt hatte, es erreichen konnte, dass ein Video gelöscht wurde, in dem Henryk Broder, Seyran Ateş und Hamed Abdel-Samad die Stellen zitiert hatten, in denen gegen sie gehetzt wurde. Als Grund für die Löschung wurde eine Urheberrechtsverletzung angegeben.

Wenn Hetze möglich ist, aber das Reagieren der Betroffenen auf diese Hetze geahndet wird, dann ist was faul an dem Urheberrecht.

Im Fall von Hamed Abdel-Samad führt zur Zeit ein Meldemob einen Zermürbungskrieg in der virtuellen Welt gegen einen Mann, der in der realen Welt ständig auf der Flucht vor Fundamentalisten ist. Hamed Abdel-Samad kann nicht ohne Personenschützer sein Haus verlassen und er kann seine Freunde nur geheim treffen. Sein unbeschwertes Leben wurde ihm genommen, weil er die Freiheit der Meinung lebt und den Islam kritisiert. Er lebt unter ständiger Lebensgefahr, weil er Homosexuelle nicht verurteilt, für Frauenrechte streitet, das Kopftuch für Frauen nicht fordert, Juden nicht hasst und den Islam an seinen fundamentalistischen Stellen kritisiert. Das ziehen viele Muslime in Europa als Grund heran, Hamed Abdel-Samad umbringen zu wollen.

Der Mob beherrscht die Netzwerke

Seine wichtigste Waffe im Kampf gegen die Fundamentalisten, die ihn töten wollen, ist das freie Wort und die Möglichkeit, seine Worte zu veröffentlichen. Ein Meldemob tut nun alles, ihm diese Waffe zu entreißen und Twitter, Facebook und YouTube sind die willigen Vollstrecker dieses Mobs.

Dabei sind diese Unternehmen Kinder unserer aufgeklärten Gesellschaft. Für ihre Freiheit sind viele Männer und Frauen gestorben, die für das freie Wort gestritten haben, wie Hamed Abdel-Samad und Seyran Ateş. Ausgerechnet diesen Menschen ihre wichtigsten Selbstverteidigungswaffen zu nehmen, ist unertäglich.

Der Mob beherrscht die Netzwerke. Heute gilt, bringe nur genug Menschen gegen Dich auf und eine Sperrung wird sehr wahrscheinlich. Das ist auch der Grund, warum in sozialen Netzwerken so oft offen judenfeindliche Beiträge nicht gelöscht werden, während schon leicht islamkritische Beiträge verschwinden. Über 1,6 Milliarden Muslime weltweit eigenen sich einfach besser für das Schaffen eines Mobs als 16 Millionen Juden. In einer aufgeklärten Demokratie herrschen jedoch nicht die Masse und der Mob, sondern die Vernunft und das Menschenrecht. Die Grundrechte des Einzelnen können nicht durch eine Mehrheit abgeschafft werden. Judenhass fand oft eine Mehrheit und war und ist dennoch immer falsch.

Die Art und Weise wie soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook ihre Seiten verwalten, ist ein Angriff auf den liberalen Geist der Individualität, wo der Gedanke der Freiheit und die persönliche Entfaltung zählen und nicht der Mob.

Einige mögen nun einwenden, die Gesperrten hätten einfach zu viel Kritik geübt, aber es gibt kein Zuviel an Kritik. Es gibt nur ein Zuviel an Beleidigtsein. Gegen Kritik, die schmerzt, möge sie nun schmerzen, weil sie wahr ist oder schmerzen, weil sie unwahr ist, hilft nicht mehr hinhören als Sofortmaßnahme und Gegenrede als zivilisierte Form der Verteidigung. Eine Rede jedoch zu verbieten, weil man glaubt, sie könne Gewalt befördern, ist ein Präventivschlag. Ein solcher Schlag sollte, wenn überhaupt, nur in ganz engen Grenzen gestattet sein, nämlich wenn ein physischer Angriff sicher und unmittelbar bevorsteht. Niemand aber ist in Gefahr, weil Hamed Abdel-Samad und Seyran Ateş reden. Sie aber sind in Gefahr, weil sie reden!

Zwangs-privatisierte milde Zensur

Der Mantel des Schweigens ist für die Redefreiheit das, was der Schleier und das Kopftuch für die Rechte der Frau ist. Jede Frau darf selbst entscheiden, ob sie einen Schleier tragen möchte und jeder Mensch darf selbst entscheiden, ob und zu was er schweigen und reden will. Es darf keinen Zwang geben, weder für den Schleier noch für den Mantel des Schweigens und unter keinen Umständen darf es einem Mob überlassen werden, darüber zu entscheiden, was gesagt werden darf.

Wenn auch nur ein Prozent aller Muslime gegen Juden hetzt, sind das mehr Muslime als es Juden gibt – und alle Erhebungen zeigen, dass es weltweit mehr als ein Prozent Muslime gibt, die Juden hassen. In vielen muslimischen Länder ist die Diskriminierung von Juden sogar gesellschaftlich getragener Konsens und Staatsräson. Selbst wenn alle Juden Muslime hassen würden, wären das immer noch weniger Menschen als ein Prozent aller Muslime. Allein das zeigt, dass eine Mehrheit niemals das Recht haben darf, über die Meinungsfreiheit des Einzelnen zu entscheiden.

Das vom 18. Deutschen Bundestag verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz jedoch stärkt den Mob. Durch dieses Gesetz nämlich werden soziale Netzwerke unter empfindlicher Strafandrohung in die Position einer privatisierten Exekutive gezwungen, um als Beliehener des Staates in Abwesenheit einer Rechtssprechung pro­phy­lak­tisch Aussagen zu löschen, die angeblich gegen das deutsche Gesetz verstoßen sollen. Das ist zwangs-privatisierte milde Zensur, denn im Zweifel werden kritische Aussagen einfach zu unangemessenen Meinungen erklärt, gelöscht und die Nutzerinnen und Nutzer gesperrt, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Das sind durch Strafandrohung an Privatunternehmen delegierte Redeverbote, die dazu führen, dass der Meldemob zum Angriff bläst!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Gerd Buurmans Blog Tapfer im Nirgendwo hier.

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Leserpost

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Michael Scheffler / 05.11.2017

Ich finde es besser, den ursprünglichen deutschen Begriffe “Mohammedaner” zu benutzen. Den jeder, der bei Mohammed im Koran nachschlägt, wird die gewaltverherrlichenden Suren finden. Daher halte ich “Muslim” für einen Euphemismus.

Helmut Bühler / 05.11.2017

Dass wir bald von dem unerträglichen Tiefflieger und Gesinnungstäter Heiko M. befreit sein werden ist das einzig Gute an der lächerlichen Jamaika-Posse, die derzeit aufgeführt wird.

Michael Genniges / 05.11.2017

Stimme zu, mit einer Ausnahme: diese Zensur ist längst nicht mehr milde.

Andreas Rochow / 05.11.2017

Die Regierung, die von dem Parlament der Volksvertreter nicht mehr kontrolliert wird, kann nach Belieben, Mobs organisieren: Antifa gegen Verlage, Mobs gegen gewählte Parteien, Mobs gegen Gastwirte und Hoteliers, die den verfemten Kost und Logis bieten, Mobs gegen genehmigte und friedliche regierungskritische Kundgebungen. Dafür werden 100 Millionen Euro aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt! Auch die Kirchen sind dabei, weil sie Synergien mit dem chaotischen Regierungshandeln entdeckt haben und am Beherbergungs- und Integrationsgeschäft kräftig mitverdienen und dafür ihre Kirchenfürsten als kreuzpopulistischen Ersatzpolitiker in Stellung gebracht haben. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist nur die Spitze des Eisbergs und wird in beunruhigendem Maße toleriert, obwohl es ein Herrschafts- und Faschisierungsmittel par excellence ist.

Thomas Nuszkowski / 05.11.2017

ZITAT: “milde Zensur” Was soll die Selbstrelativierung? Zensur ist Zensur. Zensur ist nicht erst dann Zensur, wenn sie allumfassend ist.

Dietmar Schmidt / 05.11.2017

Hallo Herr Buurmann, wenn wir uns die Einseitigkeit der Leitmedien vor Augen führen brauchen wir uns eigentlich über nichts mehr zu wundern. Für mich waren und sind die sozialen Netzwerke kein Hort für differenzierte und abwägende Meinungsvielfalt. Wahrscheinlich engt das Gesetz noch mehr ein. Wie wir uns gegen die dumpfen Fundamentalisten zur Wehr setzten können, da habe ich leider auch keine Idee. Gruß Dietmar Schmidt

Dietrich Herrmann / 05.11.2017

Warum nennen Sie den Melde-Mob nicht so, was er ist: Denunziantentum. Und zwar genau derartiges Denunziantentum, wie es im 3. Reich existierte., nur dass der Denunzierte NOCH nicht um sein Leben fürchten muss.

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