Peter Grimm / 17.05.2022 / 16:00 / Foto: Pixabay / 11 / Seite ausdrucken

Netflix will nicht zensieren

Die Richtlinie zur Unternehmenskultur enthält jetzt einen Passus zur Duldung von Inhalten, die Mitarbeitern weltanschaulich nicht behagen.

Manchmal sind es die kleinen Meldungen, aus denen sich vielleicht Fünkchen Hoffnung herauslesen lassen. Netflix musste jüngst bekanntlich einen historischen Abonnentenverlust verzeichnen. Das Unternehmen erklärte den ersten Rückgang an Abonnements zunächst nur mit dem wachsenden Wettbewerb am Streaming-Markt, der gemeinsamen Nutzung von Passwörtern und mit makroökonomischen Faktoren wie Inflation und Ukraine-Krieg, berichtete t3n.de. Ob mit Sinn für Selbstironie oder in der Routine der neuen Normalität schrieben die Kollegen dann wörtlich: Einige Kritisierende des Dienstes führen die finanziellen Schwierigkeiten von Netflix jedoch auf politisch korrekte Inhalte zurück, die dem Unterhaltungswert schaden würden. Die Vermeidung des Wortes „Kritiker“ aus Gründen politischer Korrektheit schadete analog dazu dem Lesefluss.

Doch der Beitrag von t3n.de widmete sich vor allem den Konsequenzen, die Netflix daraus zu ziehen bereit ist: Netflix will, dass Mitarbeitende politisch neutral gegenüber neuen Inhalten bleiben. Da ist sie wieder, die politisch korrekte Sprache. Allerdings kann die Formulierung an dieser Stelle auch als Präzisierung durchgehen, denn wenn ein Mitarbeiter gerade kein Mitarbeitender ist, also außerhalb seiner Netflix-Arbeitszeit, darf der Arbeitgeber natürlich auch keine politische Neutralität von ihm verlangen.

Der Konsument als Kraft der Vernunft

Es geht in der Meldung darum, dass Netflix seine Richtlinie zur Unternehmenskultur zum ersten Mal seit 2017 aktualisiert hat. In einem neuen Abschnitt werden die Mitarbeiter auf einen Umstand hingewiesen, den Ältere in einer freien Gesellschaft noch für selbstverständlich hielten: Sie müssten möglicherweise auch an Inhalten arbeiten, die ihren persönlichen Werten zuwiderlaufen, heiße es da. „Nicht jede Person wird alles an unserem Service mögen – oder damit einverstanden sein“, wird aus der Mitteilung des Unternehmens an seine Mitarbeiter zitiert. „Wir lassen die Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden, was für sie angemessen ist, anstatt bestimmte Kunstschaffende oder Stimmen zu zensieren.“

Ein Bekenntnis zur Nicht-Zensur, ist das nicht toll? Ja, man könnte jetzt natürlich beklagen, wie schlimm die Zeiten doch sein müssen, in denen so etwas extra betont wird, als sei Zensur schon der Normalfall. Aber vielleicht sollte man sich in dieser wenig freudvollen Zeit eher daran erfreuen, dass das Konsumentenverhalten ein wichtiges Medienunternehmen offenbar dazu zwingen kann, sich gegen die Zensur zu bekennen.

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Volker Kleinophorst / 17.05.2022

Is ja revolutionär. Man will Inhalte bringen ohne zu fragen, ob da irgendeine Pfeife sich eventuell oder auch nur theoretisch auf den Schlips (Achtung patriarchalische Formulierung) getreten fühlt. Wie soll man das bloß nennen? Meinungsfreiheit? Oder klingt das zu sehr nach gestern.

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