Necla Kelek, Gastautor / 14.05.2009 / 09:41 / 0 / Seite ausdrucken

Necla Kelek: Wir basteln uns eine Moschee

Der Direktor des kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, Claus Leggewie bleibt seinen linken Wurzeln treu.  Zusammen mit der Religionswissenschaftlerin Bärbel Beinhauer-Köhler hat er ein Buch über „Moscheen in Deutschland“ (Beck, 240 Seiten, € 12,95) geschrieben, dass, wenn es nicht so symptomatisch für einen bestimmten Teil der politischen Debatte in Deutschland wäre, als Fleißarbeit von Belegesammlern beiseite gelegt werden könnte. In den Nach-68er Jahren , als noch der „Marsch durch die Institutionen“ angesagt war ( den Leggewie erfolgreich absolviert hat ) ,  waren Fibeln für Bürgerinitiativen, Anleitungen wie eine Bewegung gegen das Baumsterben o.ä. effektiv organisiert werden kann,  in Mode. In diesem Retro-Stil sind auch seine „Handlungsempfehlungen“  für den „besseren Weg zur Moschee“  geschrieben. Dem „Kursbuch“ (ältere Leser werden sich erinnern) lag in den guten Zeiten immer ein „Kursbogen“ bei,  auf dem z.B. die Kapitalverflechtungen illustriert wurden. Bei diesem Buch hätte der Verlag einen Ausschneidebogen mit dem Bauplan einer Moschee beilegen sollen, damit die Moscheevereinsinitiative sich ihre Fatih-Moschee schon mal selbst basteln kann. Rührend wie der Autor versucht, den Moscheebauern seine basisdemokratischen Tipps zu vermitteln. Die Finanziers der 200 Moscheeprojekte (Namen mag man nicht nennen, aber die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie ermittelt u.a. wg. Betrug) werden sich ins Fäustchen lachen über so viel Naivität.

Was Leggewie als Versachlichung der Debatte um den Islam ausgibt, ist die Aufbereitung kulturelativistischer alter Feze unter Auslassung der sozialen Realität und gleichzeitiger Denunziation der Gegner.

Während im ersten Teil die Geschichte des Moscheebaus in Deutschland verdienstvoll referiert wird, wobei die Autorin sich bemüht, Wertungen außen vor zu lassen, versucht Leggewie die Moscheebaubewegung politisch einzuordnen und die Vorbehalte gegen den Bau von Moscheen aufzubrechen. 
 
Leggewie sieht den Islam nicht als Weltanschauung mit einem differenten Menschen-,Welt- und Gesellschaftbild,  ja er vermeidet geradezu eine Auseinandersetzung darum, was der Islam ist, was er will, er verneint damit geradezu die politische Dimension dieser Religion,  seiner strukturellen Folgen und reduziert sie auf ein Identitäts- und Verhaltensmuster. Das ist eine geradezu unpolitische, reduktionistische Haltung, die bei der ideologischen Vergangenheit des Autors dann doch überrascht.

Nur unter Ausklammerung der politischen Dimension, der Diffferenzen und Zerstrittenheit kann er die (durch die Realität widerlegte) These von der allmählichen Integration des Islam durch Teilhabe als einzige Möglichkeit propagieren und den Moscheebau auf ein Vermittlungsproblem reduzieren.  Politik als Mediation, dass scheint die Ultima-ratio der ehemaligen Revolutionäre zu sein.

Gegen andere Auffassungen fährt er dann konsequenterweise Totschlagsargumente auf. Er meint , ich würde „publizistische Todesurteile für liberale Muslime“  (S. 156) und die säkularen Muslime in die Hände der Fundamentalisten treiben, wenn ich schreibe „Der Islam ist nicht integrierbar“.  Das ich im nächsten Satz geschrieben habe „der einzelne Muslim aber sehr wohl“ verschweigt Leggewie.  Ich betone stets den Unterschied zwischen dem Recht des Einzelnen auf positive wie negative Religionsfreiheit und der Religion des Islam als Glaubenspartei. Der Islam als System – und das sage ich als Soziologin,  die sich wie Leggewie mit Max Weber auseinandergesetzt hat – betrachtet den Menschen als Sozialwesen, als Teil der Gemeinschaft, des Kollektiv und nicht als Individuum. Der Islam hat eine eigene normierende Kraft, die sich u.a. in den Rechtsnormen der Scharia ausdrückt. Es ist aber schlicht so, dass unser gesellschaftlicher Common-Sense diesen Gedanken des Kollektivs als bestimmende Struktur nicht akzeptieren kann, das Religon ein Teil unserer Freiheit ist und nicht über der Verfassung stehen kann. Wir müssen um unsere Gesellschaft zu schützen darauf bestehen , dass der Staat nötigenfalls den Einzelnen auch gegen den Staat in Schutz nimmt. Der Islam als System – von Spiritualität sprechen wir ja gar nicht mehr – will eine andere als die offene „westliche“ Gesellschaft. Wer die Debatten mit den Islamverbänden – ich führe sie seit fast drei Jahren in der Islamkonferenz – verfolgt, wird unschwer feststellen, dass sich hier Welten gegenüberstehen.

Und es ist auch nicht richtig, dass Kritik am Islam die Fundamentalisten stärkt. Das Gegenteil ist der Fall. Seit es die Islamkonferenz und einige wenige Kritiker gibt, haben die konservativen Verbände die Deutungsmacht über das was der Islam sein kann oder soll,  abgeben müssen. Sie werden immer wieder aufgefordert sich mit den Anforderungen unserer Demokratie und Werteordnung auseinanderzusetzen. Sie stehen unter Legitimationsdruck. Ließe man sie in ihren Koranschulen und Männerhäusern gewähren,  würde die Segregation der muslimischen Migranten noch rascher voranschreiten. Nur dadurch, dass ihr Handeln im Licht der Öffentlichkeit steht, haben sich einige wenige Dinge zum Besseren gewendet oder gehen nicht mehr ohne Widerspruch – dafür ist der Moscheebau oder die Kopftuchdebatte ein Beispiel,  aber auch die Diskussion um Bildung, Gewalt in der Familie etc.  . Auch trauen sich seit einiger Zeit mehr Muslime offen über Probleme zu sprechen, weil die Öffentlichkeit zuhört. 

Leggewie verkürzt die Diskussion um den Islam auf ein Vermittlungsproblem. Das ist falsch und setzt die Akzente schief.  In den verschiedenen Moschee-Vereinen und Islamverbänden sind von den geschätzt über drei Millionen als Muslime bezeichneten etwa 150.000 Gläubige -  vornehmlich Männer – die Moscheen besuchen. Gehen wir davon aus, dass diese Männer Familien haben, können wir von 500 - 800.000 Gläubigen sprechen, die im Einflußbereich der Islamverbände sind und für die Moscheen gebaut werden. Es gibt etwa zur Zeit etwa 2500 kleine und größere Moscheen. Geht man weiter davon aus, dass in jede Gebetsstätte mindesten 100 Betende passen, wären bereits jetzt für 250.000 Betende Platz.

Das ist eine Gruppe, die weniger als 1% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Diese Gruppe ist gut organisiert, wird zum größten Teil aus dem Ausland, d.h. konkret aus der Türkei und arabischen Ländern finanziert und angeleitet. Sie bestimmt das Bild des Islam in Deutschland. Und dieses Bild ist das Community, dass einem konservativen bis archaischen Islambild anhängt, wie der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban in einer Internet-Studie festgestellt hat.  Säkulare Muslime haben – bis auf ganz wenige Ausnahmen wie die eine klare säkulare Position vertretende Frankfurter Ärtzin Ezhar Cezairli - keine Stimme. Es gibt sie in organisierte Form einfach nicht, weil sie Teil der deutschen Gesellschaft geworden sind und sich auch als Bürger verstehen. Aber den wenigen fehlt dann oft, wie sich schön an der Haltung des immer gern als fortschrittlichen Muslim vorgezeigten Schriftstellers Navid Kermani nachweisen liesse, die Distanz. Sie begeben sich in eine Verteidigungshaltung, die Probleme ignoriert, weil sie glauben sie persönlich überwunden zu haben. Es ist der Reflex , ein Problem allein auf sich zu beziehen und zu folgern, weil „Ich“ dieses Problem nicht habe, darauf zu schließen, dass „Wir“ (Muslime)  dieses Problem auch nicht haben können. Es ist eine Reaktion wie sie die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün fertigbrachte, als sie auf mein Buch „Die fremde Braut“ in dem es um Importbräute aus Anatolien ging, glaubte erklären zu müssen, dass arrangierte Ehen von Türken kein Problem seien , schließlich sei sie auch Türkin und habe   aus Liebe geheiratet. 

Würde Claus Leggewie seinem emanzipatorischen Anspruch folgen, müsse er sich gerade für die Teilhabe der schweigende Mehrheit der nichtorganisierten Muslime stark machen, ihre Freiheitsrechte stärken, die rationale Auseinandersetzung mit dem Islam fördern, den politischen Diskurs suchen anstatt den Männerhäusern der Konservativen das Wort zu reden.  Die Muslime sind Teil unserer Gesellschaft, sie haben Anspruch auf Moscheen, aber wir müssen gleichzeitig konsequent dem politischen Islam entgegentreten. Das wäre so etwas wie Dialektik und würde auch bedeuten, das sich Claus Leggewie von einem liebgewordenen Retro-Weltbild verabschiedet, nachdem unsere Gesellschaft sich immer noch in Täter und Opfer aufteilt.

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