Bekanntlich ist ja auch schon das Alte Testament stark “antisemitisch” geprägt, eine wahre “Hetzschrift”, da wird den Juden ordentlich eingeschenkt ob ihrer Laster (Batseba) und Zaster (Mammon). Und dann diese geschmacklose Sache mit dem Goldenen Kalb. Nackte Blasphemie! Generationen von Kindern wurden so mit starken Vorbehalten gegen die Juden indoktriniert und für ihr Leben gezeichnet. Der Dichter wünscht sich also durchaus nachvollziehbar bekehrte Juden, die sich nicht “von Gott gekehret” haben. Was aber hat das mit “judenfreier Einigkeit” zu tun? Ist “Der Kaufmann von Venedig” nicht eigentlich auch “antisemitisch” und könnte Herr Weimer nicht auch hier mal ein Verdikt sprechen? Nein, denn Shakespeare ist eine andere Hausnummer und vor allem war er kein Deutscher.
Herr Weimer, machen Sie sich doch bitte nicht die Weltsicht unserer sühnestolzen linksgrünen Gutmenschen zu eigen. Handeln und poltische Gesinnung historischer Personen muss man an ihrem historischen Kontext messen und nicht an heutigen Moralvorstellungen.
Was Herr von Fallersleben sonst noch geschrieben hat, ist für die Beurteilung der Nationalhymne als geeignet oder ungeeignet völlig unerheblich, es tut nichts zur Sache. Ebensowenig wie die Antwort auf die Frage, ob der Komponist Haydn etwa ein Haustyrann, Zechpreller oder Linkshänder war. Allein der vorliegende Text interessiert; und der ist wesentlich braver und friedfertiger als die Texte so manch anderer Nationalhymnen unserer europäischen Nachbarn, und das gilt sogar auch für die erste und zweite Strophe. - Eine völlig überflüssige und an den Haaren herbeigezogene Debatte.
Ramelow hat einen Punkt ? Vermutlich der erste und der letzte ?
Sehr geehrter Herr Weimer, es erscheint mir richtig, dass Sie darauf aufmerksam machen, dass Bodo Ramelow durchaus gute Gründe für seine kritische Betrachtung des Textes der Nationalhymne geltend machen könnte. Zugleich ist es aber grundsätzlich problematisch, wenn nicht der Text, sondern sein Autor dabei im Vordergrund steht. Was sich Hoffmann gedacht hat, als er jene drei Strophen schrieb, ist ziemlich gleichgültig, vor allem werden wir es wohl kaum erfahren – und müssen das auch nicht. Denn es geht ja nicht um ein Denkmal für den Dichter, sondern um den Text des sog. „Deutschlandliedes“, und in ihm ist nun wirklich nicht von Antisemitismus, von Franzosenhass u.dgl. die Rede. Übrigens gilt das natürlich auch für mögliche Alternativen: Brechts „Anmut spartet nicht noch Mühe“ oder Bechers Hymne, die in der DDR zeitweise Nationalhymne war, sind große Texte (und in meinen Augen bedeutender als Hoffmanns „Einigkeit und Recht und Freiheit“), vollkommen unabhängig von den charakterlichen Eigenschaften und den politischen Präferenzen ihrer Autoren. Ist man sich darüber klar, dass man hier nicht über Personen, sondern über Geschriebenes spricht, würde das die Diskussion sicher wünschenswert versachlichen.
Da viele Leser dankenswerterweise schon die richtigen Antworten gegeben haben, nur soviel: zéro points pour Wolfram Weimer.
Was, Herr Weimer, wird man von Ihnen in 200 Jahren denken, wenn sich die Ansichten gewandelt haben, aus der zukünftigen Sicht betrachtet? Vielleicht werden dann Ihre heutigen Ansichten als völlig abartig angesehen, Ihre Schriften verboten werden. Inschallah, wie schon Bodo Ramelow im Herbst 2015 sagte.
Einen hätte ich noch. »Un wat hadden wi denn dahn? Nicks, gor nicks. Blot in uns’ Versammlungen un unner vir Ogen hadden wi von Ding’ redt, de jetzt up apne Strat fri utschrigt warden, von Dütschlands Friheit und Einigkeit. Äwer taum Handeln wiren wi tau swack, taum Schriwen tau dumm, dorum folgten wi de olle dütsche Mod’: wi redten blot doräwer.« War Fritz Reuter etwa Nazi? Müssen seine Werke jetzt verboten und seine Bücher verbrannt werden? Vom Schöpfer von “Max und Moritz” möchte ich garnicht erst anfangen.
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