Nächste Runde in bekanntem Volksverhetzungs-Fall

Als die Rentnerin Doris van Geul im Dezember aufgrund eines migrationskritischen Kommentars zu fast 8.000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde, rief dies massive Empörung hervor. Spender ermöglichten ihr aber eine Berufung. Darüber wird in diesem Monat in Düsseldorf verhandelt.

„Blablabla. Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind, mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger." Das schrieb die heute 75-jährige Rentnerin Doris van Geul im Oktober 2023 in einem Facebook-Kommentar. Der Kommentarbereich war auf einen Artikel bezogen, in dem der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) abgebildet war und mit der Aussage „Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken" zitiert wurde. „Die Aussage von Habeck hat mich wütend gemacht", begründete van Geul ihren Facebook-Kommentar später. Sie habe bis zu ihrem 72. Lebensjahr gearbeitet und nun keinerlei Verständnis für die deutsche Migrationspolitik. 

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf klagte van Geul daraufhin vor dem dortigen Amtsgericht an. Wer die Anzeige gestellt hatte, weiß sie bis heute nicht. Und vom Amtsgericht Düsseldorf wurde sie am 6. Dezember 2024 wegen Volksverhetzung zu 150 Tagessätzen in Höhe von 53 Euro, also einer Geldstrafe in einer Gesamthöhe von 7.950 Euro, verurteilt. Dass die Strafe so hoch ausfiel, wurde vom Gericht auch damit begründet, dass die Rentnerin noch einen Strafbefehl wegen „übler Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens" in Raten abzuzahlen habe. Sie habe einen Artikel geteilt, in dem „Grünen-Politiker negativ dargestellt wurden", erklärte Doris van Geul dazu auf Nachfrage. Für die Rentnerin, die in einer Stadt wie Düsseldorf mit rund 1.600 Euro Rente monatlich zurechtkommen muss, war die Verurteilung nach dem noch nicht abbezahlten Strafbefehl ein weiterer harter Schlag.

Ein weiterer Grund für die massive Empörung, die das Urteil weit über Düsseldorf hinaus auslöste, war die Tatsache, dass sich weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht Mühe gegeben haben, zu verbergen, dass es ihnen dabei auch um die „falsche" Meinung van Geuls gegangen ist. „Das klang jetzt gerade so, als ob Sie die Politik auch weiterhin nicht gutheißen würden", fuhr der noch junge Staatsanwalt die Rentnerin barsch an, nachdem sie die Gründe erläutert hatte, die zu ihrer Kommentierung auf Facebook geführt hatten. Kurz darauf forderte er in seinem Plädoyer, van Geuls „massive Politikkritik" müsse „strafschärfend berücksichtigt werden". 

Falsche Vorbehalte?

Die mündliche Urteilsbegründung des Richters wirkte anfänglich, als ob er bemüht wäre, dem durch die Ungeschicklichkeiten des aggressiv wirkenden Staatsanwaltes hervorgerufenen Eindruck, die Rentnerin sei in Wahrheit wegen ihrer politischen Meinung angeklagt worden, entsprechend entgegenzuwirken. „Wenn aber Teile der Bevölkerung so angegangen werden, dass zum Hass aufgerufen wird", sei eine Volksverhetzung im strafrechtlichen Sinne gegeben, schlug aber auch der Strafrichter schnell eine andere Richtung ein. Der letzte Satz von van Geuls Kommentar sei auf „Leute" bezogen, „die als Asylbewerber bereits nach Deutschland gekommen sind oder noch nach Deutschland kommen werden", führte er aus. Und damit würde der Kommentar der Rentnerin „zum Hass anstacheln", was als Volksverhetzung zu werten sei.

In der Gesellschaft bestehen „Ängste und Vorbehalte" gegenüber Asylbewerbern, sagte der Richter weiter. Und der Facebook-Kommentar von Doris van Geul „bewege sich sehr nahe an diesen Vorbehalten und der Medienberichterstattung dazu", argumentierte der Strafrichter. Mit seiner Behauptung, diese „Vorbehalte" seien „falsch", schlug die Begründung des Richters jedoch selbst in eine politische Meinungsäußerung um. Dabei argumentierte er mit Zahlen, die angeblich belegen würden, dass es keinerlei entsprechenden „Sachzusammenhang" geben würde. Diese Formulierung wurde als Anspielung auf den politisch und medial immer wieder diskutierten Zusammenhang zwischen Migration sowie dem Anstieg von Messer- und Sexualdelikten verstanden. Wo die Zahlen, auf die sich seine Argumentation stützte, zu finden seien, verriet der Richter jedoch mit keinem einzigen Wort.

Die Empörung über das Urteil sorgte aber auch für eine Welle der Solidarität mit der Rentnerin. Bereits am Tag nach dem Urteil fragten viele Leser nach, wo für eine Berufung ihres Verfahrens gespendet werden kann. Ein ehemaliger Manager eines Großkonzerns bezahlte die noch ausstehende Schuld aus ihrem Strafbefehl und kündigte an, den Differenzbetrag zwischen dem Ergebnis der anderen Spenden und den Kosten einer Berufung zu übernehmen. Damit wurde es möglich, dass Doris van Geul Berufung gegen das Urteil einlegen konnte. Und über diese Berufung wird nun am 18. Juni am Landgericht Düsseldorf verhandelt.

„Ich möchte mich bei allen bedanken, die an meinem Fall Anteil genommen haben", sagte Doris van Geul im Vorfeld ihrer Berufung. „Der Zuspruch, den ich erfahren habe, hat mich überwältigt. Natürlich waren die Spenden, die eingegangen sind, eine große Hilfe. Und unabhängig davon, wie die Verhandlung am Landgericht ausgeht, weiß ich jetzt, dass viele Menschen hinter mir stehen. Das macht mir Mut und gibt mir Hoffnung." 

"Vollständig rehabilitieren"

Anwaltlich vertreten wird Doris van Geul in dem Berufungsverfahren durch den Bonner Strafverteidiger Mutlu Günal. Dies dürfte neben der Enttäuschung darüber, dass ihr erster Anwalt die Anklage vor dem Amtsgericht vorschnell eingeräumt hatte, auch darin begründet sein, dass sich Günal über die Jahre den Ruf eines im Gerichtssaal stets streitbar und offensiv, aber niemals aggressiv auftretenden Verteidigers erworben hat. Da der 50-Jährige bereits mehrfach Islamisten verteidigt hat, etwa den Salafisten-Prediger Sven Lau oder Ibrahim Abou-Nagie, den Organisator der „Lies!"-Koranverteilaktion, wird er medial nicht selten als „Szene-Anwalt" bezeichnet. Zu Unrecht, denn das Repertoire des gebürtigen Rheinländers umfasst Kapital- und Wirtschaftsstrafrecht ebenso wie Jugend- und allgemeines Strafrecht sowie weitere strafrechtliche Felder. 

Auch nicht-linke Politiker wurden von Günal bereits verteidigt. So etwa der ehemalige Kölner CDU-Politiker Hans-Josef Bähner, der 2021 angeklagt wurde, er habe aus fremdenfeindlichen Motiven in der Nähe seines Grundstücks auf einen 20-jährigen Migranten geschossen. Mutlu Günal sah darin aber eine Notwehrhandlung und forderte einen Freispruch für den ehemaligen CDU-Politiker. Den Nebenkläger bezeichnete er in seinem Plädoyer als „Hochstapler und Lügner". Nach einer massiven Kampagne linker Gruppierungen abseits des Gerichtssaals endete das Verfahren jedoch damit, dass der zum Zeitpunkt der Verhandlung 74-jährige Bähner vom Landgericht Köln wegen gefährlicher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

„Meiner Mandantin ist von der Justiz großes Unrecht widerfahren", sagte Mutlu Günal auf die Frage, was er von der Berufungsverhandlung erwarte. „Jetzt gilt es, Frau van Geul vollständig zu rehabilitieren. In unserem Rechtsstaat sollte es möglich sein, seine Meinung frei äußern zu dürfen, ohne von der Justiz derart eingeschüchtert und verfolgt zu werden. Und ihre Äußerungen waren eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt."

 

Peter Hemmelrath arbeitet als Journalist und Gerichtsreporter.

Foto: Peter Hemmelrath

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Günter H. Probst / 09.06.2025

Warum nur galt den Früheren die Justiz als Hure der Herrschenden? Auch dieser Fall zeigt, daß der Volksverhetzungs§ den politischen Mißbrauch geradezu heraus fordert. Er hat in einer Demokratie, die der offenen Diskussion bedarf, nichts zu suchen. Ich nehme auch gerne in Kauf, daß mich Türken in gehobenen Positionen als Kartoffel, Köter oder kulturlos benennen. Schade, daß es keine mutigen Abgeordneten mehr gibt, die diesem § den Garaus machen.

Fritz Dieterlein / 09.06.2025

Arndt Frhr. von Witzendorff / @ Waren sie es nicht der auch Frau Merkel auf ACHGUT in den höchsten Tönen lobte. M.G.

Josef Cissek / 09.06.2025

Jetzt wissen wir, wie das war zwischen 1933-45 und bis 1989 in Mitteldeutschland. Kein Richter wollte dabei gewesen sein. Sie haben alle nach den gültigen Gesetzen Unrecht gesprochen. Ich empfehle DVD “Das Urteil von Nürnberg” mit Burt Lancaster und Marlene Dietrich. Den jungen Maximilian Schell, Spencer Tracy und Richard Widmark auch nicht zu vergessen.

Marco Nguitragool / 09.06.2025

Rechtsstaat? Im heutigen Deutschland? Seit Corona-Wahn kann ich kaum noch etwas davon erkennen. Der weimarer Richter, der das Wohl von Kindern mutig verteidigte und dafür selbst vor Gericht gestellt & abgeurteilt wurde, ist nur eines von vielen Schandmalen der heutigen Justiz—und zumindest für mich ein Held. Und dies ist bei weitem kein Einzelfall: Michael Ballweg war ohne Anklage über 9 Monate inhaftiert. Sogar das Gericht wollte schon das Verfahren einstellen, aber die weisungsgebundene & politisch gesteuerte Staatsanwaltschaft schleppt das Verfahren bis jetzt weiter—ohne je plausible Anklagepunkte vorgelegt zu haben. Reiner Füllmich wurde in einem Verfahren abgeurteilt, das man nur als Farce bezeichnen kann. Unzählige Ärzte, die ihren Eid erfüllten, statt sich zu BigPharma-Schergen machen zu lassen, wurden dafür ebenfalls abgeurteilt und zerstört (meist nach & trotz Veröffentlichung der RKI-Protokolle). Sie alle füllen eine Liste der Schande, die es nach Roland Freisler niemals mehr hätte geben dürfen! Doch es gibt sie und die Politisierung der Justiz schreitet noch immer fort. // Übrigens hatte auch die DDR eine Verfassung, in der Bürgerrechte “garantiert” wurden. Doch durch eine ideologisierte Justiz, der die heutige BRD-Justiz von Jahr zu Jahr ähnlicher wird, war von diesen Bürgerrechten in der Praxis nichts übrig. Noch ist die BRD nicht ganz bei diesen DDR-Zuständen angekommen, doch sie hat einen guten Teil des Weges dorthin schon beschritten. Die heutige BRD ist der DDR, aus der ich vor 4 Jahrzehnten floh, um einiges ähnlicher als der damaligen BRD.

Zdenek Wagner / 09.06.2025

ZITAT: “Ich war von 1973 bis 2004 (31 Jahre!) Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie Systemkonform sind. Ich habe unzählige Richterrinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erleben müssen, die man schlicht kriminell nennen kann. Sie waren/sind sakrosankt, weil sie ‘Par Ordre Du Mufti’ gehandelt haben, oder vom System gedeckt wurden, um der Reputation willen. In der Justiz gegen solche Kollegen vorzugehen, ist nicht möglich, denn das System schützt sich vor einen Outing selbst - durch konsequente Manipulation. Wenn ich an meinen Beruf zurückdenke (ich bin im Ruhestand), dann überkommt mich tiefer Ekel vor “meinesgleichen”! -Zitat ende- *) Frank Fahsel, Richter a.D., in der Süddeutsche Zeitung vom 9. April 2008

Else Schrammen / 09.06.2025

Meinee, wie oft habe ich schon in das gleiche Horn gestoßen wie Frau Geul. Allerdings äußere ich mich mit Kommentaren nicht bei X oder dem Fratzenbuch, ich ziehe Plattformen wie AchGut oder TE vor. Ich gebe allerdings zu, dass es nicht immer einfach ist, den Argusaugen der Politiker und der Justiz zu entgehen, wenn man die ach so fähigen Politik-Azubis kritisiert.  Aber wer weiß, wie lange man da noch ungestört seine Meinung frei sagen kann. Wie hieß es vor Jahrzehnten? “Vorsicht, Feind hört mit”!

Helmut W. Hoffmann / 09.06.2025

@Arndt Frhr von Witzendorf: sehr gut argumentiert, Herr von Witzendorf. Sie haben aber vergessen, Ihr Statement als Satire zu kennzeichnen, das sollten Sie schnellstens nachholen, da es sicher Zeigenossen gibt, die Ihren Sermon für authentisch hält.

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