Gastautor / 03.03.2012 / 11:52 / 0 / Seite ausdrucken

Nachspiel in Aachen

Nathan Warszawski

Nun wird das letzte pazifistische Aufgebot zur Ehrenrettung Scheidts aufgestellt. Otmar Steinbicker, ehemaliger Vorsitzenden des Aachener Friedenspreises AFP, der während und nach seiner Amtszeit nicht durch Fairness oder gar Liebe zu Israel aufgefallen ist, hat es geschafft, mit dem in Israel geachteten Journalisten Gershon Baskin ein Interview zu führen. Gershon Baskin war an der Freilassung von Gilat Shalit beteiligt, der von der Hamas räuberisch (völkerrechtswidrig trifft bei der Hamas nicht zu) von Israel in den Gazastreifen verschleppt worden war. Dafür genießt Gershon Baskin unser aller Dank, dem sich der AFP und Otmar Steinbicker nicht anzuschließen brauchen.

Gershon Baskin sagt, dass Frau Scheidt die israelische Politik kritisieren darf. Dass Kritik an Israel im Hinblick auf den Umgang mit Palästinensern nichts mit Antisemitismus zu tun hat. Dass, wenn die Deutschen und die deutsche Regierung glauben, dass Israel gegen seine eigenen besten Interesse handelt, sie nicht still bleiben sollten angesichts der Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern.

Gershon Baskin sagt auch, dass die Deutschen jede Gewalt, die zu politischen Zwecken eingesetzt wird, verurteilen sollten, und vor allem, wenn Gewalt gegen Zivilisten eingesetzt wird. Das schließt das Raketen-Feuer von Gaza in Israel ebenso ein wie die übermäßige Gewalt, die häufig durch die israelische Armee gegen palästinensische Bürger angewendet wird, die für ihre Rechte demonstrieren.

Wir wollen davon ausgehen, dass das Gespräch vom ehemaligen AFP-Vorsitzenden nicht entstellt und ohne grobe Unterlassungen digital wiedergegeben wurde.

Gershon Baskin hat 1988 das Israel Palestine Center for Research and Information IPCRI gegründet, welches nach eigenen Angaben, „the only joint Israeli-Palestinian public policy think-tank in the world“ ist. Gershon Baskin zählt in Israel somit zu den „Linken“. Die Juden, die in Judea, Samaria und Jerusalem außerhalb der Waffenstillstandslinie von 1949 leben oder siedeln, zählen zu den „Rechten“. „Rechts“ und „links“ haben somit keine Bezug zum Pazifismus oder zur Wirtschaftsform, wie in Deutschland allgemein geglaubt wird. „Rechts“ und „links“ drücken in Israel den Grad aus, den der Betroffene bereit ist, den Arabern politisch entgegenzukommen. Israelische Juden, die mit Arabern in Kontakt kommen und friedlich koexistieren sind gewöhnlich „rechts“ (Jerusalem), die „Linken“ ziehen es vor, dort zu wohnen, wo es sehr wenige Araber gibt (Tel-Aviv). Die sozialistischen Ideale werden heute in „rechten“ Siedlungen und in „linken“ Kibbuzim gelebt. In den Städten, wo die „Linke“ ihre Anhänger findet, herrscht der gut funktionierende alte Kapitalismus. Im Kriegsfall, der für Juden immer ein Verteidigungsfall ist, bricht der Unterschied zwischen „links“ und „rechts“ in sich zusammen.

Es wäre eine Unverschämtheit und eine Geschichtsfälschung, den Arabern zu unterstellen, dass sie politisch, wirtschaftlich und pazifistisch links seien und deshalb lieber mit linken Juden und linken Pazifisten aus Deutschland kooperieren.

Gershon Baskin hat durch seine Mitgliedschaft am IPCRI nichts zu befürchten. Im Gensatz zu seinen arabischen Mitstreitern, die je nach politischer Lage den Tod fürchten, der von Arabern beschlossen und vollstreckt wird. Gershon Baskin macht seinen arabischen Partnern Zugeständnisse, die er nicht zu erfüllen braucht. Die Araber können ihm keine Zugeständnisse machen, da sie à priori wertlos sind. Der Wert der Zusammenkünfte macht sich dann bemerkbar, wenn direkte Gespräche wegen Gesichtsverlust oder anderen Lappalien versperrt ist. So beim Freikauf von Gilat Shalit. Gershon Baskin kennt einen Araber, der sich nicht weigert, mit ihm, dem Juden zu reden. Dieser kennt wiederum einen Araber, der sich weigert, mit Juden zu reden, jedoch nicht mit Arabern, die mit Juden reden. Dieser Araber wiederum kennt einen Araber, der Juden hasst und die Entführer kennt. Ein „rechter“ Israeli würde den Anfang des Wollknäuels verpassen.

Analog stellen Sie sich vor, dass ein Aachener Jude von der rechtsgerichteten Kameradschaft Aachener Land KAL gekidnappt worden wäre. Ich würde zu seiner Rettung sofort bereit sein, den AFP zu kontaktieren, der wiederum jemanden kontaktieren würde, der mit mir nicht spricht, usw., usw.

Was sagt dieser Vergleich über Gershon Baskin und mich aus? Gershon Baskin hat etwas Großartiges bewirkt, wofür ich G-tt sei Dank bisher keine Gelegenheit hatte. Wird ein Antisemit, der mit ihm ein Interview führt deshalb zum Israel- und Judenfreund? Genauso wenig wie ein KAList oder PIst, der mich zitiert.

Studiert man die Internet-Seite des IPCRI, so erkennt man leicht, dass Gershon Baskin ein Profi in israelisch-palästinensischen Beziehungen ist. Verfügt er deshalb über genaue Kenntnisse im modernen Antisemitismus, der heute in Deutschland und in Aachen herrscht? Kennt er die veröffentlichten, von der Politik unbeanstandeten Verleumdungen, die Ralph Giordano und HM Broder entgegen geschleudert wurden? Er kennt sich glücklicherweise im modernen Antisemitismus Aachens nicht aus, sonst wäre er an seiner wichtigen Arbeit in Israel gehindert. Selbst politischen Parteien und Organisationen, die dem Frieden und der religiösen Zusammenarbeit verpflichtet zu sein glauben, haben einen tieferen, wenn auch einen gewollt eingeschränkten Einblick im modernen Antisemitismus Aachens, ganz zu schweigen von der Jüdischen Gemeinde und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Unser Lob und Dank gilt Gershon Baskin, der Gilat Shalits mit befreit hat und der weder Otmar Steinbicker, noch Hilde Scheidt gekaschert hat.i

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