Moment noch. Sie sollten sich zunächst zur Einstimmung das Video – Celia – von der Colt Clark Family und den Quarantine Kids ansehen. Ist es nicht bezaubernd? Doch. Es ist bezaubernd. Womöglich möchten Sie gleich auch die anderen Videos anschauen, zunächst Hooked On A Feeling und dann Wooly Bully (was bei uns unter dem Namen „Volle Pulle“ ein Hit war und man zu Anfang heraushören konnte, wie jemand „Walter mach die Tür zu“ ruft) und dann … und dann ... und dann …
Gerne. Ich werde schon noch rechtzeitig verraten, was das mit Muttertag und Vatertag auf sich hat und warum ich dem Charme dieser Musiker-Familie erlegen bin. Zum Schluss wird ein tolles Lied zum Muttertag aufgetischt. Versprochen. Noch etwas: Nichts Neues. Etwas Altes. Ein Sinnbild für den Vatertag – gleichermaßen für den Muttertag –, es passt sehr gut zu den Videos, rein vom feeling her, vom Gesamteindruck, also: Werfen Sie kurz einen Blick auf das Gemälde von Bartolomé Esteban Murillo (1618 bis 1682) Sagrada Familia del pajarito. Nun aber:
Muttertag!
Habe ich bei der Gelegenheit etwa meine Mutter angerufen? Nein! Ein Mama-Anrufer wollte ich keinesfalls sein. Auch kein Warmduscher, Schattenparker, Achterbahn-in-der-Mitte-Sitzer und keiner, der annonciert: „Bitte melde dich Opfer“ – kurz gesagt: kein Weichei.
Ich habe meine Mutter nicht am Muttertag angerufen. Das lag hauptsächlich daran, dass sie schneller war und mir immer, wenn ich dachte, ich müsste mal wieder anrufen, zuvorgekommen ist. Wir haben oft telefoniert. Da brauchten wir keinen Muttertag. Ich sah darin vor allem eine Geschäftsidee. In Amerika übersteigen die Umsätze zum Muttertag die zu Weihnachten und die zum Valentinstag. Mama, I love you. Mutterkitsch sells. Maybe more than sex.
Am besten gedeiht der Muttertag in kapitalistischen Gesellschaften, in denen sich der Staat nicht in die Familie einmischt. Länder mit sozialistischer Vergangenheit, in denen es keine klare Trennung vom Privaten und Politischen gibt und sich eine übergriffige Staatsmacht um alles kümmert – wie etwa Russland –, kennen keinen Muttertag. Die haben ersatzweise den internationalen Frauentag, über den ich mir schon ausführlich den Kopf zerbrochen und mit gebrochenem Herzen darüber auf Achgut.com berichtet habe: Woran denken wir, wenn wir an Frauen denken?
Frauen hier, Frauen da
Zwei Tage – zwei Möglichkeiten, all die wunderbaren Frauen aus dem wirklichen Leben zu feiern und ihnen mitzuteilen, dass sie geliebt werden. Feministen mögen den Muttertag nicht besonders, weil sie keine Mütter mögen. Dabei haben wir alle eine. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Eine Mutter kann dem Feminismus immer nur „ein Stück weit“ folgen, wie Björn Engholm sagen würde, wenn er noch etwas zu sagen hätte. Auf Dauer können Mütter ihre Ablehnung alles Männlichen, die im Feminismus fest eingeschrieben ist, nicht aufrechterhalten, spätestens dann nicht mehr, wenn sie im Kreißsaal die frohe Botschaft hören: „Es ist ein Junge“.
Ein Baby ist ein Mysterium. So etwas ist im Gender-Universum nicht vorgesehen. Auch wenn sich eine Mutter zeitweilig gewissen feministischen Moden zuneigt – ihre Neigung wird stets im Spannungsverhältnis zu ihren Muttergefühlen stehen.
Vatertag
Doch, doch – der Muttertag hat was. Die Möglichkeit, eine Mutter zu sein, ist die Trumpfkarte des Lebens: Näher kommt der Mensch nicht an das Schöpfungsgeheimnis heran. Die Erfahrung der Geburt ist etwas, das Frauen in aller Welt gemeinsam haben. Ich vermute, dass sich Frauen deshalb auch bereitwillig als Gemeinschaft sehen – als DIE Frauen. Männer tun das eher ungern und sehen sich nicht als DIE Männer. Mutterschaft ist tatsächlich ein bedeutender gemeinsamer Nenner, den die Frauen der Welt teilen – oder teilen könnten. Feminismus mit seinen wechselnden Modeartikeln, mit der ständigen Übellaunigkeit dem strikten Trennungsgebot, kann so einen Nenner nicht schaffen.
Männer kriegen das auch nicht hin. Richard Nixon hatte einst den „father’s day“ zum offiziellen Feiertag in den USA gemacht. Er war als Parallele zum Muttertag gedacht, hatte aber schon von Anfang an alles das nicht, was der Muttertag immer schon hatte. Ein Vatertag wirkte wie eine halbe Sache, eine Verlegenheitslösung.
In unseren Breiten ist der „Vatertag“ halb religiös, halb weltlich, mal wird er „Herrentag“ genannt, mal „Männertag“, mal „Christi Himmelfahrt“. Es fehlt das Verbindende, das Sinnstiftende, das den Muttertag auszeichnet. Aus Verzweiflung darüber stürzen sich die Männer an diesem Tag regelmäßig in den Suff, so dass in unseren Breiten die Männer an diesem Tag schon beizeiten breit sind und eine Fahne haben. Es geht aber auch anders. Blicken wir auf die Fahnen in Finnland.
Fahnen hier, Fahnen da
Da gab es bereits Überlegungen, den Vatertag abzuschaffen und ihn in „Verwandten- oder Freundetag“ umzutaufen, um so auf Kinder, die keinen anwesenden Vater haben, Rücksicht zu nehmen und damit eine Gleichheit im Negativen im Sinne der geschlechtergerechten Gleichstellung herzustellen: Wenn ein Kind einen Vater nicht beschenken kann, weil es keinen hat, dann sollen alle anderen, die einen haben, den auch nicht mehr beschenken.
So wird das nämlich in Finnland normalerweise gemacht. Da ist am Vatertag, der am 2. Novembersonntag begangen wird, ordentlich was los: Dem Vater wird das Frühstück ans Bett gebracht, die Frau macht ihm ein kleines Geschenk (vorzugsweise ein gutes Buch). Im Kindergarten werden Vatertagskarten gebastelt und nachmittags gibt es den traditionellen Vatertagskuchen, zu dem auch die Großeltern eingeladen werden.
Der Vatertag wurde nicht abgeschafft. Im Gegenteil. Er wurde aufgewertet. Im Jahr 2019 wurde er durch Regierungsbeschluss zum festen Beflaggungstag erklärt. Das können wir uns in diesen Breiten erst recht nicht vorstellen. Doch der Finne hat vor seiner Sauna einen Fahnenmast, und an Feiertagen wird Flagge gezeigt – nun auch am Vatertag. Damit wurde offiziell geregelt, was inoffiziell längst gemacht wurde. Doch der Staat wollte auch noch seinen Segen dazu geben, weil „Elternsein eine gemeinsame Sache ist mit all seinen Freuden und auch mit der Verantwortung“, wie es der Innenminister Kai Mykkänen erklärte.
Für Kinder das Beste
Na bitte, es geht doch. Deshalb behandele ich in meinem Nachruf den Vatertag und den Muttertag in einem Abwasch. Kinder brauchen Vater und Mutter. Better both parents. Das wäre in jedem Fall das Beste für die Kleinen. So vertreten es auch Organisationen wie die IG Jungen Männer Väter oder Trennungsväter e.V., die sich nicht etwa – wie es oft falsch verstanden wird – als Männerrechtler gegen Frauenrechtlerinnen in Stellung bringen. Eben nicht. Die Begriffe „Männer“ und „Rechte“ führen auf die falsche Fährte. Vielmehr sorgen sich die Verbände darum, dass „Väter“ ihre „Pflichten“ nicht erfüllen können, weil sie ihre Kinder nicht sehen dürfen. Die Ausgrenzung aus der Familie ist ihr großes Thema. Die Suche nach Wegen aus dem Drama steht ganz oben auf ihrer Dringlichkeitsliste.
Wo steht die Mutter?
Zurück zu den Videos der Colt Clark Family. Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: Sie nennen sich „Familie“, doch wo – so mag man sich fragen – ist eigentlich die Mutter? Die Frage kann man auch umgekehrt stellen: Wenn heute bereits eine Alleinerziehende als „Familie“ bezeichnet wird – und das geschieht tatsächlich –, kann man fragen: Wo ist eigentlich der Vater? Das fragt man sich auch, wenn man die Politik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verfolgt (im Volksmund „Ministerium für alles außer Männer“ genannt) und sich ein wenig auf ihrer Internetseite umschaut.
Werfen wir lieber einen Blick auf das Gemälde von Murillo – dem Gegenbild zum Ideal der Alleinerziehenden; dem Gegenbild zu der Vorstellung einer Familie, die meint, ohne Vater auskommen zu können. Hier haben wir sie alle. Mutter, Vater, Kind – obendrein einen Hund und einen Vogel. Das Bild heißt „Die Heilige Familie“, kommt aber ohne Kreuz oder Halbmond aus. Ein Bild von Maria mit dem Kind auf dem Arm haben wir alle vor Augen. Das kennen wir. Sowieso. Das sieht man überall. Doch was dann? Hier geht‘s weiter – Fortsetzung folgt. Das Kind steht inzwischen auf eigenen Beinen und lehnt sich an den Vater an, der lässt dem Kind die Freiheit, mit Hund und Vogel zu spielen. Die Mutter schaut wohlwollend zu.
Wo steht der Vater?
Die Welt des Mannes liegt im Dunkel. Auf seiner Seite ist es duster. Man ahnt nur etwas. Es sieht nach Arbeit aus. Frau und Kind dagegen stehen im Licht. Dennoch: Der Mann ist im Mittelpunkt, doch er hält sich zurück. Immerhin steht er nicht – wie sonst so oft – hilflos neben dem anderen Esel. Seine Arme sind wie Leitplanken, die für das Kind den Weg ins Offene markieren.
So auch bei den Videos. Die Mutter schaut zu, sie steht hinter der Kamera (so heißt es an einer Stelle, wir werden es gleich genauer wissen …). Sie lässt den Kindern und dem Vater freien Lauf. Sollen sie doch rumtoben und ihren Spaß haben. Ein bisschen Spaß muss sein, wusste schon Roberto Blanco. Sie wollen nur spielen. Wir sehen hier nicht etwa das Bildnis von einem Mann mit Schwert oder mit Schmiedehammer. Wir sehen einen Mann mit Gitarre. Er hält sich im Hintergrund. Er ist selber ein Spielkind, ein Kindskopf.
Mama, we love you
So eignen sie sich die Popmusik an, die sie aus dem Radio kennen, und machen daraus Hausmusik. Mittwoch ist Beatles-Tag: von I Saw Her Standing There (da heißt es statt „she was just seventeen“ aus aktuellem Anlass „she was just quarantine“ …) bis hin zu Rocky Raccoon und zu Come Together. Sie nehmen das Großartige aus der Popmusik heraus und fügen das Innige des Selbstgemachten hinzu. Sie sind glückliche Dilettanten. So bringen sie die Stücke der alten Beatles und der scheintoten Stones noch mal ins Rollen. Natürlich ist das eine Männerwelt. „It’s a men’s world“. Doch sie wäre nichts – nothing – „without a women or a girl“.
Sie wäre nichts ohne die Mutter. Es würde die Familie gar nicht geben – ohne die Mutter. Damit kommen wir endlich zum angekündigten Muttertagslied. Hier verraten sie, wo die Mutter steckt: Sie ist „upstairs“ bei der Oma.
Diesen beiden Frauen sind die Liebesmühen und Kunstanstrengungen der Quarantäne-Kids mit ihrem Papa in the background gewidmet. Hier ist der Text. Hier die Musik: Just Breath.
Mama, we love you!