Rainer Bonhorst / 16.06.2019 / 13:00 / Foto: Tomaschoff / 19 / Seite ausdrucken

Nachruf auf den Humor

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Aber wer soll lachen, wenn der Humor selber verschwindet? Die New York Times hat den gezeichneten politischen Humor aus der Zeitung und aus ihrem Online-Auftritt verbannt. Der ziemlich humorlose Grund: eine Karikatur, die weithin als antisemitisch empfunden wurde. Eigentlich kann mir die New York Times wurscht sein. Ich melde mich nur zu Wort, weil es in meinen Augen einen tieferen und höchst ansteckenden Grund für diese Entscheidung gibt: Der totale Abschied vom Humor, zumal vom politischen Humor, ist dem Zeitgeist geschuldet.

Seit es Karikaturen gibt, gibt es Ausrutscher, die besser nicht den Weg ins Blatt gefunden hätten. Eine Karikatur, die Donald Trump als Blinden und Netanjahu als Blindenhund zeigt, gehört wohl in diese Kategorie, auch wenn ich schon Schlimmeres gesehen habe. Zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung. Neu ist, dass so ein Fehltritt genügt, um gleich zur Verbannung eines ganzen Gewerbes zu führen. Wirklich gleich? Es war wohl eher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Welches Fass? Das Fass der Humorlosigkeit. Jede Karikatur, die miese wie die brillante, bewegt sich heutzutage in einer gefährdeten Umwelt.

Ich fürchte, das Ende aller politischer Karikaturen bei der New York Times ist ein Vorgriff auf unsere mediale Zukunft. Sie droht nahezu humorfrei zu sein. Und dies wiederum wäre der endgültige Sieg der political correctness. Die politische Korrektheit, die, in Maßen genossen, sehr heilsam sein kann, wird als Überdosis zum Gift. Eine Folge ist der Tod durch Ersticken; durch Ersticken im Mief der Humorkontrolleure. 

Recep Erdogan, der Vater der Humorlosen

Nun leidet, wer keinen Humor hat, nur unter einer leichten Behinderung ganz ähnlich einer abwesenden Musikalität. Diese Behinderung ist nicht lebensbedrohlich. Es gibt erfüllte Leben ohne Humor und/oder ohne Musikalität. Man kann sogar das eine ohne das andere besitzen. Wie es – um ein klassisches Beispiel zu nennen – um die Musikalität Wilhelm Buschs bestellt war, weiß ich im Moment nicht. Verbrieft ist seine Zeile: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“

Dass Busch trotz dieser selbst formulierten Geräuschempfindlichkeit ein großer Humorist war, steht außer Zweifel. Oder besser: stand. Denn längst ist ihm die Humorpolizei auf den Versen. Sein Max und Moritz ist viel frecher, als heute die Polizei erlaubt. Ich sage nur: „Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke.“ Da hat es ein Richard Wagner heute viel leichter. Er war Erzeuger großer Musik, die nicht den geringsten Verdacht auf Humor aufkommen lässt. 

Wie gesagt, Humorschwäche ist keine schwere Behinderung. Der Schaden entsteht erst, wenn sie mit der herrschenden Macht zusammenfällt. Dann kommt es zur systematischen Unterdrückung von Humoräußerungen. In Diktaturen ist das gang und gäbe. Recep Erdogan, der Vater der Humorlosen, soll hier als Beispiel für seine Kameraden in aller Welt und zu allen Zeiten stehen.

In westlichen Demokratien sind es nicht die Regierenden, sondern die Hausmeister des Zeitgeistes, die dem Lachen ein Ende bereiten. Als Gschaftlhuber und -huberinnen der politischen Korrektheit sehen sie sich in der Rolle von Rächern der beleidigten Leberwürste. Als litten sie unter Humorneid, einem traurigen Verwandten des Sozialneids, stehen sie erst verständnislos vor jeder satirischen Äußerung, um ihr dann vermittels shitstorms, der Hexenhatz unserer Tage, den Garaus zu machen.

Offizielle Langeweile wie einst in der DDR

Humorarmut und politisch korrekte Gschaftlhuberei sind zwei Seiten einer Medaille. Und so ist es auch mit der gezeichneten und der geschriebenen Satire. Wer sich mit eingezogenem Schwanz von der Karikatur verabschiedet, dem fehlt früher oder später auch der Mut zur geschriebenen Satire.

Die Folge kann nur offizielle Langeweile wie einst in der DDR sein. Dies wiederum mit der Folge, dass der freche Witz in den privaten Untergrund abtaucht. Oder er kommt verschleiert daher wie eine strenge Muslima. Nichts tritt offen zu Tage, doch jeder weiß, was dahinter steckt. Das war die Methode Werner Finck, der durch genial doppeldeutiges Stottern immer wieder den humorfernen Herren der Gestapo durchs Netz ging.

Es stimmt ja: In der Unterdrückung erreicht der Humor ungeahnte Höhen. Wenn alles erlaubt ist, ermüdet der Witz schon mal in seiner endlosen Freiheit. Aber dieses letzte Problem gehört inzwischen eher der jüngeren, freieren Vergangenheit an. Wir nähern uns Schritt für Schritt wieder einer Gefechtslage, in der die Satire getarnt aus dem Hinterhalt schießen muss. Etwa wie jener DDR-Witz, der an einer Theke spielt. 

Sagt einer leichtfertigerweise zu seinem, ihm unbekannten Thekennachbarn: „Kennst du den Unterschied zwischen meinem Bier und Honecker? Nein? Mein Bier ist flüssig und Honecker ist überflüssig.“ Sagt sein Nachbar: „Kennst du den Unterschied zwischen deinem Bier und dir? Nein? Dein Bier bleibt hier und du kommst mit.“

Schaun wir also mal, wie weit die politisch korrekte Trostlosigkeit noch voranschreitet. Einen Trost gibt es immer: Egal, wie sehr sich die Steinwüste der Humorlosigkeit ausdehnt, unter dem Pflaster wuchert der Witz.   

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Bargel, Heiner / 16.06.2019

Die Steigerung von “Humorlosigkeit” ist “political correctness”. (John Cleese) Hat er schon in seiner Autobiografie (2015 auf deutsch erschienen) geschrieben.

Frank Holdergrün / 16.06.2019

Humor ist gesunder Menschenverstand, der tanzt. (Aus England) Dass Despoten und Politkorrekte, auch fundamental Religiöse etwas dagegen haben, ist eine traurige Tatsache. Denn die Dinge von der leichten Seite zu nehmen, ist diesen Blockwartnaturen fremd. Die Gottes-, Klima- und Gerechtigkeitsschwere lassen wenig Raum für fröhliches Menschsein.

Rudhart M. H. / 16.06.2019

Hoffen und harren ... - Humor und Witz wird doch schon längst durch Zotencomedy ersetzt. Der Onkel T. darf nicht sagen, daß er so ziemlich jeder , die nicht bei “3” auf dem Baum war an die ... gefaßt hat, aber Frau K. darf sofort danach den ...Terror als Sendung etablieren. Ja,ja - ist natürlich ganz was anderes! Ein Glück, daß ich die Gnade der frühen Geburt noch genießen konnte und somit noch in den Genuß eines Hildebrandtschen Scheibenwischers gekommen bin. Dafür haben wir jetzt Pennäler-Humor a la Böhmermenneken. Schlußendlich kann man auf diesen Humor wirklich verzichten, so daß es nur folgerichtig ist,  wenn die NYT aufgibt.

Zdenek WAGNER / 16.06.2019

Das sicherste Zeichen dafür, dass man es mit einer totalitären Gesellschaftsordnung, oder Religion zu tun hat, ist Humorlosigkeit, wobei hier ganz klar der Islam heraus sticht.  Zum Humor und ganz besonders zur Selbstironie gehören nun einmal Freiheit und der Mut zum selbstständigen Denken, selbst wenn die Wahrheit wehtut.  Im Kommunismus und in der Nazizeit konnte einen ein einziger Witz in den Gulag, oder ins KZ bringen., im Islam gar postwendend den Kopf kosten. Sollte uns das nicht zu denken geben?

Wolfgang Janßen / 16.06.2019

Wie sagte Werner Finck zu dem mitschreibenden Gestapoganoven: “Kommen Sie mit oder muß ich mitkommen?”

Jan Kandziora / 16.06.2019

Was hatte ich mir ausgemalt! Trump mit Blindenbinde in Schwarzweißrot, geführt von Blondi mit Kippa und Reißzähnen. Drumherum ein Bilderrahmen, eine Plakette ziert das Werk: » Kranke Wahrnehmung « Halt, geht nicht. So eine Karikatur hätte die NYT natürlich ohnehin nie gedruckt, stellt sie doch das eigene Weltbild in Frage. — Dann habe ich gegoogelt. Netanjahu als etwas zu selbstsicherer Teckel führt einen blinden Trump. Wurde schon tausendmal variiert. Die Kippa trägt seltsamerweise Trump. Naja. Klug allerdings die Entscheidung, gar keine Karikaturen mehr zu drucken, wenn man bei der Auswahl überfordert ist.

Siegmar Sulzer / 16.06.2019

Seine Haende zur einer Raute falten, das ist politisch korrektes verhalten, politisch Korrekt sind die braven Hasen, die Mutti elf minuten lang beklatschen. Politisch korrekt ist Schulschwaenzen am freitag, gegen Kohle zu huepfen vor dem Reichstag mit Greta Thunberg zu protestieren, anstatt in der Schulbank darueber zu debattieren. Die GEZ-Medien haben mit Framing gelernt, sowas ist ein politisch korrektes Machtinstrument, Maischberger, Illner und co.wollen alles anstellen, um Dunkeldeutschland politisch Korrekt zu erhellen. Deutschland ist auf der Welt die einzige Nation, wo tadellos funktioniert die Gruene Indoktrination, Teddybaerwerfer, Bahnhofsklatscher und Klimafreitagshuepfer, deutschland Zukunft sehe ich duester.

Detlef Fiedler / 16.06.2019

Hallo Herr Bonhorst. Danke für den prima Artikel. Wir gleiten hinüber in längst vergangen geglaubte dunkle Zeiten. Hirnlose Sprechmaschinen und fanatische Demagogen versuchen zu dominieren und etikettieren in rasendem Tempo als “rassistisch”, “rechtspopulistisch”, “islamophob”, “Nazi” und “fremdenfeindlich”. Aktuell rief der Alt-Bundespastor Gauck zu einer erweiterten Toleranz in Richtung rechts auf. Polenz (CDU) zwitscherte daraufhin kritisierend: Der Wunsch nach gesellschaftlicher Konformität stehe im Widerspruch zum Grundgesetz. Echt jetzt? Könnte ein prima gespielter Witz sein, denn Gauck hatte genau das Gegenteil angemahnt. Steini mit der Buster Keaton-Brille propagierte unlängst in Berlin “auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die andere Meinungen vertreten”. Da könnte er doch gleich mal selber mit gutem Beispiel vorangehen und beim Hassprediger anfangen. Aber vielleicht traut er sich das nur nicht, weil er Angst hat, sich danach eine neue Brille kaufen zu müssen. Zur Ergänzung Ihres Witzes: In der DDR sitzt ein Besoffener am Tresen und murmelt mehrmals vor sich hin “...so ein Scheiss-Staat…so ein Scheiss-Staat”. Ein anderer hört das, wirft ihm vor etwas gegen die DDR gesagt zu haben und will ihn mitnehmen. Der Besoffene erwidert daraufhin, er hätte ja nichts davon gesagt das er die DDR meinte. Daraufhin zieht der andere wieder ab. Plötzlich dreht der um, kommt zurück und sagt: “Ich nehme sie jetzt doch mit, denn es gibt ja nur einen Scheiss-Staat”.

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