Fabian Nicolay / 04.06.2010 / 10:28 / 0 / Seite ausdrucken

Nachhaltigkeits-Papagei aus Nachzuchtbeständen

Von Fabian Nicolay

Eric Schweitzer, der Chef des Berliner Abfallunternehmens Alba, erkärt den berliner Tagesspiegel-Lesern und kommenden Generationen die Nachhaltigkeit, weil Frau Merkel ihn in den Rat für nachhaltige Entwicklung berufen hat. Man erfährt da wie gewohnt nichts neues, aber trotzdem wie einfach es ist, nachhaltig zu verhindern, dass alles noch schlimmer wird als es jetzt schon ist: An Morgen denken, dann an Übermorgen und an Über-Übermorgen und so weiter… dabei schön die Standby-Funktionen der Geräte ausschalten (ob Herr Schweitzer auch immer brav hinters Sofa kriecht, um den Stecker zu ziehen?). Und das Licht ausmachen, wenn man das Zimmer verlässt. Der letzte macht bekanntlich immer das Licht aus, auch wenn er im wahren Leben nur im Stande ist, welkes Laub unter Bäumen zusammen zu kehren, an denen Phrasen wachsen…  Eric Schweitzer gibt Antworten, wie man sie in Deutschland von einem Unternehmer hören will, der es sich mit niemandem (so genannten Stakeholdern) verscherzen will. Er gibt den Nachhaltigkeits-Papagei aus Nachzuchtbeständen, die schon in Käfigen geboren wurden.

Wer permanent das eigene Tun einer Risiko-Folgen-Prognostik unterzieht (geborgte Welt!), weil er glaubt, damit der angedrohten Nachhaltigkeitshölle zu entkommen, ist der Innbegriff der pseudo-asketischen Engstirnigkeit. Ihm sei geraten: Nicht konsumieren, nicht bewegen, nicht atmen und am besten Mutter überzeugen, gar nicht geboren zu werden: Das wäre die nachhaltigste Art, diese furchtbare Zweite Erde zu verhindern, die wir bewohnen wollen müssen, wenn wir alles verbraten haben. Schweitzer ist auch so einer, der mit der Zweiten Erde (Terra 2.0) droht. Ist das das neuzeitliche Synonym für Fegefeuer? Das würde ja passen, denn Konsumenten werden ja schon allerorten ins Gefüge des Ablasshandels gepresst. Willfährige Unternehmen spielen dabei nicht die Rolle der Hohepriester aber die der Schergen. Hinter dem Rücken der Ablass-Gepressten kassieren sie bei dem ganzen Spektakel um die Nachhaltigkeit ordentlich ab und sehen aus wie Lassie bei der Rettungsaktion eines eingeklemmten Kindes.

Die weit ausholende Geste, mit der der smarte Unternehmer Schweizter erklärt, wie weh es ihm tut, wenn jemand Dinge wegwirft, rührt an, wirft aber die Frage auf, ob das nicht geschäftsschädigend für einen ist, der vom Wegwerfen anderer lebt. Oder übt sich da einer in Bescheidenheit? Auch dass Schweitzer zu den Leuten gehört, die hin und wieder politische Entscheidungen kritisieren, nötigt Respekt ab. Allerdings sagt er nicht welche. Heraus kommt das Bild eines deutschen Unternehmers, der weiß, wie man die Partitur der Nachhaltigkeit spielt: Kleine Beispiele der eigenen Nachdenklichkeit geben, alte Verhaltensmuster brandmarken und neue beschreiben, die der Bürger nachahmen kann (Einschränken und bitte Licht ausmachen); Am Ende natürlich nicht vergessen nach der Politik zu rufen, die den Wandel im Bewusstsein in Gang setzen soll. Aber nie, niemals!, am Gängelband der Nachhaltigkeits-Deuter zerren, sondern brav mitlaufen.

Vielleicht ist diese Terra 2.0 gar nicht so schlecht – unter der Voraussetzung, dass die Herren Unternehmer ihrer heuchlerischen Askese weiterhin auf Terra 1.0 frönen, natürlich weiterhin streng bewacht von denen, die die Deutungshoheit über den Begriff Nachhaltigkeit nachhaltig besetzt halten. Wären diese Leute in aller Bescheidenheit wahrhaftige Asketen, dann hätten sie schon erkannt, dass die nachhaltigste Art der Weisheit darin besteht, einfach mal den Mund zu halten.

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