Manfred Haferburg / 08.01.2024 / 06:00 / Foto: Raimond Spekking / 103 / Seite ausdrucken

Nachhaltige Halluzinationen beim Chef der Bundesnetzagentur

Ja, Herr Müller, die Energieversorger brennen darauf, 60 Milliarden Euro in Gaskraftwerke zu investieren, die sich nicht rechnen können, da sie nur bei Flaute und Dunkelheit produzieren dürfen. Was erzeugt so nachhaltige Halluzinationen? 

Klaus Müller ist von Beruf Diplom-Volkswirt. Im Unterschied zu vielen seiner Politikerkollegen hat er eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung und schon mal in seinem Leben gearbeitet. 1990, also im zarten Alter von 19 Jahren, trat er in die Grüne Partei ein. Im Februar 2022 wurde er von Robert Habeck in die Funktion des Chefs der Bundesnetzagentur gehievt. Seither treibt er dort sein Unwesen.

In einem Interview mit der Zeitungen der Funke Mediengruppe zeigte sich Müller mehr als optimistisch und außergewöhnlich gönnerhaft: „Im vergangenen Jahr haben wir erstmals über 50 Prozent Strom aus Erneuerbaren produziert. Das ist ein guter Ansporn, die Anstrengungen fortzusetzen… Auch 100 Prozent halte ich für möglich… Wir brauchen mehr Tempo in den Genehmigungsbehörden der Länder. Es geht um mehr Personal und weniger Bürokratie – auch bei Windparks in Wäldern und anderen geschützten Gebieten.“

Einschränkend fügte Müller hinzu, dass es in Deutschland immer Dunkelflauten ohne Wind und Sonne geben werde. Das mache neue Gaskraftwerke erforderlich. Offenbar fiel ihm der Widerspruch zu seiner obigen Aussage der 100 Prozent möglichen Vollversorgung gar nicht auf. Ist das schon Orwellsches „Doppeldenk“ oder schlicht Unbedarftheit? 

Müller rief die Bundesregierung dazu auf, zeitnah die geplante Kraftwerksstrategie vorzulegen. „Die Energieversorger warten dringend darauf, um die Gaskraftwerke, die langfristig dann auf Wasserstoff umgestellt werden sollen, bis 2030 fertigstellen zu können“. Ja, Herr Müller, die Energieversorger brennen darauf, 60 Milliarden Euro in Gaskraftwerke zu investieren, die sich nicht rechnen können, da sie nur bei Flaute und Dunkelheit produzieren dürfen. Was gab es denn bei der Silvesterfeier der Bundesnetzagentur Feines, das so nachhaltige Halluzinationen erzeugt? 

Halluzinierte 50 neue Groß-Gaskraftwerke bis 2030

In weniger als sechs (6) Jahren sollen also 50 neue große Gaskraftwerke gebaut werden? Wasserstoff-Ready-Gasturbinen der 300 bis 500 MW-Klasse. Bisher gibt es eine (in Zahl 1) Wasserstoff-Ready-Gasturbine mit einer Leistung von 123 MW in Leipzig, die aber in Ermangelung von Wasserstoff mit schnödem Erdgas betrieben werden muss. Bis zur Umsetzung der Halluzinationen des Chefs der Bundesnetzagentur, die ja dem Habeckschen Halluzinations-Ministerium untersteht, fehlen allerdings noch ein paar winzige Kleinigkeiten. 

Erst mal fehlen 60 Milliarden Euro für die Investition, denn kein Energieversorger wird Geld in ein Kraftwerk stecken, dass sich unmöglich rechnen kann, da es nur weniger als die Hälfte seiner Zeit produzieren darf, aber volle Invest- und Unterhaltskosten verursacht. Also muss sich Herr Habeck einen neuen Notstand ausdenken, der ihm erlaubt, sich die 60 Milliarden irgendwo als Schulden, genannt Sondervermögen, zu pumpen.

Dann fehlen die Ausschreibungen für die 50 Gaskraftwerke, es fehlen die Standorte mit wasserstofffähigen Gasleitungsanschlüssen und Stromnetzanbindungen, es fehlen die Planfeststellungsverfahren, es fehlen die Anfragen und Angebote der Hersteller für die 50 Großturbinen, von denen es weltweit nur wenige gibt und deren Auftragsbücher ja nicht leer sind, es fehlt an Personal für die gleichzeitige Errichtung der Kraftwerke und es fehlt vor allem an Gas oder Wasserstoff.

Die Rechenkünste des Chefs der Bundesnetzagentur 

Nur der Vollständigkeit halber. Herr Müller hat in seinem Überschwang ganz vergessen, dass ja nicht nur der Stromsektor dekarbonisiert werden soll, sondern der ganze Primärenergieverbrauch durch die Erneuerbaren gestemmt werden muss. Der Stromsektor macht ganze 25 Prozent des Primärenergieverbrauchs aus. Und die Müllerschen „schon erreichten 50 Prozent“ beziehen sich ausschließlich darauf. Schon deshalb ist seine Aussage grober Unfug. 

Die derzeitige Kapazität der drei Gasterminals reicht etwa für 5 Gigawatt, ungefähr so viel, wie die letzten drei Kernkraftwerke hatten. Die Bundesregierung plant aber 21 Gigawatt Gaskraftwerksleistung bis 2030. Ist es erlaubt zu fragen, von wo das fehlende Gas für die verbleibende Leistung von 16 Gigawatt kommen soll? Ich frage für einen Freund. Von grünem Wasserstoff kann bis 2030 noch nicht einmal ein Gedanke sein. Mit viel Glück könnte dann vielleicht die Leipziger Gasturbine mit Wasserstoff laufen, der aber aus Gas produziert wird. 

Warmduschen ausdrücklich erlaubt

Welt-Online berichtet dann über die für die Bürger gönnerhaften Sprüche des Herrn Müller: „Verbraucher in Deutschland müssen aus Sicht der Bundesnetzagentur keine besonderen Anstrengungen mehr zum Einsparen von Gas unternehmen. Wir haben die Hälfte des Winters hinter uns, und wir sind sehr optimistisch ... Die Gasspeicher sind mit über 90 Prozent sehr gut gefüllt.“

Zwar seien sechs Prozent mehr Gas verbraucht worden als im vergangenen Winter – bei den Privathaushalten fast drei und bei der Industrie knapp neun Prozent. Wir verbrauchen in diesem Winter aber immer noch gut 16 Prozent weniger Gas als vor der Krise“. Daher rufe die Bundesnetzagentur nicht dazu auf, „kälter zu duschen oder die Heizung runterzudrehen“, betonte Müller. Das könne jede Person für sich selbst entscheiden“.  

Danke für die huldvolle Erlaubnis, möchte doch da der überglückliche Bürger rufen und im Gegenzug gnädig darüber hinwegsehen, das bei Müllers drei plus neun gleich sechs ist. 

Doch ein Grüner Müller wäre kein Grüner, wenn er nicht gleich mit einer Drohung um die Ecke käme. Welt-Online: „Der Behördenleiter verwies allerdings darauf, dass es teurer werde, eine Gasheizung zu nutzen. Deshalb schone ein achtsamer Umgang mit Gas auch das eigene Portemonnaie. Müllers Resümee: „Man muss nicht jeden Raum im Haus genauso heizen wie das Wohnzimmer. Aber man gefährdet nicht die Gasversorgung, wenn man es tut.“

Wenn man die ganze Inkonsistenz und Größenwahnsinnigkeit der Interviewfakten rekapituliert, fragt man sich unwillkürlich: Weiß der Chef der Bundesnetzagentur es nicht besser oder erzählt er einfach propagandistische Unwahrheit? Im ersten Fall ist er ein Scharlatan und im zweiten Fall ein Lügner. Auf jeden Fall ist er auf dem Posten des Leiters der Bundesnetzagentur hochgefährlich, da ja seine Behörde für die Sicherheit und Stabilität des Rückgrats des ganzen Landes zuständig ist. 

 

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Marko Buchholz / 08.01.2024

Auch ein grüner “Müller” an der Spitze der Bundesnetzagentur sollte Wilhelm Busch gelesen haben: “Aus der Mühle schaut der Müller, Der so gerne mahlen will. Stiller wird der Wind und stiller, Und die Mühle stehet still. So geht`s immer, wie ich finde, Rief der Müller voller Zorn. Hat man Korn, so fehlts am Winde, Hat man Wind, so fehlt das Korn.” Das sollte bei der nächsten Besetzung der Spitze an der Bundesnetzagentur vom zukünftigen Wirtschaftsminister abgefragt werden.

HarryBohne / 08.01.2024

“Moskatnoss! Haben Sie mich verrrstanden, Herr Müllerrr!”

Dr. Joachim Lucas / 08.01.2024

Gibt es eigentlich eine Art Naturgesetz nachdem in D jedes Scheitern einer Ideologie zwangsläufig Billionen Euro/Reichsmark/DDR-Mark kostet, weil die Verantwortlichen zu blöde sind den kommenden Ruin zu erkennen?  Oder ist es vielleicht ein gruppendynamisch-psychiatrisches Problem der Führungs"eliten” ? (Ausnahme Hitler: Der ahnte wohl schon im Winter 1941 nach der gescheiteterten Blitzoffensive im Osten, dass die Sache in die Grütze geht)

Günter H. Probst / 08.01.2024

Die Franzosen und die anderen Nachbarn haben die Energielücke im politischen Traum der Nationalen Front der d demokratischen Parteien erkannt, und vergrößern ihren Kernkraftpark, um D bei Windstille und Dunkelheit mit teurem Strom zu versorgen. Die Abwärme wird als Prozeßwärme in die dorthin abgewanderte Industrie geleitet. Die GRÜNEN werden den Abstieg von D, gut geschminkt, schneller vorantreiben als jede andere Regierung.

Hans Kloss / 08.01.2024

[D]“ie verbleibende Leistung von 16 Gigawatt” kommt aus Russland, nachdem das Land in Einflusszonen unterschiedlichen US und britischen Konzerne geteilt wird.

Jörg Themlitz / 08.01.2024

@HStock: Dazu noch ein paar interessante Zahlen von “tga-fachplaner”. “2020 betrug der Erdgasabsatz in Deutschland 939 TWh (Mrd. kWh). Würde man diese Energiemenge durch grünen Wasserstoff ersetzen, müssten dazu 214,6 Mio. m3 Wasser elektrolytisch aufgespalten werden.” Wir sprechen hier nur von Erdgas Ersatz. Im PCK Schwedt wird gerade so eine Wasserelektrolyse Anlage errichtet, in Betrieb genommen. (da würden mich noch die Fördermittel interessieren) Bei Tesla in Grünheide gab es große Aufregung wegen der Wasserentnahme für die Lackiererei. Wir sollten als gesichert annehmen, dass die durch volatile Energie produzierte Wasserstoffmenge nur als geringe Beimischung für Erdgas verwendet wird. Ähnlich E10 Benzin. Dafür werden die Ökoaufkleber um so bunter und größer sein, um den Klimagläubigen zu suggerieren, alles ist gut.

Klaus Peter / 08.01.2024

Man stelle sich mal vor, sämtliche am Verkehr teilnehmenden PKWs hätten einen Anhänger mit Ersatzfahrzeug angehängt für den Fall, daß das Zugfahrzeug ausfällt, also ein 100%-iges Backup sozusagen. Und wäre das primäre Zugfahrzeug ein E-Fahrzeug und das Ersatzfahrzeug ein Verbrenner, dann ist diese Vorstellung gar nicht so weit von der Realität entfernt.  Herr Müller ist reiner Lobbyist und wird nach seiner aktuellen Karriere mit Sicherheit bei einem “Anhängerhersteller” landen. Und die Notwendigkeit eines Anhängers mit Ersatzfahrzeug haben seine politischen Freunde verantwortet. Exakt so läuft es auch bei der Klima-Clique.

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