Wolfram Weimer / 13.06.2019 / 06:08 / Foto: Olaf Kosinsky / 67 / Seite ausdrucken

Nach-Merkel: AKK, Merz, Laschet?

Offiziell wird darüber in der Union nicht gesprochen. Innoffiziell gibt es derzeit kein heißeres Thema als die K-Frage. Offiziell hat Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Inoffiziell aber hat die Union drei Kanzlerkandidaten. Denn Armin Laschet und Friedrich Merz haben seit der Europawahl deutlich signalisiert, dass man mit ihnen rechnen muss. Beide sind zudem der Meinung, dass die Große Koalition bald platzen und binnen Jahresfrist Geschichte sein könnte. Damit haben sie Zeitdruck und innerhalb der Union eine intensive Debatte ausgelöst, wer denn nun die Nachfolge von Angela Merkel am besten antreten sollte.

Eine erste Emnid-Umfrage kommt zu folgendem Ergebnis: Bei einer direkten Kanzlerwahl käme Merz auf 31 Prozent, während für Kramp-Karrenbauer nur 16 Prozent stimmen würden. NRW-Ministerpräsident Laschet käme auf 11 Prozent. Ein überraschend klarer Befund.

Die derzeit guten Umfragewerte für Merz erklären sich daraus, dass er vielen als die glaubwürdigste Verkörperung eines kraftvollen Comebacks der Union gilt. Gerade weil er zu Angela Merkel und der Großen Koalition in klarer Distanz steht, in der Außen- wie Wirtschaftspolitik hohe Kompetenzwerte erhält, sehen ihn viele – insbesondere die vielen Mittelständler in der Union – als ihren Wunschkandidaten. Geschickt hat sich Merz aus dem Europawahldesaster herausgehalten und platziert regelmäßig kantige Analysen, die das konservative Bürgertum erfreuen – so die letztwöchige Frontalattacke auf die Grünen, die er als Umweltpopulisten brandmarkte. Je schlechter die Wahl- und Umfrageergebnisse von AKK werden, desto heller leuchtet sein Stern als vermeintlicher Retter. Dass er im Dezember fast die Hälfte des CDU-Parteitages hinter sich hatte, zeigt zugleich die Größe seines Rückhalts in der Partei.

Allerdings offenbart die Emnid-Analyse auch, dass Merz insbesondere im frustrierten politischen Umfeld der Union und bei Nichtwählern mobilisieren würde. In seiner eigenen Partei ist sein Vorsprung gegenüber AKK deutlich geringer. Die Umfrage zeigt hier 32 Prozent für Merz und 28 Prozent für AKK, Laschet kann hier nur 9 Prozent hinter sich bringen.

Über die CDU-Stammwähler hinaus Bürger ansprechen

Anders als Merz kommt Laschet erst langsam, nun aber gewaltig aus der Deckung. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende hatte beim Wettstreit um den Parteivorsitz zunächst leise erklärt, dass damit die Kanzlerkandidatur nicht entschieden werde. Nun betont er lauter, die Kanzlerkandidatur sei offen und falle nicht automatisch an AKK. Laschet hat strategische Vorteile auf seiner Seite: Er ist erfolgreicher Ministerpräsident des größten Bundeslandes, er ist Vorsitzender des größten CDU-Verbands, er ist mittig positioniert zwischen den Parteiflügeln und führt eine schwarz-gelbe Regierung – die Wunschkonstellation der meisten Unionswähler.

Laschet hat AKK in den vergangenen Monaten die Berliner Bühne überlassen und damit die erwartbaren Krisen rund um die Große Koalition. Sollten die Landtagswahlen im zweiten Halbjahr für die CDU abermals schlecht ausfallen, könnte AKK so beschädigt sein, dass ihr eine Kanzlerkandidatur abgesprochen würde. Auf diesen Moment kann Laschet spekulieren.

Er weiß, dass sein eigentlicher Konkurrent inzwischen Friedrich Merz heißt. Sollte sich AKK in Umfragen erholen, dann ist ihr die Kanzlerkandidatur kaum zu nehmen, zumindest nicht von einem politisch ähnlich Positionierten wie Laschet. Sollte das nicht geschehen, geht es um die Frage: Merz oder Laschet?

Darum ist das aktuelle Wording Laschets, in dem er vor einer Abkehr von Merkels Mitte-Kurs warnt, nicht an AKK adressiert, sondern an Merz. “Das Erfolgsrezept der CDU in der Kanzlerschaft von Angela Merkel war nicht zuletzt, Probleme pragmatisch zu lösen und über die CDU-Stammwähler hinaus viele Bürger anzusprechen. Daran sollten wir festhalten”, verkündet Laschet.

Pragmatisch-biegsamer Opportunismus

Merz steht genau für das Gegenteil, nämlich weg vom pragmatisch-biegsamen Opportunismus und hin zu einer Politik aus Überzeugung. Darum sagt Merz auch Sätze wie: “Im technischen Sinne ist diese Regierung handlungsfähig. Aber es kommen keine neuen Ideen und auch keine großen gesellschaftspolitischen Anstöße mehr.” Die publizistisch aktive “Werteunion” am konservativen Rand der CDU hat sich bereits festgelegt und als erste Parteigruppierung eine Empfehlung ausgesprochen. Die CDU müsse jetzt “auf die Kompetenz von Friedrich Merz setzen, der unser Land und unsere Partei als Team-Kapitän aus der Misere der Großen Koalition führen kann”, sagt deren Chef Alexander Mitsch.

Und so beginnt in der CDU nun eine Wiederholung der Kandidatenkür um den Parteivorsitz. Wieder ringen drei um das Amt: vor einem halben Jahr AKK, Merz und Jens Spahn um den Parteivorsitz, nun AKK, Merz und Laschet um die Kanzlerkandidatur.

Auch diesmal könnte es passieren, dass AKK von allen unterschätzt wird. Die CDU-Vorsitzende durchlebt ihre erste Krise im neuen Amt, aber sie hat Standvermögen, und in der Politik wechseln Stimmungen derzeit schneller als früher. Zudem entdeckt AKK erstmals, was es als Parteivorsitzende auch braucht – einen echten Gegner. Mit Blick auf die sich anbahnende rot-grün-rote Koalition in Bremen warnt sie vor einem Linksbündnis auch im Bund.

“Wer von einer neuen Regierung träumt und Grün wählt, muss wissen, dass er mit der Linkspartei aufwachen kann”, sagt sie und macht damit einen Punkt, der sie schon einmal gerettet hat. Vor zwei Jahren schien sie im Saarland politisch aufs Abstellgleis zu geraten. Der Schulz-Zug der SPD brauste heran, und Lafontaine mobilisierte vor Ort die Linke gegen AKK. Doch als Grüne, SPD und Linke offen über Rot-Rot-Grün sprachen, erkannte AKK ihre Chance, die Mehrheit des Bürgertums im Kampf dagegen hinter sich zu versammeln. Und so könnte Bremen ihr zweites Saarland-Wunder werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

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Leserpost

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Mike Loewe / 13.06.2019

Dass das Kanzleramt neu besetzt wird, glaube ich erst, wenn ich es sehe. Solange die CDU-Kanzlerkandidaten so farblos daherkommen und/oder so wenig Rückhalt in ihrer Partei haben, kann ich mir direkt vorstellen, dass irgendwann die Diskussionen losgehen, ob Pattex-Mutti mangels Alternativen nicht doch noch Kanzlerin bleiben möchte, und dass Stabilität doch das Wichtigste sei. Tante Merkel wird sich dann sich in ihrer vermeintlich ungeheuren Beliebtheit sonnen und gnädig dazu herablassen. Und dann geht alles exakt genau so weiter wie bisher.

Matthias Thiermann / 13.06.2019

“Wer von einer neuen Regierung träumt und Grün wählt, muss wissen, dass er mit der Linkspartei aufwachen kann”,  wohingegen es im Osten so sicher wie das Anen in der Kirche ist, dass wer Schwarz wählt mit dunkelrot-grün aufwacht. Wo also ist das Argument?

herbert binder / 13.06.2019

Wo, sagten Sie, lieber Herr Weimar, ist ein Sack Reis umgefallen?

E Ekat / 13.06.2019

CDU hat fertig. Partei ohne jede Werte-Orientierung. Die wissen nicht einmal mehr, was Wert überhaupt bedeutet. Das ist noch schlimmer als Sozialismus, dessen Anhänger immerhin einer wenn auch falschen Zwangsneurose nachlaufen sich besser fühlen zu können durch die Verteilung von Gütern, die ihnen weder gehören noch aufgrund ihrer sonstigen Unfähigkeit jemals von ihnen erworben werden könnten.

Johannes Schuster / 13.06.2019

Nach den ganzen Faktoten kommt hoffentlich ein internationaler Verwalter. Das Kindertheater ist geschmacklos und beledigt meinen Kunstsinn.

Dr. Günter Crecelius / 13.06.2019

Die CDU/CSU kann so viele Kanzlerkandidatinnen und -Kandidaten präsentieren wie sie will. diese Parteien sind für die von Merkel angerichteten Desaster uneingeschränkt verantwortlich. Sie haben diese Hochstaplerin sehenden Auges in ihre Ämter gehievt - ich erinnere nur an ihre Entscheidung bezüglich der Asse als damalige Forschungsministerin, die uns unabsehbare Milliarden kosten wird und die damals schon bewiesen hat, daß sie von Physik keinen Schimmer hat -  und sie gegen jedes bessere Wissen nicht nur dort nach jeder Fehlleistung belassen, sondern auch noch unterstützt und ihre Verpflichtung zur Kontrolle der Regierung nicht wahrgenommen. Diese Parteien sind damit, ich wiederhole mich, uneingeschränkt für die Merkel-Desaster verantwortlich und sollten von der politischen Bühne verschwinden.

sybille eden / 13.06.2019

Ich war auch mal eine Merz Anhängerin. Seit er den Preis abgelehnt hat, den Roland Tichy ihm verleihen wollte, ist er für mich gestorben ! Er ist nichts weiter als ein Opportunist, und ich traue ihm nicht zu die CDU zu “erneuern” und zu führen. Denn vor wem hatte er Angst ,- bei dem Preis ? Etwa vor dem langen Schatten der AfD ? Wenn er davor Angst hatte ist er ein Feigling und hat kein Rückrad !

Bernd Fischer / 13.06.2019

Laschet einer der Politiker der CDU, der die größten “Schleimspuren” in der CDU verbreitet, um noch eine Treppe höher steigen zu können. Man kann solchen Politikertyp nur noch verachten.    

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