Rainer Bonhorst / 11.06.2010 / 17:42 / 0 / Seite ausdrucken

Nach der Wahl des Bundespräsidenten

Es ist geschafft. Ministerpräsident Wulff ist mit knapper Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt worden. Gerade will er die Wahl annehmen, da flüstert ihm ein Verfassungsexperte ins Ohr: „Herr Wulff, Sie können die Wahl erst annehmen, wenn Sie Ihr Amt als Ministerpräsident abgegeben haben. Sie haben dazu zwei Tage Zeit.“

Christian Wulff hält verwirrt inne und protestiert: „Zwei Tage? Das ist ja weniger als Damon hatte, der mit dem Dolch im Gewande. Dem hat Dionys, der Tyrann, immerhin drei Tage Zeit gegeben, um zurückzukehren.“

Aber was hilft’s. Wulff saust los nach Hannover. Die Niedersachsen in der Bundesversammlung sind wie erstarrt. Bis ihnen der Verfassungsexperte zuflüstert: „Herr Wulff wird sein Amt als Ministerpräsident erst los, wenn Sie einen neuen Ministerpräsidenten gewählt haben.“ Jetzt sausen alle Niedersachsen hinaus, die einen, um Wulff zu helfen, die anderen, um seine Kreise zu stören.

Wegen des hohen politischen Verkehrsaufkommens kommt es auf der Autobahn zu kilometerlangen Staus, und es vergeht viel kostbare Zeit, bis die Wahl des neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten begonnen werden kann. Im ersten Anlauf gibt es noch keine Mehrheit für den Neuen, weil einige noch im Stau stecken und weil andere ungültige Wahlzettel abgegeben haben: Auf ihren Zetteln war der Name David James McAllister falsch geschrieben. Wer dafür verantwortlich ist, soll später von einer Untersuchungskommission geklärt werden. Im zweiten Wahlgang klappt es.

Wulff ist seinen Job in Hannover endlich los und kann spornstreichs nach Berlin zurück eilen. Doch was geschieht? Eine Räuberbande will seinen Dienstvolkswagen klauen. Wulff will sich auf sie stürzen und mit gewaltigen Streichen erlegen, aber seine Berater raten ab: zu gefährlich.

Er beschließt, weil die Zeit immer knapper wird, mit einem Hubschrauber nach Berlin zu fliegen. Doch der steht auf der anderen Seite der Leine. Wulff will schnell mal zu Fuß über die Brücke gehen. Da beginnt aus heiterem Himmel ein Unwetter. Unendlicher Regen gießt herab; der Strudel reißt die Brücke hinweg; der wilde Strom wird zum Meer. Doch die Angst treibt Wulff, er fasst sich Mut und wirft sich, ohne auf seine Berater zu hören, hinein in die brausende Flut der Leine. Mit gewaltigen Armen teilt er den Strom und ein Gott hat Erbarmen.

Kaum aber ist er mit dem Hubschrauber in der Luft, da kommt von Island her eine Vulkanwolke nach Deutschland. Sie zwingt ihn nach kurzem Irrflug zu Boden. Wieder geht es zu Fuß weiter, und was geschieht jetzt? Wiederum aus heiterem Himmel lässt eine Mordshitze den Wanderer ermattet in die Knie sinken. Das muss der Klimawandel sein, denkt Wulff, schon halb im Delirium, und gelobt, nie mehr ein böses Wort über die Grünen zu sagen.

Doch da! Was für ein herrliches Geräusch! Es sprudelt silberhell, ein lebendiger Quell. Es ist die Spree. Wulff bückt sich nieder und erfrischt die brennenden Glieder.  Da hört er zwei Spaziergänger sagen: „Es ist ein Kreuz, aber es wird wohl der Gauck werden.“

Jetzt beflügelt die Angst erst recht seinen Schritt. Ihn jagen der Sorgen Qualen. Jedenfalls denkt er verzweifelt: Und wenn es der Gauck wird, so will ich wenigstens dabei sein. Und er joggt mit letzter Kraft zum Reichstag. Die Sonne geht schon unter. Ein Erstaunen ergreift die Wahlmänner und Wahlfrauen im Saal, als Wulff aufs Podium springt und ruft: „Ich nehme die Wahl an!“ Man sieht kein Auge tränenleer.

Und auf der Zuschauertribüne gibt sich tief bewegt ein Mann in griechischer Kluft als Dionys, der Tyrann zu erkennen. Er sagt: „Euer Demokratieverständnis hat mir das Herz bezwungen. Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde, wenn nicht der Dritte, so doch wenigstens Mitglied ohne Stimmrecht. Und übrigens: Danke für die Milliardenbürgschaft.“   

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