Das Medienecho auf Dieter Hallervordens Sketch mit N-Wort und Z-Wort war so empört wie erwartbar. Die Kritiker haben die Klischees, die seinem Witz zugrundeliegen, vollkommen bestätigt.
In diesen politisch rasanten Zeiten – Migrationskrise, Energiekrise, Insolvenzkrise und jetzt auch noch ein Börsencrash – hat es das Feuilleton wahrlich nicht leicht, seine Relevanz zu behaupten. Das ursprünglich schöngeistigen Kulturthemen gewidmete Ressort muss vermehrt gegen die knallharten Schlagzeilen der Nachrichtenagenturen und Meinungsmacher ankommen. Andererseits ist die Kunst bekanntlich längst politisch und statt großer Romane und epischer Filme eher die Pronomen eines Autors oder die Hautfarbe einer Hauptdarstellerin Gegenstand der Kulturspalte. Letztere sind natürlich fast immer dem links-grünen Zeitgeist verpflichtet.
Die aktuelle Debatte um Dieter Hallervorden scheint auf bemerkenswerte Weise sowohl das feuilletonistische Bangen um Relevanz als auch den moralischen Impetus vieler Kulturredakteure zu verbinden. Das im Grunde banale Ereignis: Das Urgestein der deutschen Komik hatte am Samstagabend in der Sendung „75 Jahre ARD – Die große Jubiläumsshow“ seinen Kult-Sketch „Palim, Palim“ aufgeführt. Allerdings wurde der Anfang der im Gefängnis spielenden Szene leicht geändert. Hallervorden sagte in seiner Rolle als Häftling zu seinem Zellengenossen über seinen Haftgrund: „Wenn ich das gewusst hätte, dass man das nicht mehr sagt hier: Zigeunerschnitzel und so und Negerkuss und so. Indianer und Cowboy kann man auch nicht mehr spielen …“
Dies sorgte im Netz für Aufregung – vor allem aber rauschte es heftig durch den digitalen Blätterwald. Die Empörung war so groß, dass an einigen Stellen beachtliche Stilblüten trieben, von denen ich Ihnen einige nach ein paar Tagen des Wachstums an dieser Stelle präsentieren will.
„Der Rassismus hat gewonnen“
Der Tagesspiegel hat sich offenbar von der Kulisse des Sketches inspirieren lassen, denn unter der Überschrift „Dieter Hallervorden und sein neuer ‚Palim, Palim‘-Sketch: Satire? Rassismus!“ donnerte es in anklagendem Ton: „Hallervorden wusste, was er tat. Die ARD wusste, was sie tat. Sie hätte diese Passage in der aufgezeichneten Show herausschneiden und bei der Ausstrahlung darauf verzichten können. Tat sie aber nicht.“
Autor Joachim Huber ist sich sicher, dass die ARD lieber „eine veritable Aufregung in den sozialen Medien“ als Zensur-Vorwürfe von Hallervorden riskieren wollte. Huber schafft im selben Text auch noch das Kunststück, ausgerechnet Dieter Nuhr und Jan Böhmermann in einem Atemzug zu nennen, die – wie Dieter Hallervorden – „erst anecken und aufregen wollen und dann ‚Satire‘ schreien, wenn mit der großen Aufregung große Ablehnung einhergeht“. Hubers Furor endet mit den Worten: „Die ARD will in ihrem Programm auf gar keinen Fall Rassismus und sie will in ihrem Programm auf jeden Fall Kunstfreiheit. Am Samstag ist dieses Konstrukt Programm geworden und es hat gewonnen, was nie gewinnen darf: der Rassismus“
Der Spiegel bemühte sich bei der Verarbeitung einer dpa-Meldung um Sachlichkeit. Er demonstrierte allerdings, wir verwirrend es werden kann, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. Denn wie in den anderen Beiträgen auch, war nirgends von „Negerkuss“ oder „Zigeunerschnitzel“ die Rede, sondern von „N-Wort“ und „Z-Wort“ oder blumigen Umschreibungen. Der Spiegel erklärte die Corpora Delicti mit: „Im Etagenbett sitzend, erzählt Hallervordens Figur dem anderen Insassen, warum er einsitzt: Weil er die heute nicht mehr verwendeten Bezeichnungen für Schokokuss und Schnitzel ungarischer Art nutzte.“
Ausgerechnet hier kam die Redaktion aber selber durcheinander, wie eine Anmerkung unter dem Text verrät: „In einer früheren Version hieß es, Hallervorden habe unter anderem über Sauce ungarischer Art gesprochen. Es muss jedoch Schnitzel ungarischer Art heißen. Wir haben den Fehler korrigiert.“
„Unvollständige Liste, alphabetisch geordnet“
In einem Spiegel-Meinungsstück von Malte Göbel und Miriam Khan nimmt die Verwirrung ihren Lauf, denn hier wird das „Zigeunerschnitzel“ immer noch mit „Soße ungarischer Art“ ersetzt. Dieser Beitrag ist vermutlich bei der Korrektur übersehen worden. Egal. Unter dem Titel „Die ‚Das wird man doch noch sagen dürfen‘-Fraktion“ bekommen neben Dieter Hallervorden auch Kollegen wie Lisa Eckhart, Dieter Nuhr, Monika Gruber und sogar Barbara Schöneberger ihr Fett weg. Der Grundtenor des Textes: Einige der Protagonisten produzieren Skandale mit Ansage, um sich daraufhin als Cancel-Opfer zu inszenieren, aber in Wahrheit weiterhin mit ausverkauften Tourneen und Bestsellern zu punkten. So entstand eine „unvollständige Liste, alphabetisch geordnet“ mit politisch inkorrekten Komiker-Äußerungen (jeweils unterteilt in „Der Fall“, „die Kritik“ und „die Folgen“). Die belehrende Chronique scandaleuse hat den jeweiligen Tathergang auch auf die Bußfertigkeit des Übeltäters hin abgeklopft und den Reuegrad vermerkt.
Der Stern fragte angesichts der Hallervorden-Debatte: „Warum zeigt die ARD diesen Sketch einfach so?“ Aufgeregt ging es im Teaser weiter: „In einer ARD-Show werden ohne jede Vorwarnung sowohl das Z- als auch das N-Wort genutzt. Wie kann das immer noch passieren? Unsere Autorin findet: Wir haben nichts gelernt.“ Mareike Fangmann fährt dementsprechend auch sämtliche Geschütze des Kulturkampfes auf: „Wie sollen wir uns auf Augenhöhe begegnen, wenn schon die Wortwahl mitschwingen lässt, wer schon in der Vergangenheit privilegierter war? Wieso beharren (weiße) Menschen noch so sehr darauf, bestimmte Wörter nutzen zu wollen, obwohl sie doch andere verletzen und Fortschritt behindern können? Das hat etwas von Machtgehabe.“
Ein paar Absätze weiter hat sich Fangmann regelrecht in Rage geschrieben: „Es gab vonseiten der ARD keine Einordnung zum N-Wort. Keine (Trigger-)Warnung. Es wurde einfach ausgesprochen und gesendet. Offenbar gab es niemanden, der die Sensibilität des Themas erkannt und eine Ausstrahlung verhindert hätte. Das ist beschämend. Vielleicht wäre es angebracht, über mehr Diversität in den eigenen Reihen nachzudenken. Über ein Anti-Rassismus-Training. Man hätte Hallervorden aufklären können.“
Klischees vollkommen bestätigt
Ein Anti-Rassismus-Training für Hallervorden? Das ergäbe ja gleich die nächste Sketch-Idee! In ein ähnliches Horn blies die taz unter dem Titel „Das träge und schwerfällige Walross“. Über den Sketch heißt es: „Die Pointe: Hallervorden, im Sträflingsanzug, sitzt im Knast, und unterhält sich mit einem anderen Häftling. Warum er einsitzt? Er habe die mittlerweile nicht mehr verwendeten Worte für den Schaumkuss und Paprikaschnitzel verwendet. Der Witz, dass Satiriker:innen das Maul verboten wird, wurde schon tausendmal, etwa von Dieter Nuhr, auf der Bühne verarbeitet und ausgelutscht.“
Auch Autorin Ann-Kathrin Leclere wünscht sich betreutes Zuschauen: „Die Szene wurde Tage vorab aufgezeichnet – die ARD hätte sie also problemlos herausschneiden, ändern oder einen Disclaimer einfügen können. Tat sie aber nicht.“
Bei all dieser Aufregung scheinen die Kritiker gar nicht mitzubekommen, dass Hallervorden in seinem Sketch genau das Verhalten kritisiert hat, das sie in ihren empörten Artikeln an den Tag legen. Sie haben also die Klischees, die seinen Witzen zugrundeliegen, vollkommen bestätigt. Auch die bereits am Montag erfolgte Stellungnahme Hallervordens war den empörten Medienmachern nicht genehm. „Satire wird nicht mehr verstanden“, stellte der Komiker nüchtern auf Instagram fest. Und reichte den Begriffsstutzigen gewissermaßen die Interpretation seines Sketches nach:
„In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern, grade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt: ‚Uiuiuiui, ich habe dies gesagt und das gesagt und das darf man heute alles nicht mehr tun, das hab ich irgendwie verpeilt und nun sitze ich im Bau.‘
Wer weiß, vielleicht könnte das durchaus bald passieren, weil solche Bestrafung von den wirklichen Verfehlungen unserer Zeitenwende ablenkt.
Wenn Wokeness bedeutet: ‚Wachsamkeit für Missstände‘ so wäre es wünschenswert, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Realsatire unserer Zeit lenkt, die leider gar nicht satirisch gemeint ist, sondern mit feierlichem Ernst verkündet wird:
Die Bundesregierung nimmt gerade den Tod von tausenden von jungen Menschen billigend in Kauf, denkt darüber nach, dass die Streitkraft um 70.000 Soldat:innen erweitert werden müsste, denn die Nato hat letzte Woche ausgerechnet, dass an der ‚Ostfront‘ täglich 5000 Soldat:innen sterben werden.
Ich gehe jede Wette ein, dass eine Satire mit Regierungsbeamten im Knast auf dem Index stünde und dass man ‚Kanonenfutter an der Ostfront‘ im Zuge unseres neuen Demokratie-Verständnisses nicht sagen darf.“
Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.