Beda M. Stadler, Gastautor / 08.12.2007 / 13:09 / 0 / Seite ausdrucken

Mythos Passivrauchen

Erschienen in SCHWEIZER FAMILIE am 6. Dez. 2007

Grillzeit, Freizeit, Gemütlichkeit - all das findet man an einer der 505 Feuerstellen der Schweizer Familie. Seit 20 Jahren sind Schweizer Familie-Grillplätze bei Gross und Klein beliebt. Dies liest man erfreut auf der Homepage dieser Zeitschrift. Glaubt man den neuesten Studien zur Gefahr des Passivrauchens selbst im Freien, scheint damit das Aus für die Feuerstellen der Schweizer Familie programmiert. Rauch ist Rauch! Ob ein Laubhaufen oder ein gemütliches Grillfeuer brennt, Tausende von giftigen Verbindungen, wie sie im Tabakrauch vorkommen, werden rundum eingeatmet. Schliesslich ist dem Rauch der Kampf angesagt, nicht dem Nikotin…

Jeder spürt, so etwas ist Unsinn, die Menschheit wäre sonst vor langer Zeit am Lagerfeuer ausgestorben. Ist Passivrauchen dermassen gefährlich, wie es uns etwa das Bundesamt für Gesundheit weismachen will, müssten die historischen Rauchküchen auf dem Ballenberg verboten werden. Weihrauch wäre eine ernste Gefahr für unsere Kinder! Rauch ist manchmal eben kein Rauch! In dieser intoleranten Debatte ist gesunder Menschenverstand nicht gefragt. Selbst wenn wissenschaftlich gesichert ist, die Indianer in Nordamerika kriegen weniger häufig Lungenkrebs, wird sogleich behauptet, dies sei genetisch bedingt. Es muss wohl so sein, da die Indianer sogar den Zwang zum Rauchen kennen, wenn sie zur Friedenspfeife greifen. Ihre Tipis entsprechen einer Emmentaler Rauchküche, also ist es günstiger, man schaut weg, obwohl die geringere Lungenkrebshäufigkeit wissenschaftlich nicht anzweifelt wird.

«Glaubt man den Studien zur Gefahr des Passivrauchens selbst im Freien, wäre das das Aus für die Feuerstellen der Schweizer Familie. Denn Rauch ist Rauch.»
Stellen wir eines klar: Rauchen ist gefährlich, Rauchen verursacht Krebs, Rauchen verursacht wirklich all das, was heute auf den Zigarettenschachteln steht. Keine Diskussion! Jugendliche sollen nicht rauchen! Und noch etwas: Eine schlotende Mutter in einer kleinen Wohnung tut ihren Kindern nichts Gutes an. Da dies nun geklärt ist, sollten die Missionare der Antiraucher-Bewegung aber endlich zur Kenntnis nehmen: Rauchen ist nicht gleich Passivrauchen.

Ein klein wenig Rauch hat noch nie jemanden umgebracht. Macht man heute die Raucher zu Mördern, ist dies eine Hetzkampagne. Raucher sind längst einverstanden, dass man in öffentlichen Räumen, in Gegenwart von kleinen Kindern, im Flugzeug und wo auch immer nicht raucht. Wenn man aber konstant behauptet: Passivrauchen tötet, ist dies gelinde gesagt eine Lüge, weil es dafür keine eindeutigen wissenschaftlichen Studien gibt.

Wissenschaftliche Studien, welche die Gefahr des Passivrauchens zeigen sollen, messen dies mit einem sogenannten relativen Risiko. Ein relatives Risiko von 1.0 bedeutet: Es besteht kein Risiko. Ein Risiko, das wesentlich grösser als 1.0 ist, bedeutet eine tödliche Gefährdung. Das Lungenkrebsrisiko für einen Raucher ist über 20. Die meisten Studien über Passivrauchen schwanken aber bloss um 1.0. Zählt man alle Studien zusammen, kommt man in etwa auf einen Wert um 1.2. Die Beamten unserer Gesundheitsbehörde oder die Kommunikationshandlanger von Ärztevereinigungen machen daraus eine Todesbedrohung. Das ist lächerlich. Ein vernünftiger Mensch, etwa der Direktor der Arzneimittelprüfung der amerikanischen Food and Drug Administration, Robert Temple, meint dazu: «Mein Grundsatz ist: Wenn das relative Risiko nicht wenigstens 3.0 oder 4.0 ist - vergiss es!» So denken auch die meisten meiner Kollegen. Aber eben, es ist nicht Sache der Wissenschaft, auf einer dünnen Datenbasis aggressive Kampagnen zu führen, auch wenn sie noch so gut gemeint sind.

Es gibt daneben aber Ärzte mit einem Sendungsbewusstsein und mit einem Hang zu Kristallkugeln. Sie wissen, dass Passivrauchen nur halb so schlimm ist, nehmen aber Halbwahrheiten in Kauf, um das Rauchen gänzlich verbieten zu können. Vor den Wahlen wurde auf der Homepage von http://www.die-schwarze-liste.ch dazu aufgerufen, Politiker mit Briefen zu belästigen und nicht zu wählen, die sich nicht für den Passivraucherschutz eingesetzt haben. Unsere Politiker schwärzen sich gleich selber an.

Wissenschaftliche Studien behaupten: Das Risiko, an einer viel befahrenen Hauptstrasse einen Lungenkrebs durch Autoabgase zu entwickeln, beträgt heute mehr als 1 zu 40. Ich weiss nicht, ob das stimmt. Abgase sind aber sicher auch Rauch. Über die Auswirkung des Strassenverkehrs auf unsere Lebenserwartung gibt es ebenso viele Studien wie zu Passivrauchen. Sie belegen öfter gar ein höheres Risiko, als an einem Lungenkrebs zu sterben. Die Antiraucher-Bewegung und die Politiker müssten sich ergo mit der gleichen Vehemenz gegen den Strassenverkehr wehren, wie sie dies beim Passivrauchen an den Tag legen. Aufschlussreich ist, wenn man vergleicht, welche Politiker kürzlich den Volksentscheid, den Schwerverkehr auf die Schiene zu verlagern, aufschieben wollten, im gleichen Zug aber einverstanden sind, dass man in keinem Restaurant mehr rauchen darf.

Wo ist der gesunde Menschenverstand geblieben? Will die Mehrheit rauchfreie Restaurants, müsste dies eigentlich bedeuten: Eine Minderheit der Restaurants wird zu Raucherbeizen. An einem solchen Arbeitsort rauchen Gast, Service und Wirt freiwillig. Das bisschen Passivrauch kann hier ruhig in den Kamin und nicht ins Gesetz geschrieben werden. Warum soll Toleranz eine Einbahnstrasse sein? Erstaunlich, wie widerstandslos die aggressiven Forderungen der Nichtraucher von den Rauchern hingenommen werden. Raucher finden es vernünftig, dass man die durch das Rauchen und das Passivrauchen verursachten Gesundheitsrisiken bekämpft. Niemand hat etwas gegen sachliche Aufklärung. Warum zeigt man aber nicht einmal mit dem Finger auf jene, die Angstkampagnen lancieren und damit ein gesellschaftliches Klima der Ausgrenzung erzeugen? Vielleicht sollten die Leute, die gerne abends an einem gemütlichen Cheminéefeuer sitzen oder tagsüber an einer romantischen Feuerstelle der Schweizer Familie sich vergnügen, auch den Rauchern eine menschenwürdige Raucherecke oder einen kleines öffentliches Lokal gönnen, in dem sie noch paffen dürfen.

 

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