Mythen „gesunder Ernährung“

Ernährungswissenschaftliche Studien, deren Ergebnisse nicht ins politisch korrekte Weltbild passen, finden in vielen Medien nicht statt. Daher hier zwei aktuelle wider den Zeitgeist.

Ernährungswissenschaftliche Studien, deren Ergebnisse nicht so ganz ins aktuell politisch korrekte Welt- und Denkbild passen, finden in vielen Medien oft nicht statt – auch wenn sie datentechnisch metamäßig überzeugen. Sie könnten ja die gewünschten Meinungen zu „gesunder Ernährung“ in Zweifel ziehen und die Bürger zum eigenen Nachdenken und kritischen Hinterfragen vermeintlicher Wahrheiten anregen – beispielsweise, dass gesunde Ernährung vor Krebs schützen und Vegetarismus Seele und Psyche stärken soll. Zwei aktuelle Publikationen mit dem Zeitgeist gegenläufigen Ergebnissen seien daher nun nachfolgend kredenzt, um geistige Denkschablonen neu zu formen.

So hat sich eine internationale Forschergruppe, deren Studienleiter nicht nur an der griechischen University of Ioannina School of Medicine, sondern auch für die „International Agency for Research on Cancer“ arbeitet, sich richtig viel Arbeit gemacht: Die Wissenschaftler erstellten eine Meta-Metaanalyse [1] zum Zusammenhang zwischen „Krebs und Ernährung“. Dazu fassten die mehr als ein Dutzend Forscher die Ergebnisse von 860 (!) bis dato bereits publizierten Meta-Analysen zu diesem Themenkomplex zusammen. Jede einzelne Metaanalyse wiederum bestand aus dem Gesamtergebnis zahlreicher epidemiologischer Einzelstudien, also primär Beobachtungsstudien.

Meta-Meta-Wissenslücken

Das Ergebnis ist – zumindest für alle Verfechter „gesunder Ernährung“ – so ernüchternd wie erwartbar (wenn man die zahlreichen bekannten Limitierungen ökotrophologischer Forschung als Grundlage heranzieht): Die Erkenntnisse sind so schwach, uneinheitlich und verzerrt, dass sich daraus keinerlei Ernährungsempfehlungen extrahieren lassen, die vor Krebs schützen. Dabei muss betont werden: Die Forschergruppe untersuchte ausschließlich Korrelationen (statistische Zusammenhänge), da es keine einzige Studie gibt, die Kausalevidenz (Ursache-Wirkungs-Belege) für Krebsschutz auf dem Teller liefert, weder durch Ernährung im Allgemeinen noch für einzelne Lebensmittel(gruppen) im Speziellen.

Das Gros der untersuchten Beobachtungstudien hat dabei überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und Krebsrisiko gefunden. Und so lassen sich selbst anhand dieser schwachen Korrelationen aus 860 Meta-Analysen keine wirklich handfesten Hypothesen generieren, so dass die Wissenschaftler nur rudimentär empfehlen: „Im Bereich der öffentlichen Gesundheit und Politik sollten Anstrengungen unternommen werden, um vor den bekannten ernährungsbedingten Hauptrisikofaktoren für Krebs, im Speziellen Fettleibigkeit und Alkoholkonsum, zu warnen.“ Man beachte: Kein konkretes Wort zu Ernährung …

Krebsschutz durch Ernährung? Nicht belegt!

Kurzum: Wer Krebsschutz durch Obst und Gemüse, Lachs, Vollkornbrot oder was auch immer propagiert, der hat wahrscheinlich „vergessen“, dass es keinerlei Beweise dafür gibt – sondern, wenn überhaupt, nur ein paar hoffnungsvolle Korrelatiönchen. Solche „protektiven Assoziationen“ zeigt das aktuelle Mega-Meta-Paper im Übrigen auch, beispielweise für Milch – aber klar ist: Das sind nicht mehr als vage statistische Zusammenhänge, die nur zum Spekulieren und Philosophieren animieren … das war´s auch schon. Denn diese Hypothesen in klinischen Studien mit harten Endpunkten zu belegen, das wird es nicht geben, weil solche Studiendesigns nicht realisierbar sind, da fernab der Realität. Und so macht auch diese Forschergruppe unmissverständlich klar: Auch weitere Studien werden an diesem Nichtwissen nichts ändern! Diese Erkenntnis ist im Übrigen auch nicht neu …

Fazit: Es existiert kein Beweis, noch nicht einmal liegen belastbare Hypothesen vor, dass Ernährung vor Krebs schützt!

Kommen wir nun zum zweiten aktuellen Paper mit überraschenden Erkenntnissen …

Begünstigt Vegetarismus Depressionen?

Diese Frage stellen Forscher der Universität Duisburg-Essen, die ebenfalls eine Meta-Analyse [2] durchgeführt haben – in dem Fall zum Zusammenhang zwischen vegetarischer Ernährung und psychischer Gesundheit. Einer der Autoren, Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg, Biopsychologe an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) erklärt nochmal kurz, was eine Meta-Analyse auszeichnet: „Das ist eine komplexe statistische Methode, bei der wir die Ergebnisse vieler publizierter Studien zum Thema Depressionen und Vegetarier-sein miteinander integriert haben.“ Dazu analysierten die Wissenschaftler eine Datenmenge von knapp 50.000 Menschen (8.000 Vegetarier und 42.000 Fleischesser) und verglichen dabei die Punktwerte in Fragebögen zwischen den Gruppen. Und was beobachteten die Forscher aus dem Ruhrpott, unserem regionalem Herzen der Currywurst (ohne Hintergedanken)?

„Wir konnten zeigen, dass Menschen, die sich vegetarisch ernähren, statistisch signifikant höhere Werte in Depressionsfragebögen aufweisen als diejenigen, die Fleisch essen“, so das Autorenfazit. Dazu sei angemerkt: Das ist zuallererst wieder einmal nur ein statistischer Zusammenhang, nicht mehr – aber: auch nicht weniger. Und genau solche Korrelationen offenbaren erneut eines der Kernprobleme der Ernährungsforschung, wie auch die hiesigen Forscher klar konstatieren: „Welchen [ursächlichen] Zusammenhang es dabei gibt, konnten wir auf Basis dieser Daten nicht bestimmen.“

Ergo bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung, nach Henne und Ei – was war zuerst da und bedingt die Folge? Oder alles nur Zufall? Im Zuge der aktuellen Diskussion stellen die Uni-Wissenschaftler fest, dass es wahrscheinlich nicht so ist, dass die vegetarische Ernährung Depressionen verursacht, sondern dass im zeitlichen Ablauf oft erst eine depressive Stimmung auftritt und dann eine Ernährungsumstellung erfolgt. Könnte sein. Könnte aber auch anders herum sein. Könnte, könnte, Knusperente. Der Konjunktiv regiert das Denken der Ernährungsforschung. Daher sei abschließend an das ökotrophologische Universalcredo erinnert: Nichts Genaues weiß man nicht. Und das wird auch immer so bleiben …

In diesem Sinne: Genießen Sie Ihr Essen, wenn Sie Hunger haben, weil Sie Lust darauf haben, weil es Ihnen schmeckt – und, das Wichtigste, weil Sie es gut vertragen (!) und das „wohlige Stöhnen aus der Tiefe des Bauches“ sowohl intuitiv als auch Ihrem gesunden Menschenverstand signalisiert: Das war eine richtig gute Mahlzeit. Genau das ist die einzig wahre, gelebte „Ernährungsforschung“, die individuell nur für Sie gilt. Echtes Wissen eben, entsprungen aus Ihrer „körpereigenen Forschungsstation“, die keine Fake News generiert, sondern Ihnen stets Ihre ganz eigene Wahrheit serviert. Alles andere ist und bleibt: reine Spekulation, mehr nicht.

 

Quellen

[1] Papadimitriou, N., Markozannes, G., Kanellopoulou, A. et al. An umbrella review of the evidence associating diet and cancer risk at 11 anatomical sites. Nat Commun 12, 4579 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-24861-8 

[2] Sebastian Ocklenburg, Jette Borawski: „Vegetarian diet and depression scores: A meta-analysis“, in: Journal of Affective Disorders (Volume 294) https://doi.org/10.1016/j.jad.2021.07.098

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Leserpost

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Gerhard Hotz / 18.08.2021

Die Fettleibigkeit wird im Artikel nur kurz angetönt, spielt aber sicher eine entscheidende Rolle. Nicht was, sondern wieviel man isst, ist vor allem ausschlaggebend. In der Gegend mit den weltweit meisten Hundertjährigen auf Okinawa in Japan halten sich die Leute an die Faustregel, mit dem Essen aufzuhören, wenn sie sich zu 80 Prozent gesättigt fühlen. Gleichzeitig achten sie darauf, nur Gerichte mit niedrigem Kaloriengehalt zu konsumieren, weil, wenn man sich den Magen zu 80 Prozent mit verdichteter Nahrung füllt, hat man auch schon zu viel intus. @Edgar Jaeger: Dicke geniessen länger? Aber nicht, wenn sie ihren Körper bewegen müssen. Übergewicht bedeutet, mit einem Rucksack unterwegs zu sein, der mit 10 oder 20 Kilo Steinen gefüllt ist, und den man nie ablegen kann. Sowas ist niemandem egal und geniessen kann man das nicht.

Ulla Schneider / 18.08.2021

Herr Knop, guten Abend. Sie haben anscheinend nicht alles gelesen. Ich kenne Menschen, die aufgrund einer veränderten Lebensweise bezügl. des Essens sehr wohl andere Werte ihrer Gesundheit erreichen konnten. Es kommt darauf an, was sie hintereinander essen und das über einen längeren Zeitraum. Es gab einen Düsseldorfer Arzt, der genau das in den 70ern beschrieb und veröffentlichte.  Als Beispiel sei genannt der Fall einer älteren Dame die,nach einer lebensbedrohlichen Erkrankung , völlig andere Werte vorwies(nach einem Jahr). Der Arzt war der festen Überzeugung, daß er die Blutbilder verwechselt hätte. -So kann’s gehen. - Das Buch hab ich noch!

Karla Kuhn / 18.08.2021

“Ernährungswissenschaftler” haben bei uns keinen Zutritt. Bei uns spielt die PNI ein große Rolle, auch bei der Ernährung. Wenn ich gleich früh einen Joghurt, auch noch fettarm, essen müßte, würden meine Zellen Alarm schlagen. Ich koche und backe generell selber und wir GENIEßEN unser Essen. ich kenne es von zu Hause aus nicht anders. Dazu gehört auch ein schön gedeckter Tisch., an dem wir dann noch herrlich reden und lachen können. Ich mag Rituale.  Sogar in der Nachkriegszeit hatte meine Mutter uns täglich etwas leckeres gezaubert, im Sommer aus dem eigenen Garten, im Winter von den Massen Eingekochten. Die Frage, WAS ist gesund wurde hier vor Wochen schon mal diskutiert. Für mich ist gesund was mir schmeckt, was ich mit GENUß esse und mir darum Freude macht. Auch kommt NUR die “gute Butter”  auf den Tisch. Als Kind gab es bei uns einen Spruch: “Mitschurin hat festgestellt, daß Marmelade Fett enthält, drum eßt im deutschen Staate statt Butter Marmelade.”

Micha Walden / 18.08.2021

In der Tat wird man als Vegetarier schneller depressiv, da der von einschlägiger Seite verzapfte Dünnsinn wesentlich dazu beiträgt.

Wiebke Lenz / 18.08.2021

Es gab mal einen Vegetarier, vor geschichtlich nicht allzu langer Zeit. Tierschutzgesetze hat er auf den Weg gebracht (hier beschwert sich übrigens keiner ,dass diese aus dieser Zeit kommen). Aber auf sein Geheiß hin wurde der Kontinent verwüstet und wurden Millionen Leben ausgelöscht. Gestorben an einer selbst verpassten “Metallinfusion”. Wer könnte das wohl gewesen sein?

Wiebke Lenz / 18.08.2021

Vor dreißig Jahren an der Penne hatte ich Ernährungslehre. In der Zwischenzeit wird sich sicher nicht viel an der Physis des Menschen verändert haben, gehe ich von aus. Ggf. sind Zusammenhänge besser erforscht - allerdings kann ich mir keinesfalls vorstellen, dass nicht alle drei Bausteine der Ernährung (Kohlenhydrate, Proteine, Lipide) wichtig für den Körper sind. Kinder und Jugendliche brauchen im Wachstum noch tierisches Eiweiß - auch dieses wird sich sicher nicht verändert haben. Auch wenn Soja z.B. recht eiweißreich ist. Und durchaus bedarf es bei unterschiedlichen Erkrankungen (“Zuckerkrankheit”, Gicht etc.) unterschiedlicher Diätformen. Aber wenn es ein Allheilmittel gegen Krebs gäbe, wären unsere Vorfahren - oder auch wir - schon lange darauf gekommen und hätten dieses umgesetzt. Viele Mittel heißt stets - keines wirkt. Aber eine Frage sei mir vergönnt - bedingen denn bei Adipositas die mangelnde Bewegung oder die Fettreserven die Neigung zu unkontrolliertem Wachstum von Zellen (hypothetisch nehme ich dieses als Tatsache)? Depots für Lipide finden sich in jedem Körper. So, und nichtsdestotrotz habe ich einen schönen Schmorkohl gegessen. Jedem nach seinem Gutdünken - und ich habe durchaus nicht vor, Methusalem zu toppen.

E. Albert / 18.08.2021

Na dann: Kinder, schmeißt den Grill an - wir müssen noch was Fett verbrennen!

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