Manfred Haferburg / 05.09.2018 / 15:45 / 12 / Seite ausdrucken

Mutmaßlichkeiten und Gewissheiten

Als Regierungssprecher Seibert und seine Chefin die Hetzjagden und den Fremdenhass in Chemnitz brandmarkten, kam ihnen das Wort „mutmaßlich“ nicht über die Lippen. Selbst als klar wurde, dass es eigentlich gar keine Hetzjagden gegeben hatte, bestand die Regierung weiterhin auf ihrem Nazi-Chemnitz-Bashing.

Das musikalische Intermezzo der 120dB-„Wir sind mehr“-Rocker ist verklungen. Den Medien und der Politik tun die Arme so weh vom Eindreschen auf die braunen Sachsen, dass ein wenig Stille nach dem einwöchigen Gekreische einsetzt. Ist der Chemnitz-Drops nun gelutscht? 

Weil nun aber leise ein paar Fakten aus Chemnitz in die bunte Republik tröpfeln, macht sich eine leichte Katerstimmung breit. Nach der tödlichen Messerattacke von Chemnitz ist ein dritter Asylbewerber der Mittäterschaft dringend tatverdächtig. Das Amtsgericht Chemnitz hat eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem vermutlich 22-jährigen, wahrscheinlich irakischen Staatsangehörigen Farhad Ramazan Ahmad angeordnet. Er soll gefährlich und bewaffnet sein. In seinem Falle können die Ermittler allerdings den Aufenthaltsort nicht finden, auch wissen sie nicht, wo der Mann zuletzt gemeldet war. Wer weiß, wo Farhad heute ist? Doch halt, altes Journalistenprinzip – keine Namenswitze!

Zwei „mutmaßliche“ Täter wurden kurz nach dem Messermord verhaftet. Bisher hatten die Behörden die beiden als Iraker und Syrer bezeichnet. Ist das richtig? Wie man kürzlich in allen Medien erleichtert lesen konnte, gab es ja bei der Selbstüberprüfung des Bamf kaum Beanstandungen – also Totalentwarnung. Beim Bamf ist alles paletti und der Untersuchungsausschuss längst vergessen. 

Nun kommen allerdings in Chemnitz ein paar höchst lästige Details ans Licht. Kommen wir zum mutmaßlichen Chemnitzer Täter Nummer 1: Das Bundesinnenministerium teilte am Dienstag mit, dem mutmaßlichen Syrer Alaa S. sei im September 2015 „im schriftlichen Verfahren die Anerkennung als Flüchtling gewährt“ worden. Seine Angaben zur Identität beruhten auf einer Selbstauskunft. Nix Papiere.

Ist „Totalfälschung“ kein Delikt mehr?

Nun zum mutmaßlichen Täter Nr. 2: Der mehrfach wegen Drogendelikten, Betrug und gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Tatverdächtige Yousif A. habe bei der Anhörung im Asylverfahren im November 2017 einen irakischen Personalausweis sowie weitere Dokumente vorgelegt, die sich als „Totalfälschungen“ entpuppt hätten. Das Ergebnis der dokumententechnischen Überprüfung durch das Bamf lag den Angaben zufolge allerdings erst im Juni 2018 vor. Die Untersuchung der „Totalfälschungen“ dauerte demzufolge von November 2017 bis Juni 2018. Und seit Juni sind auch schon ein paar Tage vergangen: ist „Totalfälschung“ kein Delikt mehr? Der Yousif war doch auf Bewährung! Er soll bei einem Friseur gearbeitet haben. Die Behörden wissen allerdings nichts davon. Man hätte ihn allerdings ausweisen können, da er schon in Bulgarien registriert war. Das geschah aber nicht, weil die Ausländerbehörde einen Fehler gemacht hat. Es habe im Rahmen des Asylverfahrens Versäumnisse bei der Kommunikation zwischen den Behörden und Verzögerungen bei der Überprüfung der Dokumente gegeben – sagt der Innenminister.

Auch sind die Gründe des Angriffs immer noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft sagt: es wurde ohne rechtfertigenden Grund mehrmals auf die Opfer eingestochen – fünfmal auf das Todesopfer. Gibt es fürs mehrfache Zustechen „rechtfertigende Gründe“? Und warum lautet die Anklage „Totschlag“? Wie oft muss jemand zustechen, damit er des Mordes angeklagt wird?

Wieso kommen uns all diese Einzelfälle nur so seltsam bekannt vor? Die Herkunft der beiden Männer, die in Chemnitz einen 35-Jährigen erstachen und zwei weiteren Bürgern schwere Verletzungen beibrachten, ist also bis heute genauso ungeklärt, wie der Aufenthalt des dritten Tatverdächtigen. Was aber ziemlich klar ist: Diese Männer sind seit drei Jahren hier und beziehen Leistungen. 

Da bleibt doch nur zu hoffen, dass die Behörden wenigstens die Sozialleistungen und die drei mutmaßlich vor Krieg und Verfolgung Geflüchteten pünktlich entrichtet haben. 

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Leserpost

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Udo Kemmerling / 05.09.2018

Wenn das Verschleppen von Abschiebungen und das fälschliche Ausstellen von Duldungsbescheinigungen automatisch zum Tatbestand der Beihilfe wird, zu Beihilfe zu jeglicher Kriminalität, die der illegal sich hier Aufhaltende begeht, haben wir eine Chance. Dass wir für diese Regelung vorher eine andere Regierung brauchen, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.

Erik Hoffmann / 05.09.2018

“Gibt es fürs mehrfache Zustechen „rechtfertigende Gründe“?” - Natürlich gibt es für das mehrfache Zustechen auf einen Menschen rechtfertigende Gründe. Ein solcher Grund könnte zum Beispiel “Notwehr” heißen. Sie überschätzen die kurzfristige Wirksamkeit von Messerstichen, und, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich auch die Wirksamkeit von Schusswaffen. Sollte es hier Jäger geben, werden diese Ihnen auf Anfrage sicherlich bestätigen, dass so ein Wild, selbst bei einem gut platzierten Torsotreffer, in den meisten Fällen erstmal wegläuft, und es durchaus “Eine Zigarrettenlänge” dauern kann, bis es irgendwo liegen bleibt. Wild ist kleiner, leichter, und weniger robust als Menschen. Im Fall von Notwehr würde man jedoch ein Ausmaß an Verletzungen anstreben, durch welches der Angreifer auf der Stelle liegen bleibt, und eben keine Zigarrettenlänge mehr Zeit hat, um seinen Angriff fortzusetzen. Das Ausmaß der notwendigen Verletzungen ist daher um ein vielfaches höher, als das Ausmaß der Verletzungen, das “nach einer Zigarrettenlänge” den Tod verursacht. Aus diesem Grund schießen Polizisten häufiger mal ihr ganzes Magazin leer, wenn sie einem bewaffneten und gefährlichen Angreifer gegenüberstehen. Und Pistolen - besonders mit den von der Polizei verwendeten Munitionsarten - haben eine höhere Mannstoppwirkung als einfache Messerstiche. Demnach würde ich es sogar erwarten, dass jemand im Fall von Notwehr, die mit einem Messer erfolgt ist, vollkommen durchlöchert ist, sofern er mit seinem Angriff fortfährt, bis er dies nicht mehr kann. Als ich das letzte Mal nachsah, gab es in Deutschland noch ein eher liberales Notwehrrecht. Zumindest, auf dem Papier.

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