Michael W. Alberts, Gastautor / 15.01.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 47 / Seite ausdrucken

Mut zur Wahrheit, Freunde (1): Das Fass läuft über

Präscriptum: Der nachfolgende Beitrag ist entstanden kurz vor der Zensur-Orgie durch die Internet-Giganten, die alles noch viel schlimmer und aberwitziger macht. Es war allerdings auch vorher schon übel, und die aktuellen Vorkommnisse sollten eigentlich niemanden wirklich überraschen. Der Beitrag erklärt, warum.

Das Leben ist kompliziert, sowieso. Eine neuzeitliche Industrienation ist erst recht kompliziert. Gar nicht zu reden von weltweiten Prozessen – wenn Milliarden Menschen in Echtzeit miteinander kommunizieren können. Und das Leben ist nicht nur kompliziert, es scheint zugleich immer verrückter zu werden. Verwirrend kompliziert und verrückt, dafür sind unsere Hirne und Psychen eigentlich nicht konstruiert. Wie Jordan B. Peterson es in seinen grundlegenden Vorträgen zu den „maps of meaning“ erklärt: Wir wollen wissen, wo wir stehen, wir brauchen ein klares Ziel vor Augen, und wir sind angewiesen auf verlässliche Informationen über den Weg dorthin. Manche Menschen haben ein größeres Sicherheitsbedürfnis, manche sind eher vom Typ Abenteurer, aber sich in einer fremden Welt völlig zu verlieren, ist für niemanden erstrebenswert.

Eine Variante, auf die verrückte Komplexität der Weltläufe zu reagieren, ist der Rückzug ins Private. Das Problem ist nur, die Politik rückt einfach nach. Die heutige Politik kann den Menschen ihre Privatwelt nicht mehr erlauben, denn eine solche Beschränkung ihrer Machtfülle hält sie für eine Zumutung. Ihr Motto ist „global denken, lokal handeln“. Das Lokale, in dem die Politik handeln zu müssen vorgibt, ist jedermanns Wohnung, jedermanns Einkauf im Supermarkt, jedermanns Grillabend mit Freunden auf der eigenen Terrasse. Die Politik ist in diesem Sinne totalitär geworden, ungeniert und sendungsbewusst. Deshalb ist der Rückzug ins Private eine gefährliche Sackgasse geworden, kein tauglicher Ausweg.

Also was ist die richtige Antwort auf die Komplexität und das Verrückte? Das Einfache und das Selbstverständliche. Das, was Menschen schon vor vielen hundert Jahren gewusst und wonach sie gelebt haben. Was ihnen Orientierung gegeben hat, in ihrer damaligen Welt, die zwar nicht so kompliziert war, nicht einmal annähernd, aber von der sie andererseits auch viel weniger wissen und verstehen konnten.

Mein Vorschlag ist, zugegeben, atemberaubend schlicht. Er läuft darauf hinaus, zu unterscheiden: zwischen Wahrheit und Lüge. Zwischen dem Guten und dem Bösen. Zwischen Freiheit und Unterwerfung. Jeder weiß und versteht, dass es diese Gegensätze gibt. Aber wir haben allem Anschein nach verlernt, sie als Maßstäbe zu nutzen. Wir haben uns einreden lassen, die Dinge seien so furchtbar kompliziert, nur noch „wissenschaftliche Experten“ könnten erkennen, was Tatsache sei und was falsch. (Oder „Faktenchecker“…) Wir hören immer neue Argumente, denen zufolge das Böse – auch Terror und Gewalt – eine gute oder zumindest notwendige Sache sei. Wir können uns gar nicht mehr vorstellen, wie es ist, in Unfreiheit zu leben, denn unsere Zeit ist doch so wunderbar modern und vielfältig und voller Optionen, so bunt und so hedonistisch. Das Ergebnis ist, dass wir uns belügen, einschüchtern und schikanieren lassen, jeden Tag ein bisschen mehr.

Wörter brechen keine Knochen

Inzwischen ist die Schraube noch einmal weitergedreht worden, durch die „postmodernen“ Theoretiker. Denen zufolge gibt es nicht mal mehr die eine Wahrheit für alle, sondern jeder lebt in seiner eigenen Wahrheit, und diese ist nur Ausdruck der gesellschaftlichen Situation (und Reaktion auf diese), in der man sich als Angehöriger eines bestimmten Kollektivs befindet. Die jeweiligen, konkurrierenden „Wahrheiten“ sind quasi der geistige Speer, mit dem sich die konkurrierenden Kollektive in einer konkreten geschichtlichen Konstellation gegenseitig bekämpfen. Es geht nur noch um den Gewinn von Macht und Kontrolle, physisch wie gedanklich.

Ja, das ist erst recht kompliziert und verrückt. Aber es ist auch lehrreich, denn diese Leute geben eigentlich klar zu erkennen, worum es ihnen selbst geht, was für sie Leitfaden und Motiv ist: eben genau Macht und Kontrolle. Und um dorthin zu kommen, müssen sie Teile der Gesellschaft gegeneinander ausspielen – und vor allem die EINE Wahrheit, die für alle gilt, aus der Welt schaffen, sie relativieren durch angeblich gleichberechtigte, konkurrierende Wahrheiten. Dafür definieren sie Worte um, verdrehen Bedeutungen, entziehen der Gesellschaft die unverzichtbare Grundlage für die Suche nach der Wahrheit – und für den friedlichen Ausgleich von Interessenkonflikten aller Art –, nämlich die gemeinsame Sprache.

Das alles ist nichts anderes als Lüge. Lüge, wie sie in atemberaubender Hellsichtigkeit durch George Orwell in „1984“ beschrieben worden ist. Genau da sind wir heute und einschließlich täglich unverschämter auftretender Zensur. Der Weg, den das Böse und die Tyrannei nehmen, um uns zu unterwerfen, führt über informationelle und gedankliche Manipulation und Kontrolle. Dabei sind es längst nicht mehr „nur Worte“, die die Opposition zum Zeitgeist bedrohen, sondern es wird auch eingeschüchtert und gedroht, bis hin zu Kriminalisierung und Berufsverbot.

Ob Monika Maron ihren Verlag verliert, ebenso wie vorher Thilo Sarrazin, ob ein selbstständig – und verantwortlich! – denkender Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums in die Verbannung geschickt wird, ob der „social media“-Mob die Ächtung falsch Denkender einfordert (und die FDP-nahe Naumann-Stiftung wunschgerecht über das Stöckchen springt), ob „populistische“ Politiker als Nazis diffamiert und als Verfassungsfeinde einsortiert werden…Achgut.com berichtet ja jeden Freitag in der Kolumne "Der Ausgestoßene der Woche" darüber.

Im Englischen sagt man: „sticks and stones may break my bones, but words can never hurt me” – Knüppel und Steine können mir die Knochen brechen, aber Wörter können mich nicht verletzen. Das sollte unstreitig sein: Körperverletzung und Unfreundlichkeit sind ganz und gar nicht auf derselben Ebene. Die postmodern instruierten „social justice warrior“ (auch das eine gewaltige Sprachverwirrung!) aber erklären Wörter zu „actual violence“, tatsächlicher Gewalt. Und in einer Wehleidigkeit, die gleichermaßen grotesk wie anmaßend ist. In der Folge soll – zum Beispiel in England oder Kanada – massiv abgestraft werden, wer die Gefühle einer Person, die sich entschieden hat, Mann statt Frau zu sein, oder umgekehrt, durch eine (angeblich!) verächtlich machende, nicht gefühls-wunschgemäße, „trans-phobische“ Formulierung verletzt.

Das Böse ist totalitär, es will alles

Das ist das Ende des freien Wortes. Das ist das Ende der Freiheit und der Wahrheit. Das ist der Sieg des Bösen. Wer sich dem nicht entgegenstellt, der lässt die tyrannisierenden Lügner frei agieren, und der lässt unsere Zivilisation den Bach runtergehen. So schlimm wird es schon nicht kommen? Lass doch den linken Spinnern ihre Spielwiesen? Wer so argumentiert, hat nicht verstanden: So wie der Rückzug ins Private nicht mehr hilft, weil die Politik das Private einfach nicht mehr respektiert, angeblich aus höherer Notwendigkeit, so kennen die Lügner ebenfalls keine Grenzen mehr. Sie wollen die Macht, und zwar die ganze Macht. Das Böse will kein Reservat für sich, es will alles. Es ist totalitär und absolut.

Und letztlich zählen für das Böse und die Lügner auch keine Menschenleben. Wenn Antifa-Aktivisten in Amerika einen unabhängigen (ironischerweise: eingewanderten und schwulen!) Journalisten (Andy Ngo) lebensgefährlich verletzen, weil er es wagt, ihr Treiben öffentlich zu dokumentieren, oder wenn sie unbeteiligte Polizisten zu töten versuchen, einfach dafür, dass sie Polizisten sind, dann sind das keine „Ausrutscher“, sondern Konsequenz ihres „Denkens“. Das ist das gleiche, für einen gut erzogenen westlichen Normalbürger schlicht unverständliche und unvorstellbare Denken wie das eines RAF-Terroristen oder das eines islamistischen Kämpfers oder das Denken Hitlers, Stalins, Maos, Pol Pots.

(Natürlich ist die Weltgeschichte der letzten hundert Jahre komplizierter, als dass man sie mit einem kurzen Satz hinreichend abarbeiten könnte. Natürlich kann man jemanden „tödlich beleidigen“, etwa in einer engen familiären Beziehung, und psychische und andere Erkrankungen hervorrufen. Das versteht sich von selbst, aber das macht die Betrachtung auf der höheren Abstraktionsebene wiederum nicht falsch.)

Das Böse beschränkt sich nicht, es duldet kein Gutes neben sich. Und das Böse kann nicht überleben ohne die Lüge. Deshalb ist es kein Zufall, dass Hitler nicht weniger als die Weltherrschaft wollte. Und es ist kein Zufall, dass Hitler seine Macht sichern musste durch Gleichschaltung und Reichspropagandaministerium. Ebenso ist es kein Zufall, dass es in China keine freie Meinung und keine freie Debatte gibt, eine Privatsphäre auch nicht, und dass den Menschen in Hongkong diese eigentlich garantierten Freiheiten mit brutaler Gewalt genommen werden. Noch einmal: Das Böse kann nicht bestehen ohne Lüge. Aber müssten einem Tyrannen nicht physische Macht und Kontrolle genügen? Kann es dem Despoten nicht egal sein, was die Menschen in ihrem Kopf haben? Offensichtlich nicht. Vielleicht liegt es daran, dass das Streben nach Macht und Kontrolle, die Verneinung jeder individuellen Freiheit eben von vornherein nicht „nur“ auf die Welt des Physischen zielt, sondern absolut totalitär den Menschen gerade auch in seiner geistigen Existenz meint.

Aber der entscheidende Punkt ist, dass die Wahrheit an sich und als solche stärker ist als die Lüge, somit das Böse gefährlich unterminiert. Weil der Mensch eben genau so angelegt ist, und zwar egal, ob durch einen Schöpfer oder durch eine zufallsgesteuerte Evolution. Der Mensch kann sich in der Welt nicht sinnvoll und nicht lebenstüchtig bewegen, ohne ihr Wesen zu verstehen, und zwar ihr tatsächliches Wesen, im Sinne von Erkenntnis, von erklärendem Wissen. Und die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind, das ist Wahrheit. Die notwendige Landkarte des Lebens – sie darf nicht in die Irre führen. Nur wenn das Versprechen eines Wegweisers durch Ankunft am gewünschten Ort erfüllt wird, nur dann ist die „Landkarte des Verstehens“ [oder, etwas näher an Petersons Formulierung: „…der Bedeutung“] nützlich und das Leben befriedigend.

Gleiches Recht für alle und Fairness sind so von gestern

Von der leicht wolkigen Höhe der philosophierenden Anthropologie zurück auf die Ebene des Politischen. Erlauben wir uns vorläufig weiter einen vereinfachenden Blick auf die Zustände: Auf der einen Seite die Kanzlerin und die Regierungsmedien, die Mehrzahl der politischen Kräfte, die „tonangebenden Kreise“. Auf der anderen Seite – nun ja, wer eigentlich? – die Skeptiker und Kritiker und die amtlich geschmähten „Populisten“; sowie viele Bürgerinnen und Bürger, die entweder (trotzig oder zähneknirschend) AfD wählen oder verzweifelt eine Partei suchen dort, wo früher bürgerliche Liberale und liberale Konservative gestanden haben und wo heute eine riesige Lücke klafft.

Diese Auseinandersetzung ist sehr ungleichgewichtig, offenkundig, denn vor allem: Der Kampf wird eklatant unfair geführt. Wir haben eben keine idealtypische Debatte zwischen zwei Meinungsbildern, und jede Seite führt ihre besten Argumente ins Feld. Die andere Seite ist strukturell im Vorteil, denn sie sieht sich berechtigt, mit mehr als nur sachbezogenen Argumenten zu streiten. Sie gibt taktisch motiviert ständig neue Ziele und Maßstäbe aus – im Englischen sagt man dazu „moving the goalpost“, also quasi das Tor beim Fußball immer wieder verrücken (und verkleinern und verstellen), damit der Gegner nicht trifft. Sie rückt die Debatte auf die Meta-Ebene, manipuliert die Spielregeln, und maßt sich an, zugleich Schiedsrichter zu sein. Sie definiert ständig neu, welche Begriffe überhaupt noch erlaubt seien, was man noch sagen dürfe. Und wenn das alles nicht reicht, dann wird offen zensiert und eingeschüchtert, also unmittelbar Macht ausgeübt und Kontrolle, weit über die „Kraft des besten Arguments“ hinaus. Das ist natürlich ein Armutszeugnis sondergleichen. Es ist ein Beweis dafür, dass die andere Seite an sachlichen Argumenten nicht mehr viel zu bieten hat.

Das war aber noch nicht alles. Es ist eben nicht nur Macht und Kontrolle, Zensur und Einschüchterung. Sondern es ist auch die Lüge, ohne die es nicht geht. Es ist gelogen, dass die Kritiker verkappte Nazis seien, mindestens Rassisten und Fremdenfeinde. Aber es ist auch von vornherein vielfach gelogen, was im Kern – sozusagen „zur Sache“ – argumentiert wird. Es sind Lügen, die Macht und Kontrolle ermöglichen und sichern sollen. Nun aber sind die Zeiten, als die tonangebenden Kreise damit durchgekommen sind, „schlau genug zu lügen“, vorbei. Und zwar deshalb, weil man damit nur bis zu einem gewissen Punkt kommt, nur zu einem gewissen Ausmaß an Macht und Kontrolle über die Menschen. Will man mehr Macht und Kontrolle, nämlich am liebsten totale, oder fängt das Volk unversehens an, teilweise renitent zu werden, dann wird das Lügen schamlos und durchschaubar. Und das ist die Achillesferse, die man angreifen muss. Die Lüge ist perfide und vielleicht schlau, aber sie ist immer substanziell im Nachteil gegenüber der Wahrheit, wie vorhin erörtert, erst recht in diesem weit fortgeschrittenen Stadium. Wäre sie das nicht, bedürfte sie nicht der Zensur und der Einschüchterung. Die machtgierigen „Eliten“ haben den Bogen überspannt. Sie können einfach nicht anders, sie sind wie Süchtige, die eine immer höhere Dosis brauchen, um noch etwas zu spüren.

Nehmt die rote Pille, traut Euch

An diesem Punkt sind wir inzwischen eindeutig, und es ist an vielen Themenfeldern nur zu leicht erkennbar: Es reicht, sich die einfache (!) Frage zu stellen: Was, wenn das Narrativ in Wirklichkeit gelogen ist? Dann kann sehr schnell passieren, was in der amerikanischen Debatte als „red pill moment“ bezeichnet wird. Das spielt auf eine entscheidende Szene im Spielfilm „Matrix“ (mit Keanu Reeves) an, wenn der Protagonist sich entscheiden muss, ob er weiter Teil des Systems sein will, in dem er als unselbständiges Wesen ausgebeutet und mit falschen Träumen bei Laune gehalten wird, oder ob er die Wahrheit, die Realität erkennen will – um den Preis, einen harten und fast aussichtslosen Kampf führen zu müssen. Und: Es gibt keinen Weg zurück, in das bequeme, wenn auch falsche Leben in der Unterwerfung. Once you have seen the truth, it cannot be made unseen: Man kann die Wahrheit, einmal erkannt, nicht wieder ungesehen machen, unerkannt. Ist das Gewebe aus Halbwahrheiten, „Narrativen“ und dreisten Lügen erst einmal durchschaut, ist es wie mit des Kaisers „neuen Kleidern“: Der Kaiser ist als nackt erkannt, ganz eindeutig, und hinter diese Erkenntnis kann man nicht zurück. Aber nicht nur ist der Erkenntnis-Weg quasi eine Einbahnstraße, sondern die neue Sicht auf die Welt ist auch substanziell eine andere; man hat seine Ansichten nicht nur graduell korrigiert, sondern einen weitgehenden Schwenk vollzogen.

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nie.“ Vertrauen ist ein wertvolles Gut, und es ist um vieles leichter zu zerstören, als wieder zu gewinnen. Hat einen ein Angehöriger, ein (leider nur vermeintlicher) „Freund“ oder jemand am Arbeitsplatz einmal so richtig dreist hintergangen, wird man auf lange Zeit oder für immer als mögliches Opfer für die entsprechende Person ausfallen. Also wenn es denn zu „red pill“-Erlebnissen kommt, dann sind sie für die Betroffenen sowohl durchschlagend als auch dauerhaft wirksam. Es besteht also guter Grund für die Überzeugung, dass die Herrschaft der tonangebenden Kreise über die öffentliche Debatte und damit über die Entwicklung des Gemeinwesens – so stark deren Stellung derzeit noch scheinen mag – bestenfalls auf Sand gebaut ist. Denn es kommt noch etwas Schwerwiegendes hinzu: Unsere „politische Klasse“ sieht mehr und mehr aus wie ein ziemlich homogener Block. Vor allem die mediale Oberfläche, mit der wir alle fast ausschließlich zu tun bekommen, ist an Homogenität kaum noch zu überbieten.

Was uns „inhaltlich“ geboten wird, rund um die Uhr auf fast allen Kanälen, läuft auf ein fast hermetisch geschlossenes, links-grünes Weltbild hinaus. Wo selbst vor ungefähr fünf Jahren noch zumindest ein Stück weit unterschiedliche Profile existierten, die den „Spiegel“ unterscheidbar machten von der „Welt“, sind die Narrative und Meinungen inzwischen nur noch mit der Lupe auseinanderzuhalten. Ist das eine Stärke der „Gegenseite“? Ganz im Gegenteil: Nicht nur unterminiert die inhaltlich-ideologische Geschlossenheit von vornherein die Vorstellung, die die meisten von uns in der Schule gelernt haben: Wir seien eine pluralistische Demokratie, in der zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen gestritten und friedlich-demokratisch ein Ausgleich herbeigeführt wird. Das allein gibt schon reichlich zu denken.

Das Fass läuft über, jetzt gerade

Aber vor allem: Die „Medienfront“, von der wir bespielt, bespaßt und vor allem bevormundet werden, ist im Ergebnis quasi nur noch ein einziger großer Akteur. Wenn nun am Beispiel nur eines einzigen Themenblocks, nur eines Politikfelds, klar wird, dass nicht objektiv berichtet, sondern ungeniert gelogen wird, dann ist die Glaubwürdigkeit generell am Ende. Wenn ich ein Fachmann etwa des Bauhandwerks bin, oder der Volkswirtschaft, oder der Medizin, und ich muss erkennen, dass die gesamte Medienmeute übereinstimmend dauerhaft nur irreführenden Unfug verbreitet in diesem Themenbereich, in dem ich selbst einfach sehr viel mehr weiß als ein typischer Medienmacher, warum sollte ich dann glauben, dass das in anderen Themenbereichen grundsätzlich anders ist? Und wenn ich feststelle, dass die Falschheiten nicht nur in einem Blatt oder bei einem Sender, sondern überall gleichlautend vorgetragen werden? Für einen gewissen Zeitraum mag das den Fachmann auf seinem Themenfeld dazu bringen, sich selbst noch einmal zu hinterfragen: Liege ich vielleicht doch falsch?

Aber wenn am Ende kein Weg an der Erkenntnis vorbeiführt, dass man auf allen Kanälen getäuscht und gegängelt wird: dann stellt sich die Frage umso schmerzhafter, wo hier überhaupt noch Meinungsvielfalt, gegenseitige Korrektur und Glaubwürdigkeit der Wächter über die öffentliche Debatte bestehen. Die Gewaltenteilung, ohne die eine freiheitliche Gesellschaft nicht bestehen kann, ist längst grundlegend erschüttert. Wer will behaupten, die Parlamente kontrollierten noch die Regierungen, oder die Medien kontrollierten – von unvoreingenommener Warte aus – die Politik? (Mal ganz abgesehen vom verlorenen Pluralismus innerhalb jeder Sphäre.) Nach den Maßstäben der klassischen liberalen Staatskunde bricht das Fundament unserer Republik auseinander.

Es ist kein Wunder, dass viele einen solchen Erkenntnisschritt scheuen. Denn sich einzugestehen, dass es mit der offenen Debatte und der Demokratie in Deutschland vielleicht nicht mehr so weit her sein könnte, ist für einen politisch interessierten Bürger und freiheitlich denkenden Demokraten fast unerträglich. Dazu gehört nicht nur Leidensfähigkeit, sondern auch Mut – kein besonders weitverbreitetes Talent. Das macht sich der tonangebende Apparat natürlich zunutze, mit seinen Diffamierungs- und Einschüchterungskampagnen. Aber auch das ist ein zweischneidiges Schwert: Denn damit überschreitet der Staatsapparat immer deutlicher seine Befugnisse, macht sich selbst immer fragwürdiger in seiner Übergriffigkeit.

(Im zweiten und abschließenden Teil dieses Essays lesen Sie morgen: Beispiele, wo und wie wir nach Strich und Faden belogen werden, quer durch Politikfelder. Und was wir tun können.)

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Heinz Gerhard Schäfer / 15.01.2021

Sehr guter Artikel und ebenso gute Beiträge der Foristen! Danke Euch allen.

Volkmar du Puits / 15.01.2021

Die Schulen sind geschlossen, der Lebenskreis auf 15 km begrenzt und wir ergötzen uns an Philosophievorlesungen. Von “noch demokratisch” bis “totalitär” und “GG-widrig” wird alles geboten. Nur die Mensa ist zu.

Manuela Pietsch / 15.01.2021

Es ist schwierig. Genau darum akzeptieren noch so viele Leute die Rundfunkgebühren, die Lockdowns und glauben jeden Mist, der in Funk und Fernsehen erzählt wird. Von der Schule an wird uns erzählt, in welch einem demokratischen, freien Land wir leben und dass man sich, in einem solchen, darauf verlassen kann, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht und Berichte und Nachrichten korrekt und neutral sind. Vor allem auch, weil die Medien ja als 4. Macht im Staat gelten, die eine Kontrollfunktion ausüben. So haben wir das gelernt. Und wer sich über nichts anderes als eben diese Medien informiert, der bekommt auch nicht mit, dass das längst nicht mehr stimmt. Wie denn auch? Und um zu verhindern, DASS sich die Leute aus anderen Quellen informieren, dafür gibt es jetzt sogar “Fake-News” und “Netzdurchsuchungsgesetz”. Eine prima Sache, man sagt den Leuten einfach vorher schon, dass es die reine Wahrheit eben nur in der Tagesschau gibt und lässt sie auch noch dafür bezahlen. Menschen, die die DDR noch erlebt haben sind da feinfühliger. Die sind jetzt allerdings auch wütend: Sie fühlen sich verschaukelt. Damals wusste jeder, dass man dem Schwarzen Kanal nicht alles glauben darf - heute merken nur wenige, dass man generell nicht alles glauben sollte und dass Mutti eben nicht immer nur das beste für uns will. Selber denken ist angesagt. Aber das haben viele verlernt oder es ist ihnen zu anstrengend. Es geht uns doch gut. Meine Hoffnung liegt auf den Menschen, die jetzt in Kurzarbeit sind, gekündigt wurden, pleite gehen, die Wohnung nicht mehr bezahlen können (mal ganz abgesehen, vom Strom). All diese Menschen tun mir leid. Aber vielleicht haben sie ja was gelernt. Für die Zukunft und für zukünftige Wahlen.

Tim Acker / 15.01.2021

Danke ! Es sind diese Artikel, die sich lohnen und für die ich dankbar bin.

Egon Müller / 15.01.2021

“Wir haben uns einreden lassen, die Dinge seien so furchtbar kompliziert, nur noch „wissenschaftliche Experten“ könnten erkennen, was Tatsache sei und was falsch.” Guter Punkt, sichtbar aktuell bei Corona-Todesraten. Wenn 80-85% der Corona-Toten aus Alten- und Pflegeheimen stammen, liegt die Lösung des Problems auf der Hand. Und die ist bestimmt nicht, schlittenfahrende Familien zu verhaften.

beat schaller / 15.01.2021

Interessant Herr Albers. Ich freue mich auf den zweiten Teil von morgen. b.schaller

G. Kramler / 15.01.2021

Die politische Korrektion muss den Text berichtigen. 1) Es gibt keine Lügen, alles ist subjektiv. 2) Es gibt nichts böses, alles ist gut. 3) Die Rückkehr zu alten Werten ist reaktionär und im Zweifelsfall auch rassistisch, nationalistisch,, antisemitisch, islamophob, homophob, xenophob, und auch sexistisch da sie von bösen weißen Männern aus geht.

Hans, Michel / 15.01.2021

Danke. Ein notwendiger Artikel!!

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