Roger Letsch / 17.04.2025 / 14:00 / Foto: Imago / 42 / Seite ausdrucken

Multimillionärinnen im Weltall

Die Verlobte von Jeff Bezos und vermögende Freundinnen gönnten sich einen 11 minütigen Trip Richtung Weltraum. Warum das ein großer Schritt in Richtung Emanzipation sein soll, bleibt das Geheimnis der Hypemedien.

Der Unterschied in der Berichterstattung könnte kaum größer sein: Die erfolgreiche Rückkehr einer Dragon-Kapsel von SpaceX am 19. März mit zwei gestrandeten Nasa-Astronauten wurde medial eher schulterzuckend registriert, während der Flug der „New Shepard“ von Blue Origin am 14. April mit Pressesuperlativen überschüttet wurde. Seit sechzig Jahren sei dies der erste Weltraumflug, bei dem nur Frauen an Bord gewesen seien. Was sei das doch für ein Zeichen von „Empowerment“, Frauenrechten und wer weiß was noch alles!

Die sowjetische Kosmonautin Valentina Tereschkowa musste also als Vorbild herhalten, um der Mission die richtige Fallhöhe zu geben. Womit wir schon beim Charakter des Fluges sind, denn hier enden die Parallelen. Tereschkowa gelangte, auch wenn sie es fast vermasselt hätte, in eine Erdumlaufbahn, Katy Perry und ihre Freundinnen nicht. Der Vergleich ist also so sinnvoll wie der von Fallschirmsprung mit Übungen auf dem Trampolin.

Es gab auch keinen echten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, kein Abbremsen der Kapsel aus erster kosmischer Geschwindigkeit, keine Flammen, die an den Fenstern leckten. Die Kapsel von Blue Origin landete so weiß in der Wüste, wie sie gestartet war, und ihr entstieg die Crew mit einstudierten dramatischen Gesten. Talismane wurden in die Luft gestreckt wie Hostien, der Wüstensand wurde geküsst, die Erde hatte sie wieder, die Crew aus sechs starken Frauen, nach einem anstrengenden, kräftezehrenden und langen Weltraumflug … von insgesamt elf Minuten.

Auf der falschen Seite des Strohhalms im Gin Tonic

„Crew“, das ist ein Begriff, den wir vom Fliegen oder von Kreuzfahrtschiffen kennen. Wer zur Crew gehört, hat Aufgaben zu erledigen, die dem Missionsziel dienen. Also kalte Drinks am Pool servieren, den Flug überwachen oder steuerfreien Whiskey an die Passagiere verkaufen. Crew heißt so viel wie Arbeit. Man sitzt auf unbequemen Klappsitzen oder schläft in fensterlosen Kabinen, statt die Aussicht auf dem Sonnendeck zu genießen. Oder man sitzt, bequem oder nicht, monatelang ungeplant irgendwo fest. Auf jeden Fall befindet man sich auf der falschen Seite des Strohhalms im Gin Tonic.

Suni Williams, die für acht Tage in einer Boeing-Kapsel ins All geflogen war und erst neun Monate später mit einer SpaceX-Kapsel zurückkehrte, gehört zur Kategorie „Crew“. Neun Monate saß sie nicht nur auf der ISS fest, sondern erwies sich dort als nützliches Crewmitglied, das nebenbei noch die Handbücher eines für sie völlig unbekannten Raumfahrzeugs durcharbeiten musste, mit dem sie irgendwann zurückkehren würde.

Jeff Bezos’ „New Shepard“ ist anders. „New Shepard“ fliegt ohne Crew. „New Shepard“ ist ein verdammt kostspieliger Amazon-Paketdienst auf der Kurzstrecke, und an Bord befinden sich Passagiere – also Nutzlast. Ein Hüpfer an die Grenzen zum Weltall mit einer zugegeben phänomenalen Aussicht samt Schwerelosigkeit, die man als Passagier einige Minuten genießen kann. Dann tönt es aus dem Lautsprecher: „Liebe Fluggäste, hier spricht die Bodenkontrolle. Wir beginnen nun mit der Landung. Bitte schnallen sie sich an, klappen sie ihre Tische ein und die Sitze nach vorn. Wir hoffen, sie hatten einen angenehmen Flug.“

Maßgeschneiderte, figurbetonten Jumpsuits von Óscar de la Renta

Das Training für die „Mission“ dauerte zwei Tage und hat – wenn man der Presse glauben darf – die „Crew“ zu einem Team zusammengeschweißt, ach, was sage ich: zu einer Familie! Was lernt man so, in den zwei Tagen? Nun: einsteigen, anschnallen, abschnallen, aussteigen und einen Knopf drücken, um mit der Bodenstation (der eigentlichen Crew) zu kommunizieren. Es ist die Jochen-Schweizerisierung der Raumfahrt, und dagegen wäre absolut nichts einzuwenden, wenn uns diese Reise nicht als etwas völlig anderes verkauft würde.

Es wird nämlich so getan, als wäre da gerade ein großer Schritt in Richtung Emanzipation gelungen. Doch die startet für gewöhnlich nicht mit maßgeschneiderten, figurbetonten Jumpsuits von Óscar de la Renta und geht für gewöhnlich auch nicht von den privilegiertesten Menschen aus, die auf dieser Erde leben. Lauren Sánchez, die „Leiterin der Mission“, ist die Verlobte von Jeff Bezos, Katy Perry ist eine der erfolgreichen und bekanntesten Popsängerinnen aller Zeiten, Gayle King ist Fernsehmoderatorin bei CBS. Weit und breit niemand, der „empowered“ werden müsste. Kurzum: „Multimillionärinnen im Weltall“ ist ein viel treffenderer Missionstitel.

Ein Wunder, dass Oprah Winfrey nur unter den Zuschauern am Boden und nicht mit von der Partie war. Perrys Kommentar vor dem Flug, „We are going to put the ‚ass‘ in astronaut“, passt gut zum Charakter dieser lustigen Reise. Das waren keine tollkühnen Feministinnen in einer fliegenden Kiste, sondern Space-Touristen, die mit einem neuen Spielzeug einmal um den Block geflogen sind. Das System ist mittlerweile erprobt, sehr sicher, wiederverwendbar und lässt sich kommerziell touristisch vermarkten. Nichts anderes hatte Jeff Bezos je damit im Sinn.

Ich finde es toll, dass es so etwas gibt und könnte sogar das aufgeladene Presseecho ertragen, wenn Bezos als Werbefiguren dieses neuen, teuren Spaßes nur glaubhaftere Protagonisten anheuert hätte, die nach solch einer Reise irgendetwas von Belang in ein Mikrofon sagen könnten. „Flach und still“ sei es gewesen, sagte Lauren Sánchez und ich musste wehmütig an Jodie Foster im Film „Contact“ denken. „Ihr hättet einen Poeten schicken sollen“, sagte sie in vergleichbarer Situation.Ja, hättet ihr!

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.

Foto: Imago

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Leserpost

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MarcusCato / 17.04.2025

Nicht so kritisch!!!! Die 6 Damen haben garantiert den von Jeff üblicher Weise aufgerufenen Listenpreis für so einen Trip bezahlt - sie haben es ja - und der Jeff, der Philantrop und Klimaheld, hat den Erlös zur Rettung des transzendenten Klimawesens gespendet und die CO2 Emission aus seiner Portokassa kompensiert. Alles Andere würde mich sehr wundern!

Sam Lowry / 17.04.2025

@Claus Dietz: Evtl. gabs nichtmal ein Raumschiff… :-D

Hans-Joachim Gille / 17.04.2025

Herr Letsch, wenn man Oprah Winfrey mitgeschickt hätte, wäre Angela Merkel genauso eine Option gewesen. Aber dann wären diese schicken Anzüge sinnbefreit worden. Das hätte niemand sehen wollen. Die Karrieren von Frauen basieren in der Regel vordergründig auf Äußerlichkeiten, auch eine Leistung.

Ralf Pöhling / 17.04.2025

Ach Leute, das war doch nur ein gut gemeintes Symbol. Ein Zeichen, dass man nichts damit erreicht, permanent nur über Frauenquoten und Frauenrechte zu diskutieren, sondern einfach mal macht, nicht permanent nur alles zerredet und die Frauen einfach direkt ins Rampenlicht schiebt. Ich würde mir wünschen, dass das nicht nur oben an der gesellschaftlichen Spitze klappt, sondern auch an anderen Stellen. Dafür braucht es aber keine Quoten, sondern gesellschaftliche Verpflichtung. Nicht reden, sondern machen! Das ist der Trick bei der Gleichberechtigung.

W. Renner / 17.04.2025

Vielleicht hat Jeff Bezos auch nur gedacht, wieso nicht mal ein paar Dollar auf die Challenger setzen?

Sam Lowry / 17.04.2025

Hat wohl jede 10 Mille (Millionen) Taschengeld für die Fake-Show erhalten… ich hätte es für einen Hunni gemacht. Aber wen?

Sam Lowry / 17.04.2025

Nachtrag: Kein normaler Mensch würde in so eine Rakete einsteigen. Schonmal gar nicht die “Reichen und Schönen”... boah… was für ein Schwachfug…

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