Volker Seitz / 20.11.2017 / 06:29 / Foto: Kremlin.ru / 0 / Seite ausdrucken

Mugabe geht, das Krokodil kommt

Die politische Krise in Simbabwe um die Nachfolge des seit 1980 regierenden Robert Mugabe entfaltet sich seit einigen Tagen. Mugabe hat trotz seines hohen Alters und seines sich verschlechternden Gesundheitszustands erklärt, er strebe eine weitere Amtszeit an. Er hält sich offenbar für unverzichtbar. Dennoch wurde er am 15. November 2017 von der Militärführung des Landes entmachtet und unter Hausarrest gestellt, nachdem er seinen Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa entlassen hatte.

Mugabe wollte seine Ehefrau, die unbeliebte First Lady Grace Mugawe (52), als Nachfolgerin aufbauen, was die Militärs verhindern wollen. Der frühere Geheimdienstchef Mnangagwa gilt als zentrale Figur in dem Machtkampf. Grace Mugabe soll nach Namibia geflohen sein. Mehrere Vertraute von Mugabe wurden festgenommen. Trotz seines Hausarrests besuchte Mugabe zwei Tage nach dem Putsch die Abschlussfeier einer Universität. „Er weigert sich zurückzutreten“, verlautete am Donnerstag aus Armeekreisen nach dem Treffen Mugabes mit Generälen. Trotz des Putsches wagt es die Armee nicht, ihn einfach abzusetzen.

Am Sonntag, den 19. November entschied schließlich die Regierungspartei Zanu-PF, Mugabe durch seinen früheren Stellvertreter Emmerson Mnangagwa zu ersetzen. Am Abend lehnte Mugabe trotzdem einenRücktritt ab, so dass wohl ein Amtsenthebungsverfahren eingelietet werden muss,

Für die Bevölkerung wird sich durch einen Machtwechsel hin zu Emmerson Mnangagwa aber so oder so nichts ändern. "Das Krokodil" wie der vermutlich neue Präsident genannt wird, hat Mugabe seit 1980 gedient und den Unterdrückungsapparat für das Regime aufgebaut.

Der frühere Unabhängigkeitskämpfer Robert Mugabe regierte Simbabwe seit mehr als drei Jahrzehnten mit harter Hand. Er gehörte zu den Herrschern, die sich unverfroren der Reichtümer ihres Staates bedienen, während viele Landeskinder keinen eigenen Wasserhahn kennen.

Bei der Unabhängigkeit von Großbritannien 1980 galt das Land noch als die Kornkammer oder der Brotkorb des südlichen Afrikas. Eine Landreform, die das Land weißer Großgrundbesitzer zu Anfang des Jahrtausends auf Mitglieder der Regierungspartei Zanu-PF umverteilte, führte zum Einbruch der Produktion. Der Weltbank zufolge sank die Wirtschaftsleistung zwischen 1999 und 2008 um mehr als die Hälfte. Nach der chaotischen Enteignung von etwa 5.000 weißen Landwirten ging das Land wirtschaftlich bergab. Die meisten Großfarmen wurden unter schwarzen Kleinbauern aufgeteilt. Doch die neuen Herren produzieren fast nur für den Eigenbedarf.

Ein Land in die Armut heruntergewirtschaftet

Mugabe hat Simbabwe so weit heruntergewirtschaftet, dass es inzwischen ein Land der Armut mit vierzehn Millionen teils hungernden Menschen geworden ist. Dies sind die Folgen von Repression, Korruption und zynischem Desinteresse von Mugabe an Daseinsvorsorge für die Bevölkerung. Es gibt unverändert unglaubliche Armut und Not. Gleichzeitig nimmt das Vermögen der Oberschicht märchenhafte Dimensionen an. Die Sunday Times vom 14. Februar 2009 berichtete, dass Mugabe in Hongkong eine Villa für 5,6 Millionen US Dollar gekauft hat.

Simbabwe ist reich an Mineralien wie Platin, Diamanten, Graphit und Gold, verfügt jedoch über keine verarbeitende Industrie in diesen Sektoren, was das Land abhängig macht von den Preisentwicklungen an den internationalen Rohstoffmärkten. Von den Bodenschätzen profitierten nur wenige Simbabwer um die Familie Mugabe. First Lady Grace Mugabe beutete z.B. das außerordentlich ertragreiche Diamantenfeld von Marange nahe der Grenze zu Mosambik als Privatbesitz aus. Im Volk wird sie Gucci Grace genannt, in Anspielung auf ihren luxuriösen Lebensstil.

Die Zeitung „NewsDay“ brachte im September 2017 einen Bericht über eine Kleiderspende von Simbabwes First Lady Grace Mugabe. In dem Bericht schrieb der Journalist Kenneth Nyangani, dass es sich um gebrauchte Unterwäsche und Nachthemden von Grace Mugabe für Parteimitglieder der regierenden Partei Zanu-PF gehandelt habe. Der Journalist wurde wegen „Verleumdung“ festgenommen. Amnesty International beklagt die erneute Einschüchterung eines Pressevertreters.

Simbabwe hat weltweit eines der größten Diamantenvorkommen. Wie die Anti-Korruptions-Organisation Global Witness im September 2017 mitteilte, hat Simbabwe nach offiziellen Angaben seit 2010 Diamanten im Wert von 2,5 Milliarden Dollar (ca. 2,1 Milliarden Euro) exportiert. Allerdings konnten nur Exporte im Wert von 300 Millionen Dollar in öffentlichen Verzeichnissen identifiziert werden. Mehrere Dokumente würden darauf hindeuten, dass der Geheimdienst an einem Bergbauunternehmen des staatlichen Konglomerats an Diamantenproduktionsfirmen beteiligt ist. Die Firma habe auf internationalen Märkten Diamanten verkauft. Auch ein Waffenhersteller, der unter EU-Sanktionen steht, habe Verbindungen zu zwei Diamantenproduzenten.

Kredite aus China

Die einstige britische Kolonie im Süden Afrikas leidet seit Jahren unter einer Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit. In der Hauptstadt Harare und anderswo wird die Strom- und Wasserversorgung regelmäßig für mehrere Stunden oder gar Tage eingestellt. Die eigene Währung, den Zim-Dollar, hatte Mugabe 2009 nach einer schweren Rezession und jahrelanger Rekordinflation abgeschafft. Seitdem ist der US Dollar die gängige Währung. Außerdem wurde im Dezember 2015 der chinesische Renminbi Zahlungsmittel.

China hatte dem Land in den vergangenen Jahren Kredite von mehr als einer Milliarde Dollar gewährt. Das Land erlebt 2017 eine neue Wirtschaftskrise. Mugabe hat das Dollar-Bargeld durch so genannte Bonds ersetzt, die laut Medienberichten nicht durch Dollarreserven der Zentralbank abgesichert sind. Der Besitz von 50- oder 100-Dollar-Noten ist verboten. Unternehmen dürfen ihre Mitarbeiter nicht mehr bar bezahlen. Gehälter müssen auf Bankkonten überwiesen werden. Abhebungen sind auf 20 Dollar täglich beschränkt. Die Bankautomaten geben jedoch seit Monaten kaum noch Geld aus. Viele Simbabwer haben so kaum Möglichkeiten, an Bargeld zu kommen. Sie können nur in teuren Supermärkten mit Bankkarten bezahlen.

Tendai Huchu beschreibt in seinem  Roman „Der Friseur von Harare“ eine Straßenszene:

„Straßenverkäufer boten Freezits (Plastiktüten mit eingefrorenem Fruchtsaft als Eis) und Maputi (Popcorn), gegrillte Maiskolben, Obst, Eier und Gemüse feil. Das Angebot schien die Nachfrage zu übersteigen. Weil’s keine Arbeit gab, versuchte jeder irgendwie über die Runden zu kommen, indem er irgendwas verkaufte. Vor beinahe jedem zweiten Hauseingang stand ein Holzverschlag: ein Kiosk, kaum komfortabler als die klapprigen Tische, die Bauchläden oder die improvisierten Verkaufsstände der fliegenden Händler. In jedem solchen Kiosk saß ein junges Familienmitglied und starrte Löcher in die Luft, weil Kundschaft sich nur höchst selten einfand.“

Importe überwiegend aus Südafrika sind drastisch gesunken. Der staatliche südafrikanische Stromkonzern ESKOM hatte mit Lieferungsstopp gedroht, sollten die Schulden von 50 Millionen Dollar bezahlt nicht werden. (ESKOM liefert täglich rund 300 Megawatt nach Zimbabwe.)

„Karikatur eines schwarzen Führers“

Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu beschrieb einmal Robert Mugabe als „Karikatur eines schwarzen Führers“. Aber nicht wenige Afrikaner halten den Langzeit-Präsidenten von Simbabwe in Umfragen für einen bedeutenden Afrikaner. Anders als die eigenen Landsleute, Amnesty International oder Human Rights Watch feiern sie ihn als Freiheitshelden („Comrade Bob“) und glorreiches Vorbild im Kampf gegen die Weißen.

Mugabe profitierte davon, dass als Autokrat bezeichnet zu werden, für die meisten Politiker keine Beleidigung ist. In der afrikanischen Kultur ist der Gehorsam gegenüber Älteren und Chefs tief verwurzelt. In diesem kulturellen Umfeld ist eine Rechenschaftspflicht des Präsidenten schwer durchzusetzen. Deshalb wird auch ein afrikanischer Präsident keinen seiner Kollegen kritisieren.

Simbabwe belegt nur den 172. Platz (von 185 Ländern) beim Doing Business Index der Weltbank und rangiert auf Platz 157 (von 175) beim Korruptionsindex von Transpareny International. Ausländische Firmen in Simbabwe müssen 51 Prozent ihrer Anteile schwarzen Simbabwern übertragen. Vor allem große Bergbaufirmen kämpfen mit den Folgen der Regel. Die wenigsten Investoren wollen die Kontrolle über ihr Unternehmen aus der Hand geben – das Gesetz schreckt neue Investoren ab, die das Land dringend braucht.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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