Walter Schmidt / 13.11.2007 / 18:01 / 0 / Seite ausdrucken

Münte geht, die Heuschrecke meldet sich zurück

Die schlimmsten Befürchtungen deutscher Tierschützer und Naturfreunde, nach denen die Heuschrecke ein Insekt sei, das tendenziell vom Aussterben bedroht ist, haben sich nach neuesten Erkenntnissen Gott sei Dank nicht bestätigt.
Im Gegenteil:Mit der neuesten Broschüre der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die den Titel “Finanzkapitalismus-Geldgier in -Reinkultur” trägt und die als “Handreichung und Argumentationshilfe für die gewerkschaftlichen MultiplikatorInnen in Betriebsräten und Vertrauensleutekörpern” gedacht ist, feiert die bereits tot gesagte Spezies fröhliche Urständ…

Erinnern wir uns:

Bereits im Bundestagswahlkampf 2005 hatte Heuschreckenjäger Franz Müntefering das nette kleine grüne Insekt für die damalige Krise der deutschen Wirtschaft und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht, da es in der Natur der nach Müntefering vornehmlich US-amerikanischen Heuschrecke liege, die deutschen Betriebe auszusaugen und den Profit für sich allein einzustreichen, die Verluste dagegen der deutschen Volksgemeinschaft aufzubürden und damit zu sozialisieren. Sein Parteifreund Otto Schily hatte kurz darauf vor der Machtübernahme einer von ihm so genannten “Kartoffelkäferkoalition” aus CDU und FDP gewarnt, die dann jedoch glücklicherweise durch eine Große Koalition aus CDU und SPD verhindert werden konnte.

Damit schien die Debatte vorläufig beendet, zumal wegen der offenkundigen und eher peinlichen Parallelen der Äußerungen Münteferings zur einstigen Kritik des NSDAP-Mitglieds und “Stürmer”-Herausgebers Julius Streicher am “internationalen Finanzjudentum, das wie Heuschrecken (!) über deutsche Betriebe herfalle”.

Jetzt, ca. zwei Jahre später, meldet sich die Heuschrecke auf dem Titelbild der o.g. ver.di-Broschüre zurück. Die Broschüre selbst arbeitet extensiv mit der antisemitisch besetzten Heuschreckenmetapher. In der Broschüre wimmelt es nur so von den niedlichen kleinen, grünen Insekten.

Alarmieren muß die offenbar hartnäckige Ignoranz gegenüber Geschichte und Problematik dieser Metapher aus dem Dritten Reich.
Die Entgegensetzung vom “raffenden” ausländischen Finanzkapital sowie dem “schaffenden” nationalen Kapital begegnet dem Leser an verschiedenen Stellen der Broschüre. Die damit einhergehende “Personalisierung” linker Kapitalismuskritik folgt, wenn auch nicht wörtlich, so doch dem Sinn nach, dem sog. “25-Punkte-Programm” der NSDAP von 1920.

Dem Bundestagsabgeordneten der Partei “Die Linke”, Axel Troost, hat die Broschüre offenbar so gut gefallen, daß er sie auf seiner persönlichen Website ausdrücklich weiterempfiehlt.

Einigen Mitgliedern von ver.di geht diese Art der “Kapitalismuskritik” dann aber doch ein bißchen zu weit. So hat die “Finanzkapital AG” beim ver.di-Bezirk Stuttgart eine detaillierte Kritik der Broschüre herausgegeben.

Nichtsdestotrotz darf Julius Streicher offenbar weiterhin als Ghostwriter und Karikaturist durch die “Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft” ver.di und ihre Betriebsräte und Vertrauensleute in Anspruch genommen werden, wenn es gegen das internationale Finanzjudentum und die US-amerikanische Heuschreckenplage geht.

Ein neues Kapitel des Romans “Lechts und Rinks” ist eröffnet.

P.S.: Für alle, die es sich unbedingt antun wollen hier der Link:
    http://wipo.verdi.de/broschueren/finanzkapitalismus/data/finanzkapitalismus.pdf.

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