“I like to spend some time in Mozambique
The sunny sky is aqua blue
And all the couples dancing cheek to cheek
It's very nice to stay a week or two
You turn around to take a final peek
And you see why it's so unique to be
Among the lovely people living free
Upon the beach of sunny Mozambique”
(Bob Dylan [*1941]; Album Desire [1976]).
1964 ausbrechende Kämpfen mit bis zu 10.000 Opfern bringen Mozambique 1975 die Unabhängigkeit von Portugal. Als die Siegesfeiern vorüber sind, beginnt 1977 der Bürgerkrieg. Um den Faktor 100 übertrifft er bis 1992 die Opferzahl aus den Kolonial-Scharmützeln. Hungersnöte tragen zu der Toten-Million ebenso massiv bei wie die Todesmärsche bei Vertreibung von fünf Millionen Menschen.
Wie ist das möglich in einem Land, das 1940 nur fünf Millionen Einwohner zählt? Weil es bei dieser Demografie nicht bleibt. Beim 1975er Sieg sind es bereits zehn Millionen und – ungeachtet all des Blutvergießens bis 1992 – geht es auf 14 Millionen, sodass junge Rekruten für Internationalisten (FRELIMO) und Nationalisten (RENAMO) immer zahlreicher nachwachsen als bei den gerade Erwachsenen fallen. Auf jede Pfründe verjagter Beamter der 250.000 Menschen umfassenden weißen Minderheit (2,5 Prozent der Bevölkerung von 1974) drängen ungezählte Dschungelkämpfer. Als Verräter an den Idealen von Freiheit und Gleichheit können sie diejenigen hinstellen, die es zuerst auf die Sessel schaffen. Ihre Beseitigung wird so zu einer noblen Pflicht. Wie zumeist frisst die Revolution nicht ihre Kinder, sondern ihre Brüder.
Zwei Jahrzehnte nach dem Blutrausch bis 1992 hat eine neue Generation genügend Zeit gehabt, um auf Besseres zu hoffen und sein Ausbleiben zu spüren. Statt 900.000 Männern zwischen 20 und 29 Jahren von damals gibt es jetzt zwei Millionen. Die neuen Kämpfe ab 2013 folgen aber noch einmal dem alten Muster. RENAMO bekämpft die Posteninhaber von FRELIMO als korrupt und sieht die 2014er Wahlen als gestohlen. Doch die Gräber nach den Schießereien und Morden werden vorerst nur dreistellig gefüllt.
Zornige junge Männer suchen in heiligen alten Büchern Rechtfertigungen
Noch während die beiden Altparteien über Posten verhandeln, werden andere Phrasen laut. Für Allah schlägt man jetzt sein Leben in die Schanze. Junge Männer stehen Schlange, um beim Islamic State-Central African Province (IS-CAP) unterzukommen. Es gibt nun 2,5 Millionen potentielle Krieger zwischen 20 und 29 Jahren. Mit Enthauptungsaktionen quer durch die Nordprovinz Cabo Delgado unterstreicht der Islamische Staat seinen Herrschaftsanspruch. Schnell kann er sich 2.000 bis 3.000 Getötete und 300.000 Vertriebene auf die Fahnen schreiben. Gleichwohl kämpft dort nicht „der Islam“, sondern zornige junge Männer suchen in heiligen alten Büchern nach Rechtfertigungen für den blutigen Ausgleich zwischen ihren Ambitionen und den „Sündern“ an den Fleischtöpfen.
Die Entwicklungsversprechen werden nicht mehr geglaubt. Die asiatische Konkurrenz hat die kurzfristig Eindruck machenden Industrien längst ausgelöscht.Diese vorzeitige Deindustrialisierung kann mangels Kompetenz nicht mit einem Ausweichen in lokale Hightech-Branchen beantwortet werden. Die Fabriken am Indischen Ozean kommen deshalb eben so wenig zurück wie ihre Gegenstücke in Pittsburgh und Baltimore oder in Essen und Dortmund.
Immerhin stagniert in den absinkenden Regionen des Westens die Bevölkerung. Vergreisungsgebiete tun sich schwer mit Aufständen. Mehr als eine Protestwahl bringen sie nicht zustande. Hingegen will Mozambique – exemplarisch für den gesamten Subsahara-Raum – bis 2050 mit 65 Millionen Menschen prunken und dann fast sechs Millionen Männer zwischen 20 und 29 Jahren in allfällige Schlachten schicken können. Ein vergleichbar voranstürmendes Deutschland stände bei einer Verdreizehnfachung seit 1940 im Jahre 2050 bei gut 900 Millionen Einwohnern.
Bereits 2030 soll Mozambique mit 6,3 hinter Swaziland (6,4) den zweithöchsten Kriegsindex der Welt erreichen. Auf 1.000 Ältere von 55-59 Jahren folgen dann 6.300 Jünglinge von 15 bis 19 Jahren. 2017 liegt man erst auf dem fünfzehnten Rang.
Deutschland mit einem aktuellen Index von 0,7 (auf 1.000 Alte folgen 700 Junge) schickt jährlich immer noch rund 100 Millionen Euro an Maputos Herrschende. Die überlegen sich, ob sie ihre Leibwachen verstärken oder mit den Geldern in besser gesicherte Gefilde entweichen. Mozambiques Traumstrände füllen sich derweil mit Flüchtlingen. Zwei Wochen à la Bob Dylan aus dem Freudentaumel von 1975 genießt dort niemand mehr. Regierungssoldaten laufen eher weg als zu schützen. Da sie noch am ehesten passabel bezahlt werden, hängen sie sehnlicher am Leben als die Todesbereiten im Namen des Höchsten.
Gunnar Heinsohn (*1943) hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Genozid-Forschung aufgebaut. Von 2011 bis Frühjahr 2020 lehrte er Kriegsdemographie am NATO Defense College in Rom