Der Wettbewerb um die politische Schnapsidee 2018 bleibt spannend bis zuletzt. Noch kurz vor Weihnachten schien es, als würde Günther Oettinger das Rennen machen, da er vorschlug, die deutschen Regierungsbehörden ins Ausland zu verlegen. Doch schon kurz darauf machte ein weiterer Einfall die Runde, so weltfremd, dass er ebenfalls zum blödsinnigsten des Jahres gewählt werden könnte: Bierernst erwogen wurde die Einführung einer „Moschee-Steuer“ nach dem Vorbild der Kirchensteuer.
Zwar war der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan bereits im April auf den Gedanken verfallen, doch erst jetzt, in der Stille der Weihnachtstage, sollte er öffentliches Aufsehen erregen. Die WELT wollte nun sogar wissen, dass die liberale Moschee-Gründerin Seyran Ateş, die Einführung der neuen Abgabe „fordert“. Ein Grund mehr für viele Politiker, ihrerseits für die „Moschee-Steuer“ zu plädieren.
Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka hielt den Plan prompt für „diskussionswürdig“. Der Justiziar der Unionsfraktion Michael Frieser erhoffte sich von seiner Umsetzung „die Unabhängigkeit der Moscheegemeinden“, indes Thorsten Frei von der CDU verkündete: „Unser Ziel muss es sein, dass sich der Islam in Deutschland von der Einflussnahme ausländischer Staaten emanzipiert.“
Am Tropf des politisch praktizierten Islam
Insofern befinden sich unsere politischen Maulhelden tatsächlich in Übereinstimmung mit Seyran Ateş. Nur zu gut kennt die Berliner Anwältin türkisch-kurdischer Herkunft die Gefahren, die von daher drohen. Rund um die Uhr muss sie polizeilich bewacht werden. Wie Hamed Abdel-Samad ist die aufgeklärte Muslima seit Jahren Morddrohungen konservativer Islam-Anhänger ausgesetzt. Sie weiß, wie die Moscheen hierzulande am Tropf des politisch praktizierten Islam hängen. Ebenso weiß sie aber auch, dass sich daran nichts ändern würde, wenn die Finanzämter aktiv werden. Dieser Sachverstand unterscheidet sie von den deutschen Islam-Verstehern, zumal von denen mit politischem Mandat.
Allein journalistischer Phantasie kann sich die Behauptung verdanken, Seyran Ateş habe die staatliche Erhebung einer Moschee-Steuer gefordert. Gewonnen wäre damit rein gar nichts. Im Gegenteil würde ihre Einführung denen in die Hände spielen, deren Einfluss angeblich zurückgedrängt werden soll. Schließlich predigen die Imame nicht, weil sie um ihren Unterhalt fürchten, um die Zuwendungen des Sultans in Ankara oder der Scheichs aus Abu Dhabi und Riad. Vielmehr ist es der Glaube, besser: die politischen Überzeugungen, die sie motivieren, als Missionare des Islam in Deutschland zu wirken.
Dafür, dass sie ihren Finanziers den Rücken kehren würden, wenn ihnen der deutsche Staat zuweist, was er bei den bekennenden Moslems als Steuer eintreibt, spricht nichts als die Naivität einer hedonistisch verblödeten Konsumgesellschaft. Auch würde Erdogan die Hassprediger gewiss nicht von seiner Payroll streichen, sich vielmehr ins Fäustchen lachen.
Moscheen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?
Setzt doch die gesetzliche Begründung einer „Moschee-Steuer“ vergleichbar der Kirchensteuer die Anerkennung der Moscheen als Körperschaften des öffentlichen Rechts voraus. Käme es soweit, wäre der Islam eine staatlich sanktionierte Glaubensgemeinschaft, nicht anders als das Christen- und das Judentum. Er gehörte dann tatsächlich, nämlich de jure, zu Deutschland.
Eine Vorstellung, bei der die Moslems selbst ins Zweifeln geraten. Mit gutem Grund betrachten sie das Ganze skeptisch, wenn nicht ablehnend. Ersten müssten die Gläubigen als solche erfasst werden; da sie im Fall ihrer Abkehr als Steuerzahler ausscheiden würden, würde auch das dokumentiert. Die Imame könnten den Abtrünnigen jederzeit auf die Schliche kommen, um ihrerseits die Strafen zu verhängen, die der Koran für diesen Verrat vorsieht. Wie bedrohlich das für den einzelnen werden könnte, hat Gerd Buurmann hier bereits beschrieben.
Allein das ist noch nicht alles. Denn zweitens müssten sich die Moslems, sollen ihre Gotteshäuser als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt werden, auch diesem Recht unterwerfen. Eine schlichtweg unzumutbare Forderung, insofern unser Grundgesetz auf christlichen sowie auf jüdischen Wertvorstellungen gründet, selbst wenn das vielen nicht mehr bewusst sein mag.
Spiel mit dem Feuer
Das Menschenbild, das sich darin spiegelt, wurde nicht zuletzt von Zehn Geboten geprägt. Die verfügte Würde und die Unabhängigkeit des Individuums ist unvereinbar mit den kollektivistischen Vorstellungen des Islam, jedenfalls solange er noch keine Aufklärung durchlaufen hat. Wer aber wollte das gerade jetzt erwarten, da die moslemische Orthodoxie immer mehr an Macht gewinnt.
Nicht zu reden von der Uneinigkeit der verschiedenen Ausprägungen des Islam, etwa von den Salafisten, die den Aleviten und der Achmadiyya-Gemeinde am liebsten den Garaus machen würden. Als Steuereintreiber würde der Staat Mittel an die Glaubensgemeinschaften weiterleiten, die zur Austragung ideologischer Kämpfe verwendet werden könnten. Da es so etwas wie das christliche Einverständnis, in dem sich Katholiken und Protestanten trotz unterschiedlicher Auslegungen der heiligen Schriften treffen, da es das bei den Moslems nicht gibt, kann es auch keine der Kirchensteuer vergleichbare „Moschee-Steuer“ geben.
Wer dennoch glaubt, den Plan im Interesse multikultureller Gerechtigkeit verfolgen zu müssen, spielt mit dem Feuer und macht zugleich eine historische Rolle rückwärts, indem er den Staat wieder verstärkt als Dienstleister der Religionen in die Pflicht nehmen will. Schon bei der Kirchensteuer fragen sich ja viele unterdessen, ob es noch Sache der Finanzämter sein muss, bei den Gläubigen die Alimente abzugreifen. Hoffen wir also, dass die „Moschee-Steuer“ eine Schnapsidee bleibt, die unsinnigsten des ablaufenden Jahres.