Guten Morgen, es ist Freitag, der 9. Juni und es ist wieder Zeit für eine Morgenlage. Zunächst ein kurzer Überblick: Die EU-Innenminister stimmten mehrheitlich für ein gemeinsames Asylverfahren, nach dem Dammbruch am Kachowka-Staudamm ist die Trinkwasserversorgung der Region gefährdet, in Moskau gibt es einen neuen politischen Prozess, die türkische Lira sinkt auf neues Rekordtief und deutsche Stadtwerke träumen von einer Anschlusspflicht an Wärmenetze.
Der Blick in einzelne Nachrichten beginnt mit dem, was EU-Funktionäre gerade als "historisch" feiern, nämlich EU-weit gültige Asylregelungen. Allerdings haben nicht alle EU-Staaten zugestimmt.
EU-Innenminister beschließen mehrheitlich gemeinsames Asylverfahren
Dennoch heißt es in den heutigen Morgenmeldungen, dass die Asylverfahren in der EU deutlich verschärft werden sollen. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte demnach am Donnerstagabend eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne. Sie sähen insbesondere einen weniger verlockenden Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. So sollen ankommende Asylantragsteller aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen quasi interniert werden. Dort solle dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl habe. Wenn nicht, solle er von dort aus zurückgeschickt werden.
Asylantragsteller aus Ländern, die nicht von vornherein als sicher gelten, würden künftig in der EU verteilt werden. Die Aufnahme von so verteilten Migranten solle künftig verpflichtend sein. Staaten, die keine Zuwanderer ins Asylsystem aufnehmen wollten, müssten stattdessen Ausgleichszahlungen leisten. Ungarn und Polen hätten deshalb gegen den Plan gestimmt.
Eine solche Verteilung würde allerdings nicht verhindern, dass auf andere EU-Staaten verteilte Migranten in das wegen besserer Sozialleistungen attraktivere Deutschland weiterziehen. Hierzulande gibt es wahrscheinlich kaum den politischen Willen, solche Asylbewerber wieder auszuweisen. Zudem könnte das Asylrecht vom EU-Parlament weiter entschärft werden. Und dass Polen und Ungarn diesen Regelungen nun widerspruchslos folgen werden, ist ebenfalls alles andere als sicher. Vielleicht war diese Einigung am Ende dann doch nicht der historische Durchbruch, als der sie gerade gefeiert wird. (Quelle: Welt)
Kachowka-Staudamm: Wachsende Sorgen um AKW Saporischschja
Und damit kommen wir wieder zum Krieg in der Ukraine. Die Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms hat bekanntlich auch Auswirkungen auf das Atomkraftwerk Saporischschja. Dort wird das Kühlwasser für die Reaktoren langsam knapp, heißt es in Presseberichten. Die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) habe zwar vorerst Entwarnung gegeben, weil das AKW noch Wasser aus dem Stausee pumpen könne, dennoch bleibe die Lage „unsicher und potenziell gefährlich“. Eine Prüfung hätte ergeben, dass der Pumpvorgang „auch dann fortgesetzt werden kann, wenn der Pegel unter die aktuelle Schwelle von 12,7 Metern fällt“, die zuvor als kritisch eingestuft worden war, habe die UNO-Behörde erklärt und als neuen kritischen Wert einen Wasserpegel von „elf Metern oder sogar darunter“ festgelegt.
Dies gebe „etwas mehr Zeit", um möglicherweise auf andere Versorgungsquellen umzusteigen. Zuvor habe der Chef des ukrainischen Energieunternehmens Ukrhydroenergo, Igor Syrota, mitgeteilt, dass die Wasserreservoirs nicht mehr ausreichen würden. Die Reaktoren des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja seien zwar bereits abgeschaltet, allerdings müsse der Brennstoff in den Reaktorkernen und in den Lagerbecken ständig gekühlt werden, um eine Kernschmelze und die Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt zu verhindern. (Quelle: ORF)
Trinkwasserversorgung nach Dammbruch gefährdet
Auch die Trinkwasserversorgung in der Region ist durch den Dammbruch gefährdet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe deshalb eine Krisensitzung in der Region Dnipropetrowsk abgehalten, heißt es in Presseberichten. Es gebe Probleme bei der Wasserversorgung der Städte Krywyj Rih, Marganez, Pokrow und Nikopol, habe der Militärgouverneur der Region, Serhij Lyssak, laut einer Mitteilung des Präsidialamts berichtet. Nach dem dramatischen Sinken des Pegels im eigentlichen Stausee sei insbesondere die Trinkwasserversorgung in den anliegenden Regionen gefährdet. Bei der Sitzung sei es deshalb laut Präsidialamt auch um den Bau neuer Wasserleitungen in der Region Dnipropetrowsk gegangen, die die alten aus dem Kachowka-Stausee ersetzen sollen. Selenskyj habe die Zahl der potenziell von Trinkwassernot betroffenen Menschen in der Ukraine auf „Hunderttausende“ beziffert. (Quelle: ORF)
Ko-Vorsitzender von Memorial in Moskau vor Gericht
Derweil hat in Moskau der Prozess gegen den Ko-Vorsitzenden der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow, begonnen. Dem Gericht im Moskauer Stadtteil Golowinski habe Orlow vorgeworfen, er werde lediglich wegen seiner Meinung angeklagt. Der 70-Jährige habe im Alleingang gegen die russische Invasion in der Ukraine demonstriert und auf einer französischen Internetseite einen russland-kritischen Gastbeitrag veröffentlicht, heißt es in Medienberichten. Die Staatsanwaltschaft werfe Orlow vor, die russische Armee diskreditiert zu haben.
Die russische Justiz hatte die renommierte Organisation Memorial 2021 offiziell mit der lapidaren Begründung aufgelöst, die Organisation hätte gegen Gesetze verstoßen. Memorial setzte sich seit der Gründung in der Endzeit der Sowjetunion für politisch Verfolgte und Gefangene ein und thematisierte die Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft. Im vergangenen Jahr wurde sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. (Quelle: Deutschlandfunk)
Deutscher UNO-Sondergesandter zur "unerwünschten Person" im Sudan erklärt
Aus dem Sudan wird berichtet, dass Militärmachthaber al-Burhan den deutschen UNO-Sondergesandten Volker Perthes zur unerwünschten Person erklärt hat. Das Außenministerium in Khartum habe mitgeteilt, dass die Regierung UNO-Generalsekretär Guterres darüber informiert hätte. Der Sondergesandte habe sich gestern zu Gesprächen im benachbarten Äthiopien aufgehalten.
Zuvor hatte Burhan Perthes Absetzung gefordert und behauptet, er wäre für den Beginn der Kämpfe zwischen seiner Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz Mitte April verantwortlich. Perthes hätte demnach in seinen Berichten die explosive Lage in Khartum „verschleiert“. Ohne diese "Verschleierung" - so Burhans Argumentation weiter - hätte die RSF ihre Angriffe nicht begonnen. Guterres hatte Perthes daraufhin „sein volles Vertrauen“ ausgesprochen. Und nun ist er "unerwünscht". Seitens der UNO dürfte es darauf sicher keine allzu kraftvolle Reaktion geben. (Quelle: Deutschlandfunk)
Türkische Lira sinkt auf neues Rekordtief
Das ist auch eine Art Kommentar zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdogan: Die türkische Lira ist am Donnerstag auf neue Tiefstände zu US-Dollar und Euro gefallen, heißt es in Presseberichten. So sei der Dollar auf einen Rekordstand von 23,4 Lira und der Euro auf 25,50 Lira gestiegen. Am Vortag habe die Lira zum Dollar bereits den stärksten Tageseinbruch seit einem Jahr verzeichnet. (Quelle: Berliner Zeitung)
Erdogan ernennt US-Finanzmanagerin Erkan zur Zentralbankchefin
Die währungspolitische Rettung soll jetzt offenbar Hafize Gaye Erkan bringen. Sie ist ehemalige Co-CEO der amerikanischen First Republic Bank und arbeite als Managing Director für Goldman Sachs und wurde nun von Erdogan zur Zentralbankchefin ernannt. Als fünfte Amtsinhaberin in vier Jahren löse sie Sahap Kavcioglu ab. Dieser sei zum Leiter der staatlichen Bankenaufsicht BDDK ernannt worden. Die türkische Zentralbank hatte bekanntloch bislang trotz extrem hoher Inflation die Zinsen gesenkt, anstatt sie im Kampf gegen die Teuerung anzuheben, weil Erdogan es so wollte. Der Machthaber, der sich selbst als „Zinsfeind“ bezeichnet, habe immer nur mit billigem Geld die Wirtschaft anschieben wollen. Experten hätten gewarnt, die Wirtschaft steuere bei einer Fortsetzung der derzeitigen Politik auf Turbulenzen zu, da ihre Devisenreserven erschöpft seien. Wird nun Erkan einen Kurswechsel vollziehen dürfen? (Quelle: Handelsblatt)
Stadtwerke liebäugeln mit Anschlusspflicht an Wärmenetze
Und was gibt es Neues aus Deutschland? Eine weitere Zwangs-Idee für die sogenannte Wärmewende. Der Verband kommunaler Unternehmen empfiehlt, nicht allein auf die Wärmepumpe zu setzen. So weit, so gut, aber aus Sicht der Stadtwerke sollte auch über eine Anschlusspflicht für Hausbesitzer ans kommunale Wärmenetz nachgedacht werden. Es wäre "nicht abwegig, über eine Pflicht für Haushalte zu reden, sich an ein vorhandenes Wärmenetz anzuschließen", habe Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), in der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt. Wärmenetze hätten schließlich den Vorteil, dass bei einer Umstellung auf erneuerbare Energiequellen "alle angeschlossenen Gebäude auf einen Streich" erreicht würden. "Dort, wo die kommunale Planung Wärmenetze vorsieht, darf der Staat nicht gleichzeitig den Einbau von Wärmepumpen fördern", wird Liebing zitiert. (Quelle: n-tv)
Und damit endet diese Morgenlage wie immer mit den besten Wünschen für den heutigen Tag und das kommende Wochenende.