Henryk M. Broder / 04.06.2022 / 10:00 / Foto: StagiaireMGIMO / 94 / Seite ausdrucken

Montgomery und die Tyrannei der Ungeimpften

Am 7. November 2021 saß der Ratsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, bei Anne Will und ließ Dampf ab. „Momentan erleben wir ja wirklich eine Tyrannei der Ungeimpften, die über 2/3 der Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Maßnahmen aufoktroyieren..." Anne Will reagierte, als habe sich sie verhört. „Tyrannei..?" Worauf „Monty", wie ihn seine Kollegen nennen, nachlegte. „Ja, ich benutze bewusst den Begriff der Tyrannei, denn in Ländern, in denen 97 Prozent geimpft sind, wie in Portugal, gibt es alle diese einschränkenden Maßnahmen nicht mehr, weil man sie nicht mehr braucht.“

Da war vor genau sieben Monaten, wegen der hohen Zahl der Geimpften galt Portugal vielen als Vorbild für den Kampf gegen die Pandemie. Und „Monty" , der schon lange keinem Patienten mehr den Blutdruck gemessen hat, mischte ganz vorne mit. Man musste schon sehr viel Glück haben, um einen Montgomery-freien Tag bei der Tagesschau oder dem heute journal zu erleben. Unermüdlich trompetete er seine Botschaft in die Welt: Impfen, impfen, impfen, denn nur eine hohe Impf-Quote, am besten 100 Prozent, garantiere einen wirksamen Schutz gegen Corona.

Sieben Monate später ist Montgomery wieder da, das Virus auch. Ausgerechnet im Vorzeigeland Portugal breitet sich eine neue Variante aus. Monty scheint nicht überrascht und tut so, als habe er es kommen sehen. „Die BA.5-Variante des Virus wird sich auch bei uns ausbreiten. Viele, auch Geimpfte, werden erkranken. Gut zu wissen: wer geimpft ist, erkrankt deutlich milder. Sein Risiko zu sterben ist 99 Prozent geringer als bei Ungeimpften.“

Das ist natürlich kompletter Unsinn, wie die Behauptung, alle 11 Minuten verliebe sich jemand über Parship. Man kann das Risiko, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen, ausrechnen, aber nicht ein um 99 Prozent geringeres Todesrisiko bei Geimpften, verglichen mit Ungeimpften. Schon deswegen, weil man, wie wir inzwischen wissen, mit und an Corona sterben kann. 

Montgomery ist ein Maulheld, der sich Anfang Juni nicht mehr daran erinnern kann, was er Anfang November letzten Jahres gesagt hat. Sein Risiko, sich zu verplappern, ist dabei um mindestens 99 Prozent größer als bei einer Wettervorhersage durch eine Fachkraft für Lagerlogistik.

Foto: StagiaireMGIMO CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Bernhard Freiling / 04.06.2022

@ Hans Reinhardt # Geht’ s auch ‘ne Nummer kleiner? # Was täten Sie, wenn Sie als ungeimpfter Angestellter keinen Zugang zu Ihrem Arbeitsplatz erhielten? Was täten Sie, wenn Ihnen die Arbeitsagentur wegen Ihrer “Ungeimpftheit” die Zahlung von Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld verweigert? Wenn Ihnen als freiberuflicher Publizist wegen Ihrer nicht vorhandenen Impfung der Zugang zu Redaktionen und Fernsehstudios verwehrt wird? Wenn Sie aufgrund dessen von der Teilnahme an Podiumsdiskussionen und Lesungen ausgeschlossen werden? Wenn Sie wegen Ihres Impfstatus nicht mehr dahin reisen können, “wo es brennt”, wo gerade Ihre Story entsteht? # Ihre Meinung soll Ihnen ja unbenommen bleiben. Aber “zu Ende denken” wäre ein guter Anfang.

Bertram Axmann / 04.06.2022

Mich interessieren nur Fakten. Herr Montgomery bringt deutlich zum Ausdruck, dass er die Fakten weder kennt, noch kennen will. Vielleicht kann er es auch nicht…. Das ist mir aber egal. So einen Menschen kann ich in diesem Themenfeld nicht ernst nehmen.

Dietmar Herrmann / 04.06.2022

Herr Geiselhart: erkennar sind diese Typen an der Brille und am selbstgefälligen Grinsen.

Gabriele Kremmel / 04.06.2022

Wer war es gleich, der zu Beginn der Pandemie davor gewarnt hatte, in eine Pandemie hinein zu impfen? Weil es dann zu Mutationen kommt, denen man dann dauernd hinterher impfen muss. Montgomery scheint keinerlei Kenntnis über derlei Zusammenhänge zu haben. Was sagt das über seine Kompetenz zu dem Thema aus, über das er sich so gerne echauffiert?

Hans-Peter Dollhopf / 04.06.2022

Prozente sind nicht so das Ding dieses “Präsidenten”. Vor ein paar Wochen hatte er im ÖRR in einer Talkshow errechnet, dass 10.000 von 100.000 zwei Prozent wären.

Franz Michael / 04.06.2022

Weit über 50 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten ihr halbes Arbeitsleben einzig dafür, dass solch Menschentypus wie Lauterkrach, Montgomery und viele andere restlos leistungslos finanziert werden und plappern dürfen. Rettet sich wer noch kann. Es ist vulgäres Verständnis von Freiheit das Politiker und andere Leistungslosen sich selbst die Diäten für ihre verbale Absonderung erhöhen können. »Die Hüter der Ungleichheit« “Die zweite Funktion des Staates mächtig übertreibend, hat sich die Bürokratie in eine ungeheuerliche und ständig wachsende soziale Verirrung verwandelt, die ihrerseits zur Ursache bösartiger Geschwüre der Gesellschaft wird. Nachdem sie ihre eigene soziale Frage gelöst hat und mit den bestehenden sozialen Verhältnissen durchaus zufrieden ist. Der Staat/Bürokratie schafft und erhält gesellschaftliche Ungleichheit um seine Daseinsberechtigung stets auf Neue zu beweisen.” Deutschland ist zu einer Sekten Glaubensgemeinschaft geworden.

Sam Lowry / 04.06.2022

Ein guter freier Journalist hätte sofort die Frage gestellt, wo man die 99%-Studie finden kann. Game over…

Ulrich Bohl / 04.06.2022

Wer würde sich von diesem Mann denn noch den Blutdruck messen lesen?  Es reicht ihn reden zu hören und der Blutdruck steigt so hoch, dass jedes Meßgerät streikt. Steigt der Blutdruck extrem hoch, wird die Gefahr des Ablebens größer und es steigt die Gefahr des Ablebens durch CORONA, nicht durch zu hohen Blutdruck. Monty würde diese Diagnose dann sicher bestätigen.

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