Monsieur Größenwahn: EU macht notfalls Bundestagswahl rückgängig

Der Ex-EU-Kommissar Thierry Breton droht mit Annullierung der deutschen Bundestagswahl und sagt, dass die EU bereits die Wahl in Rumänien wegen Einfluss von außen rückgängig gemacht hat.

Es gibt gute Gründe, die EU in ihrer jetzigen Form kritisch zu sehen. Allein schon die Tatsache, dass nur die EU-Kommission, die nicht gewählt, sondern berufen wird, Gesetze vorschlagen kann, während das Parlament als einzige demokratisch legitimierte EU-Institution lediglich darüber verhandeln kann, wäre Grund genug. Besonders aufschlussreich sind jedoch Bemerkungen, die EU-Repräsentanten in ehrlichen Momenten ungefiltert herausrutschen. Legendär ist etwa die Aussage des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, der Ende der 90er-Jahre einmal unumwunden zugab: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ Besser kann man das Treiben der EU-Kommission nicht auf den Punkt bringen.

Nun hat der ehemalige EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton für eine weitere Selbstoffenbarung gesorgt, die in Zukunft sicher noch oft zitiert werden wird. In einem Interview mit dem französischen Fernsehsender RMC am Donnerstagabend bezog sich Breton auf das zu diesem Zeitpunkt noch bevorstehende Gespräch, das Elon Musk auf seiner Plattform X mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel live führte. Breton sagte dazu: „Von dem Moment an, in dem die Sendung in Europa über eine regulierte Plattform ausgestrahlt wird, muss Elon Musk die europäischen Regeln befolgen. Bei der AfD müssen wir uns daran orientieren. Es ist selbstverständlich, dass wir alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden, um sicherzustellen, dass er sich an die Gesetze hält. Wenn er sich nicht daran hält, drohen ihm Geldstrafen und möglicherweise ein Verbot“.

Mit den „europäischen Regeln“ meint Breton vor allem das EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act), das von Internetplattformen verlangt, möglicherweise schädliche Inhalte zu löschen. Dabei geht es nicht zuletzt um die Einflussnahme vor Wahlen. So wurde die Präsidentschaftswahl in Rumänien im vergangenen Jahr annulliert, weil sich angeblich ausländische Akteure über die Videoplattform TikTok in die Wahl eingemischt hätten und eine Wahlmanipulation von russischer Seite stattgefunden habe. Und Breton fügte vor laufender Kamera in Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen in Deutschland in bemerkenswerter Offenheit an: „Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.“

Damit gibt er zweierlei zu: Erstens ist der Verdacht, dass die EU-Kommission eine ihr nicht genehme Wahl nachträglich annulliert hat, offenbar keine Verschwörungstheorie. Und zweitens maßt sich die EU an, auch die Wahlen in Deutschland wegen der angeblichen Einmischung Musks möglicherweise abzusagen oder für ungültig zu erklären. Zwar ist Breton nicht mehr im Amt, aber es ist klar geworden, wie es in den EU-Funktionären denkt. Allerdings hat Breton auch noch ein persönliches Hühnchen mit Musk zu rupfen, weil er Musk wegen eines Gesprächs mit Donald Trump im August vergangenen Jahres schon einmal zensieren wollte und letztlich über diese Affäre sein Amt verlor (achgut berichtete).

Bedenklich ist jedoch, dass in einer offiziellen Pressemitteilung der EU-Kommission vom 10. Januar ebenfalls die Causa Musk in Hinblick auf den Digital Services Act thematisiert wird. Unter dem Stichpunkt „Wahlen“ heißt es: „Nach dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) müssen sehr große Online-Plattformen eine Reihe verschiedener systemischer Risiken, die von ihren Diensten ausgehen, bewerten und entschärfen, darunter Risiken für Minderjährige, Risiken für Grundrechte wie die Redefreiheit und Risiken für Wahlprozesse und den zivilgesellschaftlichen Diskurs. Dazu gehört auch die Verpflichtung, die Risiken zu analysieren und abzumildern, die sich aus der bevorzugten Behandlung oder Sichtbarkeit von Inhalten auf einer bestimmten Plattform ergeben, einschließlich der Inhalte von Elon Musk auf seiner eigenen Plattform. Die EU-Kommission hat bereits eine förmliche Untersuchung gegen X eingeleitet, in der es unter anderem darum geht, wie die Plattform mit Risiken für den zivilen Diskurs und Wahlen umgeht. Um sicherzustellen, dass die Plattformen den DSA einhalten, arbeitet die Kommission mit allen Koordinatoren für digitale Dienste in den Mitgliedstaaten zusammen, in denen Wahlen stattfinden oder geplant sind. Die Kommissionsdienststellen werden zusammen mit dem deutschen Koordinator für digitale Dienste, sehr großen Online-Plattformen, einschließlich X, und Organisationen der Zivilgesellschaft am 24. Januar einen runden Tisch veranstalten, um die Risiken vor den deutschen Wahlen zu diskutieren.“

Das klingt fast so, als versuche die EU-Kommission schon im Vorfeld der deutschen Bundestagswahl Einfluss zu nehmen und zumindest Musk kaltzustellen. Falls die EU-Kommission nun zu dem Schluss kommt, dass Musk politische Werbung im Sinne des Digital Services Acts nicht klar genug gekennzeichnet hat, sind sogar Interventionen denkbar. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht allzu überraschend, wenn die Bundestagswahl womöglich doch noch verschoben wird. Man darf also gespannt sein, was bei dem angekündigten runden Tisch am 24. Januar herauskommt.

Abschließend sei noch einmal an ein anderes denkwürdiges Bonmot eines EU-Politikers erinnert: Martin Schulz, ehemaliger Präsident des EU-Parlaments und SPD-Kanzlerkandidat 2017, gestand das demokratische Defizit der EU schon vor über 10 Jahren freimütig ein. Wörtlich sagte Schulz: „Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden – aus Mangel an demokratischer Substanz.“  Dem ist nichts hinzuzufügen.

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Montage achgut.com/ Imago

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B.Jacobs / 13.01.2025

Es ist zu vermuten, dass die EU vorsätzlich für die Errichtung einer globalen Konzerndiktatur unsere Landwirte der Existenz berauben will, damit Flächen für Grundstückspekulanten und Boden Vermögensverwaltungsgesellschaften frei werden. Anders kann ich mir die Misshandlung unserer Landwirte, die dank EU mit immer neuen Existenzängsten gequält werden, damit globale Konzerne uns eine Ernährungsdiktatur bescheren. Nebenbei, wer kontrolliert, ob Politiker sich von diesen Geldern noch bedienen? .

Lutz Liebezeit / 13.01.2025

In einigen Beitrittsländern zur Eurozone hat es mehrere Referenden gegeben, weil das dösige Volk immer Nein gesagt hat, statt Ja. Das haben die EU-Funktionäre dann uminterpretiert in: wenn es Nein sagt, meint es Ja. Man muß nur oft genug fragen. Das zu recherchieren, dauert zu lange. Einige erinnern sich vielleicht? In Deutschland sieht die Verfassung kein Referendum vor, so leicht geht das. “Hätten wir die Deutschen gefragt, hätte es keinen Euro gegeben.” Theo Waigel Waigel sollte das Vorbild sein für künftige Wahlen, auf den Wahlkampf wird verzichtet. Wir kriegen einfache eine Hochrechnung, und da steht drinnen, wen wir gewählt hätten, wenn man uns ran gelassen hätte. Das ist noch praktischer.  / Für den Maastricht Vertrag mußte der Verfassung der Geist ausgetrieben werden. Die verfassungwidrigen Manipulationen findet man leicht, wenn man sich ernsthaft damit auseinander zu setzen gedenkt. Da heißt auch, daß die Wahlen gar nicht mehr verfassungskonform sind und die Parteien, die sich hier aufspielen, illegal. Diese Referenden sind ebenfalls unvereinbar gewesen mit dem Völkerrecht. Die Verfassung enthält Bestimmungen, die einen derartigen Ausverkauf des Landes ganz klar verbieten.

Fritz B. Küfner / 13.01.2025

Dazu wäre noch anzumerken, dass das Initiativrecht (also das Recht Gesetze vorzuschlagen) das Königsrecht des Parlaments ist. Ein Parlament, das dieses Recht nicht hat, ist kein Parlament, sondern eine Demokratie-Simulation oder der Abnickverein einer Diktatur.

Wolfgang Richter / 13.01.2025

“Jean-Claude Juncker, der Ende der 90er-Jahre einmal unumwunden zugab: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert….” - Zu dem Zitat fehlt der noch wichtigere Nachsatz, der den politischen Charakter dieser “Baggage” offenlegt,  in etwa “Und wenn nötig, lügen wir halt.”

T. Schneegaß / 13.01.2025

@Dr. Günter Crecelius: Brillant, Ihre zwei Kommentare. Was in Frau Binnig gefahren ist, weiß ich auch nicht, bisher kannte ich solche Falschbehauptungen aus ihrer Feder nicht, deshalb unternehme ich einen Versuch zu ihrer Ehrenrettung: sie meint es satirisch. Oder die Achse hat die Autoren verwechselt und der Beitrag stammt von Frau Heinisch.

Andreas Bitz / 13.01.2025

Ein abgehalfterter Gernegroß Ex-“Kommissar” T. Breton, der seinen Bedeutungsverlust nie verwinden wird, muß aus Ghana bzgl. deutscher Wahlen belehren, daß die EU eine Wahlbeeinflussung durch E. Musk nicht hinnehmen wird. Das zeigt: Die Angst vor einer weiter erstarkenden EU-kritischen AfD; den großen Respekt, das Zittern vor twitter/X; einen weiteren Hinweis (s. Steinmeier) auf die argumentative Vorbereitung der Wahlannulierung sollten die Wahlergebnisse trotz intensivster Bemühungen von Machthabern, NearGO, ÖRR etc. vor der Wahl und bei der Auszählung doch nicht fruchten. Jedoch: Die grün-links Woken im EU-Spieleparadies werden von D. Trump ab dem 20, Januar aus ihrer Bällewelt gerufen und als Nobodies eine für sie fürchterliche Realität erleben.

W. Liebisch / 13.01.2025

@BBKop Die Macht der Algorithmen in sozialen Medien mag sichtbar sein, doch auch der Mainstream und öffentlich-rechtliche Sender setzen gezielt auf Framing, Agenda-Setting und emotionale Zuspitzung, um die öffentliche Meinung zu lenken, nur subtiler und mit einer Aura der Glaubwürdigkeit.__ Die Zustimmung zum Irak-Krieg,,wie kam die zustande?__ Die Schwarmintelligenz ist weitaus effektiver als jegliche Zensurversuche oder andere Maßnahmen zur Kontrolle sozialer Medien, zumindest in unseren Gefilden.  Sollen sie den DSA doch in Myanmar oder anderswo umsetzen.

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