Thilo Schneider / 29.03.2021 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 17 / Seite ausdrucken

Monopolytik

Vor den Invasoren aus Wokistan ist nichts mehr sicher. Jetzt hat es auch den altehrwürdigen kapitalistischen Klassiker „Monopoly“ erwischt. Sie wissen schon: dieses lustige Spiel, bei dem man sich seit 1904 im trauten Familienkreis durch Straßen-, Häuser- und Hotelkauf gegenseitig das Leben zur Spielhölle macht. Ich erinnere mich gerne an heitere Abende, an denen meine kleine Schwester, diese marktwirtschaftliche Null, abwechselnd Geld, Kulis und kleine Häuser nach mir warf, weil sie mal wieder auf der Schlossallee oder dem Rathausplatz in die hübschen Häuschen gerumst ist…

In Zeiten wie dieser ist natürlich ein derartiges Spiel nicht mehr so ganz zeitgemäß und abgesehen von Firlefanz wie „Star Wars Monopoly“ oder „Name Deiner Stadt – Monopoly“ (bitter für Spieler, die tatsächlich in der „Badstraße“ wohnten), hielt sich der Klassiker bei den verkauften Spielen ganz manierlich. Mehr als 250 Millionen Spiele wurden seither verkauft.

Aus. Rum. Vorbei.

Auch Monopoly will natürlich mit der Zeit gehen, damit es nicht mit der Zeit geht, und hat seine Spieler deshalb aufgefordert, über „neue Gemeinschaftskarten“ abzustimmen. Auf der Seite „monopolycommunitychest“ werden alte und neue Spieler dazu aufgefordert, über neue „Gemeinschaftskarten“ abzustimmen, da ja angeblich keiner mehr „Schulgeld“ zahlt. Wer allerdings Kinder auf einer staatlichen oder privaten Schule hat, der weiß, dass die Schulen alle monatelang angekrochen kommen, um „Kopiergeld“ oder ähnlichen Unsinn zu kassieren. Aber das nur am Rande.

„Monopoly“ soll also moderner werden. Kostprobe zu den neuen Gemeinschaftskarten gefällig? „Du engagierst Dich ehrenamtlich bei Leselernkursen mit fremdsprachigen Kindern und lernst ein paar lustige Ausdrücke in einer neuen Sprache („Bir fahişenin oğlu“?). DAS BRINGT DIR 100 M EIN.“ Und einen Kieferbruch, wenn Du die lustigen Ausdrücke anwendest.

„Du bekommst Menschen geschenkt. Der Wert Deiner teuersten Straße halbiert sich“

Du findest eine Brieftasche auf dem Gehweg und gibst sie nicht im Fundbüro ab. GEH INS GEFÄNGNIS!“ Außer, Du bist neu hinzugekommen, dann gibst Du sie natürlich ab und erhältst Finderlohn und einen Presseartikel. 

Du hast nicht lokal gekauft. ZAHLE 50 M“ – Glück gehabt! Lokal zu kaufen, wäre teurer als beim Discounter gewesen und hätte noch mehr gekostet.

Das „neue Monopoly“ ist nichts anderes als ein Erziehungsprogramm, damit sich die Kleinen nicht schlecht fühlen, wenn sie auf der Parkstraße ein paar Häuschen haben und „Miete kassieren“. 100 M kostet es, wenn „Du ein Nachbarschaftsfest veranstaltet hast, ohne den Müll zu recyceln“. Das hast Du dann davon. Weil Du so eine Umweltsau bist.  

Aber gut – könnt Ihr haben. Wie wäre es denn mit neuen „Ereignisfeld“-Karten? „Du hast Dein Hotel an neu Hinzugekommene vermietet. Nimm pro Hotel aus der Bank das Zehnfache des Mietwerts auf der Karte. Der Staat hat es ja!“ Bleiben dann allerdings die Renovierungskarten im Spiel? Oder wie wäre es mit „Dein Haus wurde von einem queerfeministisch-lesbischen Wohnprojekt besetzt. Die Räumung kostet Dich 1.000 M, die Sanierung das Doppelte der Häuserwerte“? Ganz aktuell: „Die Regierung führt eine Mietpreisbremse ein. Egal, wie viele Häuser Du hast: Es gilt immer nur der Mietwert des unbebauten Grundstücks.“ Das wäre doch mal was! Da verkauft die kleine Schwester doch ganz flott alle Häuser, um liquide zu sein, wenn sie auf andere Straßenfelder kommt! Der Möglichkeiten gibt es auf den Ereignisfeldern ganz viele: „Die Badstraße wird Opfer einer Demo gegen Gentrifizierung – reiße alle Häuser und Hotels ab“ oder „Bahnhöfe, Wasser- und Elektrizitätswerke dienen der Öffentlichkeit – gib alle Deine entsprechenden Karten an die Mitspieler ab!“. „Das Elektrizitätswerk muss auf Wind- und Solarenergie umrüsten. Kassiere von allen Mitspielern eine einmalige Energieabgabe in Höhe des 5-fachen Gebäudewerts“ oder „Du bekommst Menschen geschenkt. Und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft. Der Wert Deiner teuersten Straße halbiert sich“ wären doch ebenfalls lebensnahe Ereigniskarten! Oder, positiv: „Der Gesundheitsminister zieht auf Deine teuerste Straße. Jedes Haus kostet jetzt 4 Mio. Mark“?

Beim Schach wird Weiß vom Spielfeld verbannt

Würden wir auf den Gemeinschaftsfeldern nicht auch gerne soziale Karten sehen wie „Du stimmst dem Bau einer Moschee in der Nachbarschaft zu. Kassiere von allen Mitspielern 20 M Parkgebühren“ oder „Die SPD eröffnet in Deiner teuersten Straße ihr Bürgerbüro. Bestimme nach eigenem Gutdünken, wie hoch die Miete ist“? Würden wir uns nicht auch pudelwohl mit Gemeinschaftskarten wie „Du spendest für die Grünen 100 M“ oder „Du startest eine Bürger:Innenaktion für mehr Blumen in den Vorgärten, das kostet Dich 100 M“ fühlen? Hach, der Möglichkeiten gäbe es ganz viele! „Du bekommst „Provision“ für die Vermittlung von Atemschutzmasken – ziehe 2000 Mark ein“, „Gib zu, dass Du einen Fehler gemacht hast – alle Spieler applaudieren Dir“, es muss ja nicht immer schnöder Mammon sein, um den es geht! „Soziale Anerkennung“ ist ja auch ein Wert! 

Jedes Spiel hat seine Zeit. In den 90ern und 00ern waren die „Siedler von Catan“ angesagt, auch hier warte ich auf einen politisch korrekten Erweiterungspack, bei dem Straßen eben wieder renaturiert oder zu Fahrradwegen abgerüstet werden müssen, um der Flächenversiegelung zu entgehen. Als neue Ressource könnte man Blumen einführen, um die Dörfer und Städte zu verzieren, was Extra-Punkte gibt!

Naja: Und beim Schach wird die Dame zur wichtigsten Figur erklärt und wer sie schlägt, der gewinnt. Es wird Zeit, den König als patriarchalisches Symbol und entscheidende Spielfigur zu entmachten. Hat jetzt auch lange genug gedauert. Um es rund zu machen, wird auch das diskriminierende Weiß vom Spielfeld verbannt und alle Spieler haben nur noch schwarze Figuren. Dann muss man sich eben besser konzentrieren.

Eine ganz persönliche Anmerkung noch: Bei „Risiko“ mussten früher „Länder erobert“ werden, heute werden sie „befreit“. Weswegen ich gerne rot und grün besetzte Länder – ganz unabhängig vom Auftrag – vorzugsweise befreie. Weil mir deren Quatsch auf den Nerv geht. Da bin ich etwas nachtragend. Das ist ja kein Spiel hier!

Weitere Spielereien des Autors unter www.politticker.de

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.M

Foto: Timo Raab

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Christina S. Richter / 29.03.2021

Die bittere Realität spielerisch sehr gut erklärt, danke Herr Schneider! Game over sollte/muss die Devise sein!

Bernd Meyer / 29.03.2021

Sie wollen ein Vorbild sein? Warum treten Sie dann nicht mal ihren Freunden von der FDP heftig in den Arsch, anstatt zu jammern? Habe Ihren Artikel nur angelesen. Sorry!

Anton Weigl / 29.03.2021

Als Kinder haben wir sehr gerne Wild Life gespielt. Monopoly eher selten. Für meine Kinder wollte ich Anfang des neuen Jahrtausends ein neues Spiel von Wild Life kaufen. Das alte war sehr stark abgegriffen. Es gab dieses Gesellschaftsspiel nicht mehr. Leider, man hat bei diesem Spiel viel von Tieren und Ländern gelernt. Wer hat dieses Spiel auch gespielt?

Peter Petronius / 29.03.2021

Oje, nachdem “Monopoly” den Trend für die Reform klassischer Brettspiele auf woke gesetzt hat, dürften andere Klassiker zwecks Vermeidung eines shi… woken candy storms wohl bald vorauseilend folgen. Aus “Mensch ärgere Dich nicht” könnte ein “Menschen bonot Euch” werden, nicht benannt nach dem Heilsbringer von U2, sondern den putzigen Bonobos, die zwecks Konfliktlösung miteinander kuscheln. Nicht rausschmeißen, sondern vögeln bis der Arzt kommt, nach einem Ende der Lockdownwelle könnte “Menschen bonot Euch” ein echter Hit werden. South Park hat 2012 mit der Episode “Sarcastaball” (aus American Football wird aus Sicherheitsgründen ein Kuschelspiel mit Luftballon und viel den Gegner kuscheln) vorhergesehen - gibt’s in der Mediathek von SP zu sehen.

Wolfram Winkler / 29.03.2021

Ziel des Spiels war urprünglich den Kapitalismus zu entlarven. Daher hatte die Originalversion der Erfinderin Elizabeth Magie Phillips - “The Landlord’s Game” - zwei Varianten. Die erste ist bekannt. In der zweiten wird eine „single tax“ eingeführt, die bewirken sollte , dass die meisten Spieler wohlhabender werden.

Bernd Ackermann / 29.03.2021

Ich hätte da auch ein paar Ideen für Monopoly: “Deine GEZ-Gebühr wird fällig, zahle an die Bank für jedes Haus 100 und für jedes Hotel 1000 Dinare.” - “Du engagierst aus Versehen den Architekten des Berliner Flughafens. Ab sofort kosten Häuser und Hotels das Vierfache und können erst 10 Runden nach Kauf aufgestellt werden.” - “Die Grünen erhalten die absolute Mehrheit. Das Bauen von Häusern ist verboten.” - “Kevin Kühnert wird Bundeskanzler, Alle Spieler werden enteignet.” - “Beherbergungsverbot. Für Hotels wird keine Miete mehr fällig. Für Häuser auch nicht, wegen AirBnb,” - Und meine Lieblingskarte:  “Lockdown. Alle Spieler müssen 5 Runden aussetzen.” Dass das Phallus-Symbol “König” aus dem Schachspiel entfernt wird ist nur gut und richtig, geht ja wohl nicht dass der da aufgerichtet im Zentrum herumsteht. Allerdings haben Sie noch etwas vergessen: nicht nur die weißen Figuren müssen durch schwarze ersetzt werden, auch die weißen Felder müssen weg. Ein großes schwarzes Feld für alle!

Sebastian Weber / 29.03.2021

Noch ein paar Vorschläge für Gemeinschaftskarten: “Du hast falsch gegendert. Zahle M= 100”. “Man hat Dich beim Sitzpinkeln beobachtet. Brav. Ziehe M= 20 ein.” “In einer Kiste mit Deinen Kinderbüchern für ein Wohltätigkeitsbasar für ein Flüchtlingsprojekt wurde ein Bilderbuch ‘Zehn kleine Negerlein’ gefunden. Gehe ins Gefängnis und ziehe keine M=s ein.” “Bei den “Fridays-For-Future-Demos” hüpft Du besonders hoch. Dafür bekomst Du 50 M=.”

Sebastian Weber / 29.03.2021

Es gibt auch schon das “Corona-Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel” Auf dem Brett sind nur noch 16 (4 x 4) “Häuschen-Felder” für die Spielfiguren. Da man nicht mehr raus darf (Ausgangssperre!), erübrigen sich die “Lauffelder”. Es wird nur noch gewürfelt, aber nicht mehr gezogen.

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