Rainer Bonhorst / 05.02.2010 / 13:17 / 0 / Seite ausdrucken

Money, money!

Wenn das in der Krise kein Grund zur Freude ist: Zwei große europäische Staaten bekommen dieser Tage stattliche Geldsummen, um die sie zuvor betrogen worden sind. Deutschland kriegt Geld von Steuerflüchtlingen, die auf einer Steuersünder-CD versammelt sind oder befürchten, dort versammelt zu sein. England bekommt Geld von seinen Abgeordneten zurück, nicht von allen, aber doch von den meisten, das sie dem Staat vorher abspenstig gemacht hatten.

Allerdings ist das, was der britische Schatzkanzler von seinen Parlamentskollegen bekommt, ein Pappenstil im Vergleich zu dem, was der deutsche Finanzminister erhält, indem er sich einen virtuellen Schweizer Bankraub zunutze macht. Über hundert Millionen Euro in Berlin gegen gerade mal eine gute Million Pfund in London.

Auch sonst gibt es interessante Unterschiede. Die Bundesregierung belohnt einen Dieb mit ein paar Millionen, während die britische Regierung an die 400 Schwindler nicht belohnt sondern strafend zur Kasse bittet. Genau genommen bittet sich die englische Regierung selbst zur Kasse. Denn unter den illegalen Spesenrittern befinden sich nicht nur postenlose Abgeordnete aller Parteien sondern auch viele Regierungsmitglieder. Premierminister Gordon Brown, der seinerzeit mit schlechtem Beispiel voranging, geht jetzt mit gutem Beispiel voran und zahlt auch ein paar tausend Pfund zurück, die er sich nicht hätte genehmigen sollen. 350 Abgeordnete und Lords sind - wie er -  zahlungswillig, etliche nicht, und ein halbes Dutzend, das zu sehr übertrieben hat, muss sich auf Strafverfahren einrichten.

Ein weiterer Unterschied ist der, dass die Bundesregierung den Kauf eines illegal erworbenen Wertstücks nun zur offiziellen Politik macht, während die Briten dabei sind, die maßlose Spesenreiterei durch strengere Vorschriften und schärfere Kontrollen zu unterbinden oder zumindest zu erschweren.

Es gibt aber auch eine Geistesverwandtschaft: In beiden Fällen haben wir es mit dem Phänomen zu tun, dass Staatsdiener meinen, sie seien an Rechtsnormen nicht so eng gebunden wie normale Sterbliche. Die einen, nämlich die der Bundesregierung, glauben immerhin, dass sie sich das bisschen Hehlerei zum Guten der Allgemeinheit leisten können. Die britischen Abgeordneten hingegen glaubten, sie könnten sich eine unverfrorene Spesenreiterei leisten, weil sie als Staatsdiener etwas Besseres sind oder etwas Besseres verdient haben.

Da immerhin könnte sich etwas tun. Die britischen Spesenritter müssen zwar finanzielle Reue zeigen. Aber sie dürfen hoffen, dass sie in Zukunft offiziell mehr verdienen als bisher, wenn auch nicht so viel, wie einige sich inoffiziell erschlichen haben.

Dabei spielt der Gedanke eine Rolle, dass die Abgeordneten sich vor allem deshalb zu viel genehmigt haben, weil sie nicht genug verdienen.

Dieser Gedanke ist allerdings nicht dem britischen Parlament vorbehalten; er ist weit verbreitet, ja international und in allen Schichten anzutreffen. Auch ein Bankräuber raubt eine Bank vor allem deshalb aus, weil er der Überzeugung ist, dass er auf andere Weise nicht genug verdient.

Im Falle des Steuersünder-CD-Bankräubers geht diese Rechnung auf.

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